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ASYL/1262: Familiennachzug - Gesetzentwurf an der Realität vorbei (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 2. Mai 2018

Familiennachzug: Gesetzentwurf an der Realität vorbei

PRO ASYL fordert Bundesregierung auf, Konsequenzen aus Assads Entrechtungsstrategie zu ziehen


Den heute bekanntgewordenen Gesetzentwurf [1] der Bundesregierung »eines Gesetzes zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten« kritisiert PRO ASYL scharf. »Der Gesetzentwurf geht komplett an der Realität in Syrien vorbei«, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. »Während Assad ein Rückkehrverhinderungsdekret für syrische Flüchtlinge plant, erarbeitet die Bundesregierung ein Gesetz, das auf Sand gebaut ist.«

Assad plant die de facto-Enteignung von Geflüchteten, die aufgrund ihrer Abwesenheit keine Ansprüche bei der drohenden Enteignung geltend machen können. PRO ASYL fordert angesichts der aktuellen Entwicklungen subsidiär Geschützten den Familiennachzug unverzüglich zu ermöglichen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (Stand 30.04.2018) ist zudem so angelegt, dass zwei Behörden (Botschaft und lokale Ausländerbehörden) parallel Härtefallkriterien prüfen. Nach Gesetz dürfen ohnehin nur 1.000 Visa pro Monat ausgestellt werden, wenn humanitäre Gründe vorliegen. Dabei sollen von lokalen Ausländerbehörden besonders Integrationsaspekte berücksichtigt werden. Es ist absurd, Integrationskriterien bei der Auswahl humanitärer Fälle anzulegen.

Die parallele Prüfung, ob eine Visaerteilung möglich ist, durch Ausländerbehörden im Inland und Botschaften im Ausland kann vor allem in den ersten Monaten dazu führen, dass selbst die Tausend weit unterschritten werden - zumal eine neue, dritte Behörde, nämlich das Bundesverwaltungsamt die Tausend monatlichen Nachzugsberechtigten bestimmen soll (Seite 17 im Gesetzentwurf). PRO ASYL befürchtet ein vorsätzlich herbeigeführtes Zuständigkeitswirrwarr. Die Auswahl der Tausend wird von Willkür und Zufall geprägt sein. Bei 60.000 - 80.000 Betroffenen erfüllen nahezu alle die im Gesetz §36 a Abs. 2 genannten humanitären Gründe.

Ein Familiennachzug ist zudem ausgeschlossen, wenn »hinsichtlich des Ausländers, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels nicht zu erwarten ist« (§36a Abs. 3 Nr. 3, S. 10 im Gesetzentwurf). Diese Formulierung ist in der Auslegung dehnbar und öffnet alle Türen für Beschränkungen. Bei der letzten Innenministerkonferenz im Dezember 2017 hat eine Debatte über Rückkehrmöglichkeiten begonnen, die aus Sicht von PRO ASYL bei Syrien, aber auch Irak, Afghanistan und anderen nicht gegeben sind.

In Syrien soll die Nachkriegsordnung so gestaltet werden, dass Rückkehrer keine Chance haben. Sowohl GFK-Flüchtlinge als auch subsidiär Geschützte fliehen vor schweren Menschenrechtsverletzungen. Die Familieneinheit ist für beide Gruppen im Herkunftsland auf unabsehbare Zeit nicht herstellbar. Es ist eine Irreführung der Öffentlichkeit zu behaupten, der subsidiäre Schutz sei nur vorübergehend nötig, um das Grundrecht auf Familie so zu beschneiden.


Anmerkung:
[1] https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/2018-04-30-Gesetzentwurf-Neuregelung-Familiennachzug-subsidi%C3%A4r-Gesch%C3%BCtzte.docx

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 2. Mai 2018
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Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2018

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