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VERBRAUCHERSCHUTZ/1088: Abfallentsorgung durch Rohstoffveredlung (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 341 - Februar 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Abfallentsorgung durch Rohstoffveredlung
Wenn dioxinhaltige Altfette zu hochwertigem Futter werden, sind Betrug und Gewinnmaximierung perfekt

Von Marcus Nürnberger


Im Märchen sollte die Müllerstochter aus Stroh Gold machen und scheiterte. Das ominöse Rumpelstilzchen konnte, was der jungen Frau misslang. Wie das Märchen weitergeht ist jedem bekannt. Auch bei Harles und Jentzsch hat man versucht, Billiges zu Wertvollem zu machen. Nicht durch das Spinnrad geschah die Verwandlung. Die Herkunft verschleiern, vielleicht auch gezielt vermischen, um Grenzwerte einzuhalten. Bis heute sind die genauen Abläufe unklar. Wie auch die Herkunft der giftigen Dioxinbeimischungen.

"Immer wieder wird bei Lebensmittelskandalen sichtbar, mit welcher kriminellen Energie von Teilen der Futtermittelindustrie gearbeitet wird. Ich erinnere an den Skandal um mit Dioxin verseuchte Eier und Fleischwaren in Belgien, wo Transformatorenöle in Futtermittel untergemischt wurden oder um dioxinverseuchtes Schweinefleisch aus Irland, wo Maschinenöl beim Futter dazugemischt wurde", kommentiert Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft nur wenige Tage nach Bekanntwerden die Dioxinfunde in Futtermitteln und fordert: "Die Bundesregierung ist aufgefordert, nicht nur herauszufinden, woher die Verunreinigungsquelle kommt und wohin verseuchtes Futter geliefert wurde. Sie muss endlich Anstrengungen unternehmen, um den kriminellen Sumpf trocken zu legen. Das heißt konkret zu klären, wie die Wege bei der Futtermittelherstellung verlaufen, welche Futtermittelzutaten woher kommen, und genaue transparente Angaben über die Zusammensetzung eines Futtermittels gewährleisten." Nach anfänglichen Beschwichtigungsversuchen spricht inzwischen auch die Bundeslandwirtschaftministerin Ilse Aigner von kriminellen Machenschaften. Der Bauernverband berechnet die Schadenssumme und sucht nach Schuldigen. Ersten Statements der DBV-Funktionäre zufolge, sollen die Futtermittelunternehmen haften. Die Zahl der betroffenen Höfe steigt und mit ihr die der betroffenen Futtermittelunternehmen, welche die belasteten Fettsäuren eingekauft und zugemischt haben. Spätestens jetzt schwenkt der DBV um. Nicht die Futtermittelwerke seien schuld, sondern einzig das Unternehmen Harles und Jentzsch. Im Wochenblatt wird diese Sichtweise juristisch untermauert. Hartes und Jentzsch ist inzwischen Konkurs. Resultat für die Bauern: Keine Entschädigung. Dafür günstige Kredite von der Rentenbank.


Der Veredlungsschritt

Entscheidend für die Gewinnmaximierung ist der Schritt aus der Dunkelheit ins Licht. In der Absatzkette ist dies der Übergang der Fette zu den Futtermittelwerken. Hier wurden aus den belasteten Industriefetten endgültig hochwertige Futtermittelkomponenten. Die Transformation ist geglückt. Die perfekte Rohstoffveredelung läßt den Preis und den finanziellen Vorteil der Beteiligten steigen. Zumindest dieser hätte die Abnehmer stutzig machen müssen. Wurde nicht klar, dass zu diesem Preis eine seriöse Herkunft nicht möglich ist? Oder hat Harles und Jentzsch den ganzen Profit selbst eingesteckt und auf den Wettbewerbsvorteil verzichtet? Eine offene Nennung der betroffenen Unternehmen und der damit verbundene Imageverlust könnten in Zukunft helfen, dass die Einkäufer selbst kritisch die bezogenen Qualitäten prüfen.


Verschlungene Pfade

Bis jetzt ist unklar, woher die Dioxine stammen, die in den Fettsäuren enthalten waren. Von einer Biodieselraffinerie, die auch Altfette destillierte, ist die Rede. Das Dioxin sei, so das Nordrheinwestfälische Landesamt, aber schon vor der Aufarbeitung in den Fetten enthalten gewesen. Offenbar ist nun auch ein Rotterdamer Lieferant der schleswig-holsteinischen Futterfettfirma Harles & Jentzsch in den Fokus der Ermittler gerückt. Der niederländische Betrieb hatte Mitte November belastete Mischfettsäure aus einer Biodieselraffinerie in Emden an Harles & Jentzsch geliefert. Immer weitere Kreise ziehen die Lieferungen belasteter Futtermittel. Inzwischen wurden neben Betrieben und Höfen in Deutschland auch Funde in Dänemark und Frankreich gemeldet.


Die Positivliste

Die Normenkommission für Einzelfuttermittel in der DLG gibt eine Positivliste heraus. Zu jedem in der Liste aufgeführten Einzelfuttermittel gibt es ein Datenblatt. Hier wird neben dem Hersteller der Herstellungsprozess, verwendete Hilfsstoffe, Informationen zu unerwünschten Stoffen sowie Hinweise zu Haltbarkeit und Lagerung erfasst. Bisher ist es den Futtermittelunternehmen freigestellt, ob sie die Positivliste zugrunde legen. Verschiedene Qualitätssicherungssysteme machen sie allerdings in Deutschland zur Auflage. Auch auf EU-Ebene gibt es eine Positivliste für Einzelfuttermittel. Sie ist Bestandteil der EG Verordnung 767 aus dem Jahr 2009. Im Unterschied zur deutschen Variante ist die Aussagekraft marginal. Aussagen über den physiologischen Nährwert der Einzelkomponenten, den Herstellungsprozess oder Möglichkeiten der Verunreinigungen werden nicht erfasst. Das Vergabegremium ist von Vertretern der Industrie dominiert. Mit ihrem Versuch, die strengen deutschen Kriterien zur Grundlage der EU-Futtermittelliste zu machen, ist die Landwirtschaftsministerin in einem ersten Anlauf gescheitert. Georg Steuer von der Normenkommission für Einzelfuttermittel ist sich dennoch sicher, dass die deutsche Positivliste zumindest in Deutschland an Verbindlichkeit gewinnen wird.


Nie mehr

Gemeinsam mit ihren Länderkollegen hat die Landwirtschaftsministerin einen 14 Punkte Plan verabschiedet. Strengere Kontrollen, mehr Transparenz. Nie mehr vorkommen soll etwas Derartiges. Bleibt die Frage, ob das System einer hochspezialisierten Agrarproduktion an sich nicht besonders empfindlich für derartige Machenschaften ist. Sowohl Ilse Aigner als auch Gerd Sonnleitner, Präsident des deutschen Bauernverbands, sehen hier keine Probleme und verweisen darauf, dass man kriminelle Machenschaften nie absolut ausschließen kann. Dennoch, eine immer weiter fortschreitende Spezialisierung, große Strukturen und das Fortschreiten der Vertragslandwirtschaft machen schon durch ihre Zentralisation anfällig. Zusätzlich fördert die Predigt von der Kostenführerschaft, weil man sich auf niedrigpreisigen Weltmärkten profilieren will, die Suche nach billigsten Rohstoffen, um kosteneffizienter zu werden.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 341 - Februar 2011, S. 16
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2011