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AUSSEN/506: Deutsche Afrika-Politik - Wirtschaftspartner auf Augenhöhe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Februar 2011

Afrika: Wirtschaftspartner auf Augenhöhe - Merkels Afrika-Beauftragter erläutert deutsche Afrika-Politik

Von Hendrik Schott


Berlin, 3. Februar (IPS) - Vor wenigen Wochen besuchte Günter Nooke, Persönlicher G8-Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin, das südliche Afrika. Seine Reise führte den ehemaligen Beauftragten für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt nach Südafrika, Namibia und Simbabwe. Seine Erfahrungen aus diesem Amt dürften dem studierten Physiker insbesondere im Land Robert Mugabes von Nutzen gewesen sein.

Nooke ist seit April 2010 Afrikabeauftragter im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Kurz nach seinem Amtsantritt begleitete er Außenminister Guido Westerwelle und Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel bei deren erster gemeinsamer Afrikareise. Zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel war er im September 2010 beim Gipfel zu den Millenniumsentwicklungszielen in New York und Ende November 2010 mit Westerwelle beim EU-Afrika-Gipfel in Tripolis.

Während eines Gesprächs in seinem Büro im BMZ erläuterte Nooke kürzlich, was aus seiner Sicht eine politische Afrikastrategie ausmacht, die in eine neue Fassung des Afrika-Konzepts eingehen sollte, und wie er die aktuelle Lage in Simbabwe einschätzt.

In wenigen Tagen wird die EU in Brüssel offiziell bekanntgeben, ob sie die Sanktionen gegen Simbabwes Präsident Mugabe und seine engsten Vertrauten um ein weiteres Jahr verlängern wird. Südafrika und die Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika (SADC) haben sich im Vorfeld dieser Entscheidung um eine Aufhebung der Sanktionen bemüht, aber es ist noch nicht deutlich, wie sich die EU-Außenministerin Catherine Ashton in dieser Frage verhalten wird.


Aufhebung der Sanktionen gegen Simbabwe "zum jetzigen Zeitpunkt falsch"

Nooke ist hinsichtlich der politischen Zukunft der ehemaligen Kornkammer Afrikas "eher etwas pessimistisch gestimmt", obwohl auch er dem ehemaligen Musterland ein "riesiges Potenzial" bescheinigt. Nach seinen Gesprächen in Simbabwe habe er den Eindruck erhalten, dass eine Aufhebung der Sanktionen "zum jetzigen Zeitpunkt falsch" sei, so Merkels Afrika-Beauftragter. Bei seinem Besuch habe er im Land eine gewisse Apathie verspürt. Selbst im Falle des Todes von Mugabe sei es noch lange nicht sicher, dass es schnell zu einer friedlichen Machtübernahme komme. Premierminister Morgan Tsvangirai wird allgemein eher als schwacher Politiker eingeschätzt. Simbabwes Finanzminister Tendai Biti hingegen traut man in Berlin und Brüssel mehr zu.

Nooke hatte sich bereits während der Fußball-WM in Südafrika mit Tsvangirai getroffen. Ein bereits zugesagtes Treffen während seiner Reise im Dezember 2010 wurde dann aber ganz unerwartet und nur wenige Minuten vor dem vereinbarten Termin abgesagt. Über Gründe für diese kurzfristige Absage kann Nooke nur mutmaßen: "wahrscheinlich, um Probleme mit Mugabe zu vermeiden".

Inzwischen ist noch unklar, ob es in Simbabwe in diesem Jahr zu Wahlen kommen wird. Der wieder zunehmende Druck auf alle oppositionellen Kräfte und ausbleibende Verbesserungen in punkto Menschenrechte und Meinungsfreiheit seien aber Anzeichen für bevorstehende Wahlen, so die einhellige Meinung in Kreisen der simbabwischen Zivilgesellschaft.

Nooke zufolge werden alle drei von ihm bereisten Länder auch im Rahmen des neuen Afrika-Konzepts des Auswärtigen Amts eine wichtige Rolle spielen, in der die großen Linien der künftigen deutschen Afrikapolitik aufgezeigt werden sollen. Die drei Staaten sind repräsentativ für die sehr unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit Deutschlands mit Afrika: das demokratische Südafrika als wichtigster strategischer Partner des Kontinents, Namibia aufgrund seiner Vergangenheit als bevorzugtes Partnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und als wichtiger Rohstofflieferant im Rahmen der neuen deutschen Rohstoffstrategie sowie Simbabwe mit Mugabe an der Spitze als schwieriger Partner.

Das neue Afrika-Konzept der Bundesregierung soll als ressortübergreifende Strategie (Stichwort 'Kohärenz') der deutschen Afrikapolitik mehr Schlagkraft verleihen. Die afrikanischen Staaten sollten wegen ihrer strategischen Bedeutung als "Partner auf gleicher Augenhöhe" behandelt werden", so Nooke. Minister Westerwelle will ein "umfassendes Afrika-Konzept vorlegen, das dem gewandelten Selbstverständnis Afrikas ebenso Rechnung trägt wie unseren eigenen Interessen".


