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DEMOSKOPIE/639: Steigende Skepsis - TTIP in Deutschland und den USA unter Druck (idw)


Bertelsmann Stiftung - 21.04.2016

Steigende Skepsis: TTIP in Deutschland und den USA unter Druck

Vom Freihandel können alle profitieren - soweit das Versprechen als 2013 der Startschuss für die Verhandlungen zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft fiel. Doch mittlerweile häufen sich kritische Stimmen. Eine neue Umfrage hat die Einstellungen zu Freihandel und TTIP auf beiden Seiten des Atlantiks untersucht.


Gütersloh, 21. April 2016. In der Exportnation Deutschland gerät die Idee des Freihandels immer stärker unter Druck. Nur knapp jeder Fünfte (17 Prozent) ist der Meinung, dass das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP eine gute Sache ist. Jeder dritte Deutsche (33 Prozent) lehnt das Abkommen komplett ab. In den USA sind nur 18 Prozent der Bevölkerung gegen TTIP. Ein Grund für die Ablehnung ist die Sorge über den Verlust an regulatorischer Qualität, über die sich Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks beklagen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des internationalen Instituts YouGov hervor, das im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in den USA und Deutschland Bürger zu den Themen Freihandel und TTIP befragt hat.

Im Verhältnis zu einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2014 hat auch die Zustimmung der Deutschen zum Freihandel allgemein und nicht nur zu TTIP abgenommen. Vor zwei Jahren sprach sich eine deutliche Mehrheit für den Freihandel allgemein aus (88 Prozent dafür; 9 Prozent dagegen). Laut aktueller Erhebung ist diese Zustimmung stark eingebrochen. Nur noch etwas mehr als die Hälfte der Deutschen (56 Prozent) hält den Freihandel für eine gute Idee. Mehr als ein Viertel (27 Prozent) lehnt ihn komplett ab. Auch die Zustimmung zu TTIP hat in den letzten Jahren gelitten: 2014 sprachen sich noch 55 Prozent dafür (2016: 17 Prozent) und 25 Prozent dagegen aus (2016: 33 Prozent). "Beim Exportweltmeister schwindet der Rückhalt für Handelsabkommen", sagte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung und warnte vor möglichen Konsequenzen: "Der Handel ist ein wesentlicher Motor der deutschen Wirtschaft. Wird er geschwächt, könnte nicht nur die Wirtschaftskraft, sondern auch der deutsche Arbeitsmarkt ins Stottern geraten."


Bürger befürchten schlechtere Standards

Die ablehnende Haltung der Deutschen gegenüber TTIP lässt sich vor allem durch die Angst vor schlechteren Produkt-, Verbraucherschutz- und Arbeitsmarktstandards infolge von TTIP erklären. Fast die Hälfte der Deutschen (48 Prozent) fürchtet negative Folgen für den Verbraucherschutz. Nur 12 Prozent sind der Meinung, dass sich das Abkommen positiv auf den Verbraucherschutz auswirken könnte. Positive Folgen für das Wirtschaftswachstum durch TTIP sehen 26 Prozent, negative Folgen 27 Prozent der Befragten. Auch die Informationspolitik wird weiterhin kritisiert. Obwohl die Europäische Kommission mehr Informationen bereitstellt, haben die Deutschen nicht das Gefühl, dass sich der Zugang zu Informationen und Hintergründen über das Freihandelsabkommen verbessert hat. 48 Prozent der Befragten sagen, dass die Informationslage zum Abkommen gleich geblieben sei. 30 Prozent der Deutschen fühlen sich nicht ausreichend über TTIP informiert, um Fragen dazu zu beantworten.

Aart De Geus sieht die Umfragewerte auch als Warnsignal: "Die Menschen befürchten einen 'race to the bottom' infolge von TTIP. Freihandelsabkommen bieten aber auch Chancen: Wenn Standards auf dem jeweils höchsten Niveau etabliert werden, können Abkommen auch Vorbildcharakter für gute Regulierung entfalten", so der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung.


Meinungsbild in den USA: Freihandel ist gut, TTIP ist schlecht

Das Stimmungsbild in den USA ist im Vergleich zu Deutschland differenzierter. Die Zustimmung zum Freihandel allgemein ist stabil und sogar gewachsen. Das konkrete Abkommen TTIP hingegen findet in den USA immer weniger Befürworter. 82 Prozent der Befragten in den USA sehen den Freihandel allgemein positiv. Dies ist eine Steigerung gegenüber 2014 (71 Prozent). 18 Prozent der US-Amerikaner sprechen sich jedoch gegen das Freihandelsabkommen TTIP aus, nur 15 Prozent sind dafür. 2014 war die Zustimmung zu TTIP noch stärker. Damals waren noch 53 Prozent der US-Amerikaner dafür und 20 Prozent dagegen. Die stark veränderten Werte erklären sich auch durch die hohe Anzahl von Bürgern, die sich über Informationsdefizite beklagen. Fast die Hälfte der Bevölkerung (46 Prozent) fühlt sich nicht ausreichend informiert und sieht sich weder als Befürworter noch als Gegner des Abkommens.

Überraschend ist bei den Ergebnissen in beiden Ländern, dass die Befragten den Handel miteinander positiv sehen. 69 Prozent der US-Amerikaner halten verstärkten Handel mit Deutschland für eine gute Sache, in Deutschland sind es immerhin 61 Prozent. TTIP, das den Handel auch zwischen Deutschland und den USA intensivieren soll, kann von diesen positiven Grundeinstellungen aber nicht profitieren.


Zusatzinformationen
Ende Februar führte YouGov im Auftrag der Bertelsmann Stiftung eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage in den USA und in Deutschland durch. Hierzu wurden in Deutschland 2.019 Menschen online befragt, in den USA waren es 1.126. Die geschlossenen Fragen, die in beiden Ländern gestellt wurden, waren überwiegend identisch. Hinzu kamen jeweils noch einige länderspezifische Fragen. Die Vergleichsumfrage 2014 wurde vom Pew Research Center im Auftrag der Bertelsmann Foundation Washington durchgeführt.

Weitere Informationen unter:
http://www.bertelsmann-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution605

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Bertelsmann Stiftung, Benjamin Stappenbeck, 21.04.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2016

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