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ASYL/760: Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 17. Juli 2012

Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz am 18. Juli 2012:

PRO ASYL, die Landesflüchtlingsräte und Campact: Flüchtlinge sind keine Menschen zweiter Klasse

Die verfassungswidrige Ausgrenzung vom menschenwürdigen Existenzminimum muss endlich beendet werden!



PRO ASYL, die Landesflüchtlingsräte und Campact erwarten vom morgigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass die gekürzten Sozialleistungen für Flüchtlinge für verfassungswidrig erklärt werden. In der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2012 hatten die Richter und Richterinnen deutliche Zweifel an den niedrigen Sätzen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) geäußert.

"Wir hoffen auf ein positives Urteil, mit dem ein für alle Mal klargestellt wird, dass die Menschenwürde kein Deutschen-Grundrecht ist, sondern für alle gilt", sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Die Flüchtlingsorganisationen hatten in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass das Gesetz verfassungswidrig ist, da die Leistungen evident zu niedrig sind. "Die Ausgrenzung der Flüchtlinge von einem menschenwürdigen Existenzminimum ist weder mit der Menschenwürde noch mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar ist", so Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat.

"Ursula von der Leyen hat als zuständige Ministerin bisher ignoriert, dass tagtäglich Flüchtlinge und ihre Kinder unter dem Asylbewerberleistungsgesetz leiden. Es ist dringend notwendig, dass sich das jetzt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ändert", sagte Günter Metzges, Geschäftsführer von Campact.

Spätestens seit dem Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2010 war der Bundesregierung der Handlungsbedarf bekannt. Die zuständige Bundesministerin von der Leyen hatte in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage den Regelungsbedarf selbst zugestanden. Gehandelt wurde trotzdem nicht. Während der mündlichen Verhandlung konnte die Staatssekretärin Niederfranke aus dem BMAS nicht ansatzweise erläutern, wie die Berechnungsgrundlage zur Bestimmung der Leistungen an Asylsuchende künftig aussehen soll.

Nach dem 1993 eingeführten AsylbLG bekommen Asylsuchende und weitere Gruppen um rund 40 Prozent reduzierte Leistungen im Vergleich zu Hartz-IV-Empfängern. Die Sätze sind seither nicht einmal der Preissteigerung von über 30 Prozent angepasst worden. Damit wurde von Jahr zu Jahr die soziale Lage der Flüchtlinge weiter verschärft. Sie sind weiteren Repressionen wie Arbeitsverboten, der Pflicht in Lagern zu leben und der Residenzpflicht ausgesetzt. In vielen Bundesländern werden die Leistungen nur als Sachleistungen ausgegeben - etwa also Lebensmittelpakete - oder in Form von Gutscheinen. Die Praxis zeigt, dass auch die Sachleistungen nicht bedarfsdeckend, zudem entmündigend und nicht selten von katastrophaler Qualität sind. Das AsylbLG legt zudem eine Ausgrenzung von einer regulären Gesundheitsversorgung fest und beschränkt Flüchtlinge auf eine medizinische Notversorgung. Auch dieser Umstand wurde von den Karlsruher Richtern in der mündlichen Verhandlung problematisiert.

PRO ASYL, die Landesflüchtlingsräte und Campact fordern von der Bundesregierung, dass sie ihr zynisches Desinteresse an dem von ihr produzierten sozialen Elend nach der Urteilsverkündigung endlich aufgibt. Nach fast 20 Jahren, in denen das AsylbLG zur Anwendung kam, wird es Zeit, dass es endlich abgeschafft wird.


Hinweis:
Am Tag der Urteilsverkündung, am 18. Juli, findet ab 8.30 Uhr eine "Mahnwache" vor dem Bundesverfassungsgericht statt (Rintheimer Querallee 11, Karlsruhe).

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 17. Juli 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2012