Deutsche Privatwirtschaft stärker einbinden

Ziel ist also eine stärkere Ausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit und eine stärkere Einbindung der deutschen Privatwirtschaft. Darüber hinaus sollen die deutschen Interessen jetzt explizit zum Ausdruck gebracht werden. Dies belegt auch folgende Begebenheit. Im vertraulichen Entwurf für das Afrika-Konzept, konnte man direkt am Anfang des Dokuments noch den Satz von Ex-Bundespräsident Horst Köhler lesen, dass sich die Menschlichkeit der Welt am Schicksal Afrikas entscheide.

Dieser Satz dürfte nun nach interner Kritik in der Endfassung nicht mehr auftauchen. Menschlichkeit und Altruismus allein seien als Orientierung für die künftige deutsche Afrikapolitik unzureichend. Es gehe vielmehr darum, Deutschlands Interessen auf Augenhöhe mit den afrikanischen Partnern zu wahren. Zudem soll die oftmals kritisierte mangelnde Abstimmung zwischen den Ressorts der Vergangenheit angehören, da die wichtigsten beteiligten Ministerien - Auswärtiges Amt, BMZ und Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) - nun erstmals von einer Partei geführt werden.

Anlässlich der Afrikareise der Minister Westerwelle und Niebel im April 2010 feierte das federführende Auswärtige Amt bereits "eine Außen- und Entwicklungspolitik aus einem Guss" und verkündete in einer Pressemitteilung: "Die Bundesregierung erarbeitet ein umfassendes Afrika-Konzept, das im Frühsommer zwischen den Ressorts abgestimmt wird."

Nach einem mehrmonatigen Konsultationsprozess mit den beteiligten Ressorts, dem Privatsektor, politischen Stiftungen und Forschungsinstituten sollte das Konzept im Sommer 2010 verabschiedet werden. Mitte Juni 2010 konnte man dann aber auf der Internetseite des Nachrichtenmagazins Spiegel lesen, dass die neue Afrika-Strategie, "mit der die Bundesregierung ein einheitliches Auftreten auf dem Kontinent sichern möchte", frühestens Ende August im Kabinett beschlossen werde. Auch den Grund für die monatelange Verzögerung kannte der Spiegel: "Das Auswärtige Amt will die Kritik anderer Ministerien an korrupten Eliten und verschwenderischen Regierungen möglichst abschwächen, um genügend internationale Unterstützung für den angestrebten (und inzwischen errungenen) Sitz im Uno-Sicherheitsrat zu erhalten."


"Konzept mit Ecken und Kanten"

Nooke forderte jedoch bereits damals: "Wir brauchen eine offene Debatte, ein Konzept mit Ecken und Kanten, das auch die Regierungen Afrikas an ihre Verantwortung für ihre Bevölkerung erinnert." Anfang Januar 2011 betonte Nooke erneut: "Die Konfliktlinien müssen benannt werden."

Unverändert optimistisch verkündete Minister Westerwelle dann am 6. September 2010 in seiner Rede zur Eröffnung der Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt: "In wenigen Wochen werden wir für die Bundesregierung ein neues Afrikakonzept vorstellen, mit dem wir auch gegenüber diesem Kontinent unsere Politik umfassend neu ausrichten wollen." Weiterhin unbeantwortet blieb jedoch die Frage, wann genau das Konzept nun wirklich fertig gestellt sein wird.

Beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps am 24. Januar 2011 überbrachte die Kanzlerin den versammelten afrikanischen Diplomaten folgende frohe aber vage Botschaft: "In Europa gelten unsere Aufmerksamkeit und unser Augenmerk natürlich ganz besonders unserem Nachbarkontinent Afrika. Tagtäglich flüchten Menschen über das Mittelmeer - jeweils in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. (...) Wir arbeiten nach dem Vorbild des Lateinamerika-Konzepts, das sich erfolgreich bewährt hat, an einem neuen Afrika-Konzept. Wir werden natürlich auch in der Europäischen Union dazu unseren Beitrag leisten. Unser Entwicklungsminister hat heute Maßstäbe in der Kooperation zwischen Entwicklungshilfe, einer guten wirtschaftlichen Zusammenarbeit und guter Regierungsführung gesetzt. Auch das werden wir intensiv fortsetzen."

Momentan sieht es danach aus, als ob das neue Afrika-Konzept nun endlich im zweiten Quartal 2011 und vor einer möglichen Afrikareise der Bundeskanzlerin der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Wenn es nach dem Afrikabeauftragen der Kanzlerin geht, wird es "politische Leitplanken" enthalten, Deutschlands wirtschaftliche Interessen in Afrika darlegen, aber zugleich werteorientiert sein. Das vom BMZ verantwortete Schwellenländer-Konzept, ursprünglich für den Spätsommer 2010 angekündigt, wird dann hoffentlich ebenfalls vorliegen. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2011