Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → FAKTEN


ASYL/1129: Grundrechte im Ausverkauf? Bundesregierung will für Verzicht auf Asyl zahlen (Pro Asyl)


Pro Asyl - 3. Februar 2017

Grundrechte im Ausverkauf? Bundesregierung will für Verzicht auf Asyl zahlen


»Starthilfe Plus« nennt sich das neue Programm der Bundesregierung. Was auf den ersten Blick nach Hilfestellung klingt, ist eine äußerst fragwürdige Praxis: Menschen sollen mit Geldzahlungen dazu bewegt werden, auf die Prüfung ihres Asylantrags oder auf Klagen gegen Ablehnungen zu verzichten. Die Diakonie spricht zu Recht von einer »Hau ab-Prämie«.

Am 1. Februar 2017 ist das Programm »Starthilfe Plus« gestartet. Ergänzend zu den bestehenden REAG / GARP - Rückkehrprogrammen soll es zusätzliche finanzielle Anreize für eine sogenannte »freiwillige Rückkehr« liefern. Neu ist, dass nun explizit belohnt wird, wenn Flüchtlinge gänzlich auf die Prüfung ihrer Asylberechtigung verzichten.

Anreize für Rückkehr in Verfolgerstaaten

Das neue Programm zielt auf die Hauptherkunftsstaaten ab. Menschen aus einigen osteuropäischen und kaukasischen Ländern, der Türkei oder den Westbalkanstaaten sind davon ausgenommen (Details dazu gibt es im »Merkblatt Starthilfe Plus« des BAMF), nicht aber die Hauptherkunftsländer im Jahre 2016 - Syrien, Afghanistan, Iran, Irak, Eritrea und Somalia.

Aus diesen Staaten fliehen Menschen vor Krieg, Terror und politischer Verfolgung, zunehmend verlaufen ihre Asylverfahren in Deutschland unfair. Es ist anrüchig, dass nun Schutzsuchende - wider alle Fakten in ihren Herkunftsländern - zur Rückkehr dorthin gedrängt werden sollen.

Grundrechte im Sonderangebot: 1.200 EUR für Rücknahme des Antrags

Im Detail soll das so aussehen: Wer vor Abschluss seines Asylverfahrens erklärt, seinen Asylantrag zurückzunehmen und Deutschland wieder zu verlassen, erhält 1.200 EUR.

Offenbar soll damit erreicht werden, dass mehr Flüchtlinge Deutschland möglichst schnell wieder verlassen. Die individuelle Prüfung von Asylgründen in einem ordentlichen Verfahren gehört zu unseren Grundrechten - Asylsuchende haben ein Recht darauf. Mit dem neuen Programm versucht die Bundesregierung, Geflüchteten den Verzicht auf dieses Grundrecht mit Geldzahlungen schmackhaft zu machen.

Erst mangelhafte Verfahren, dann das Klagerecht abkaufen?

Wenn Asylsuchende nach einer Ablehnung ihres Asylantrags auf Rechtsmittel verzichten und innerhalb der angegebenen Frist ausreisen, sind dafür 800 EUR Verzicht-Prämie aus dem neuen Programm vorgesehen. Hintergrund davon ist vermutlich, dass immer mehr Betroffene ihr Recht in Anspruch nehmen, gegen negative Asylbescheide klagen - und dafür oft gute Gründe haben.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat die massiven Qualitätsmängel beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unlängst ausführlich dargestellt. Die Bundesregierung versucht so, die drohende Überlastung der Gerichte durch einmalige Zahlungen an die Betroffenen zu verhindern.

»Hau ab - Prämie«

Die Diakonie spricht daher zu Recht von einer »Hau ab - Prämie«, die so verkauft würde, »als wenn mit ihrer Hilfe tatsächlich ein Neustart im Herkunftsland möglich wäre«. Darauf sind diese Rückkehrprogramme aber überhaupt nicht ausgerichtet - ein Teil der Unterstützung wird auch erst nach 6 Monaten im Heimatland ausgezahlt - und ohnehin ändern auch derartige Finanzspritzen nichts an der bestehenden Gefahr durch Krieg oder Verfolgung.

»Wenn diese Prämie auf Geflüchtete aus Kriegs- und Krisengebieten angewendet wird, hebelt man unser Individualrecht auf Asyl auf dem Verwaltungsweg aus.«
Dietrich Eckeberg, Diakonie

Die Lage in den zentralen Herkunftsländern ist keinen Deut besser geworden, sie hat sich sogar verschlimmert. Trotzdem ködert die Bundesregierung Schutzbedürftige aus diesen Ländern mit Geld, damit sie noch vor Ablauf des Asylverfahrens und einer möglichen Anerkennung in die Verfolgerstaaten zurückkehren. Schutzsuchende sollen ihre Menschenrechte gegen Geld eintauschen.


URL des Artikels auf der Pro Asyl-Homepage:
https://www.proasyl.de/news/grundrecht-im-ausverkauf-bundesregierung-will-fuer-verzicht-auf-asyl-zahlen/

*

Quelle:
Pro Asyl, 3. Februar 2017
Postfach 160 624, 60069 Frankfurt/M.
Telefon: +49 (0) 69 - 24 23 14 - 0, Fax: +49 (0) 69 - 24 23 14 72
E-Mail: proasyl@proasyl.de
Internet: www.proasyl.de
mit freundlicher Genehmigung von Pro Asyl


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang