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ASYL/775: Flüchtlingskinder werden vielfach diskriminiert (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 24. Oktober 2012

Bundestagsdebatte zur Verbesserung der Rechtslage minderjähriger Flüchtlinge

PRO ASYL: Flüchtlingskinder werden vielfach diskriminiert



Am morgigen Donnerstag wird der Gesetzentwurf der SPD Bundestagsfraktion mit dem Titel "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation Minderjähriger im Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht" (BT Drs. 17/9187) in erster Lesung verhandelt. Einige wichtige Anpassungen, die sich aus der vorbehaltlosen Anerkennung der Kinderrechtskonvention durch die Deutsche Bundesregierung im Juli 2010 ergeben, werden durch den Gesetzentwurf aufs Tableau gebracht. Aus Sicht von PRO ASYL fehlen aber auch dringend nötige Verbesserungen für minderjährige Flüchtlinge, die in vielen Bereichen diskriminiert werden, da sie nach dem Asyl- und Ausländerrecht oft wie Erwachsene behandelt werden.

Der SPD-Gesetzentwurf greift einige Forderungen auf, die schon lange von Flüchtlings-, Kinder- und Menschenrechtsorganisationen - wie zuletzt mit der Kampagne "Jetzt erst Recht(e) - Für Flüchtlingskinder"- aufgestellt wurden. Im Widerspruch zur Kinderrechtskonvention gelten im deutschen Asyl- und Ausländerrecht Minderjährige bereits ab 16 Jahren als "verfahrensmündig" - sie werden also wie Erwachsene behandelt. Diesen Missstand will die SPD abwenden und klarstellen, dass Volljährigkeit erst mit 18 Jahren beginnt. PRO ASYL begrüßt auch, dass in dem Entwurf das Prinzip des Kindeswohls als vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt verankert ist.

Beim Thema Flughafenverfahren schlägt der Gesetzentwurf vor, unbegleitete Minderjährige von diesem Schnellverfahren auszunehmen, das im Flughafentransit unter Bedingungen der Kasernierung durchgeführt wird. PRO ASYL begrüßt dies, wenngleich es hinter der Bundesratsinitiative der Länder Brandenburg und Rheinland-Pfalz zurückbleibt, die eine vollständige Abschaffung des Flughafenverfahrens vorsieht.

Lediglich eine Klarstellung sieht der Gesetzentwurf im Bereich der Inobhutnahme von minderjährigen Flüchtlingen vor. So müsste schon heute eine Inobhutnahme flächendeckend erfolgen - also eine jugendgerechte Unterbringung statt einer in Gemeinschaftsunterkünften mit Erwachsenen - ebenso wie die Bestellung eines Vormundes. Da diese Vorgaben in der Praxis immer wieder unterlaufen werden, ist eine solche Klarstellung hilfreich.

Andere dringend notwendige Verbesserungen für Flüchtlingskinder werden durch den Gesetzentwurf nicht gelöst. Der Bundestag insgesamt muss in folgenden Bereichen tätig werden:

  • Minderjährige Asylsuchende sollten nicht länger aufgrund der EU Zuständigkeitsverordnung Dublin II in Abschiebungshaft genommen und in andere EU-Länder abgeschoben werden. Die Abschiebung von Minderjährigen widerspricht dem Kindeswohl.
  • Solange die Lagerpflicht für Flüchtlinge nicht ganz abgeschafft ist, sollten zumindest Familien mit Kindern davon ausgenommen werden. Sie sollten einen Anspruch auf eine Privatwohnung haben, da nur so eine geschützte und kindgerechte Entwicklung der Minderjährigen möglich ist.
  • Minderjährige Flüchtlinge sollten endlich bessere Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten erhalten. Studien-, Arbeits- und Ausbildungsverboten sollten abgeschafft werden. Zudem sollte ein Anspruch auf Deutschkurse und auf Ausbildungsförderung wie BAB und BAföG von Beginn des Aufenthalts an eingeführt werden.

PRO ASYL fordert die schwarz-gelbe Koalition auf, sich des Themas Kinderrechte von Flüchtlingskindern anzunehmen. Es kann nicht sein, dass die Rücknahme der Vorbehalte zur Kinderrechtskonvention folgenlos bleibt. Wer Kinderrechte ernst nimmt, muss die Rechte von Flüchtlingskindern stärken und darf deren Situation nicht länger ignorieren.


Zur Kampagne:
Die Kampagne "Jetzt erst Recht(e) - Für Flüchtlingskinder" fordert eine umfassende Gleichberechtigung von Kindern und Jugendlichen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Dazu gehört insbesondere eine Versorgung, die das Wohl des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt stellt. Das vollständige Positionspapier der Kampagne finden Sie unter:
http://bit.ly/PloIZP

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 24. Oktober 2012
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Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2012