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ENTWICKLUNGSHILFE/436: Nobelpreisträgerinnen stellen sich hinter interamerikanische Kommission (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. März 2013

Menschenrechte: 'Stark und unabhängig' - Nobelpreisträgerinnen stellen sich hinter interamerikanische Kommission

von Carey L. Biron



Washington, 11. März (IPS) - Sechs Friedensnobelpreisträgerinnen haben der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) in einem offenen Brief ihre Unterstützung zugesagt. Sie hoffen die Institution zu retten, die einem Reformprozess zum Opfer fallen könnte.

Die Preisträgerinnen würdigten die Kommission in ihrem Schreiben vom 8. März als wirksam und unabhängig. Die CIDDH habe regionale Menschenrechtsverletzungen öffentlich gemacht und damit auch zu einer Verbesserung der Lage von Frauen beigetragen.

Erstunterzeichnerin des Briefes ist die US-Amerikanerin Jody Williams, die 1997 den Friedensnobelpreis für ihr Engagement gegen Landminen erhalten hat. Williams sitzt heute der 'Nobel Women's Initiative' vor. Eine weitere Unterzeichnerin ist die Guatemaltekin Rigoberta Menchú Tum, die 1996 für ihren Einsatz für die Maya-Indigenen ausgezeichnet wurde.

Unterschrieben haben den Brief ferner die Friedensnobelpreisträgerinnen von 1976 und 2003, der Irin Mairead Maguire und der Iranerin Shirin Ebadi. Maguire war als Mitbegründerin der 'Community of Peace People', Ebadi als Streiterin für die Rechte iranischer Frauen und Kinder gewürdigt worden.

Ebenfalls ihre Unterschrift haben die Liberianerin Lehmah Gbowee und die Jemenitin Tawakkol Karman gesetzt, die sich den Friedensnobelpreis von 2011 geteilt haben. Sie waren für ihren gewaltfreien Kampf für die Sicherheit von Frauen und Frauenrechten ausgezeichnet worden.


"Wir brauchen ein starkes, unabhängiges System"

"Wir fordern die Mitgliedstaaten auf, dem Interamerikanischen System ihre uneingeschränkte Unterstützung für die Verteidigung der Menschenrechte zuzusichern", heißt es in dem Schreiben. "Wir brauchen ein starkes, unabhängiges und autonomes System, das effizient und zeitnah auf Menschenrechtsverletzungen reagiert."

Seit der Gründung 1959 hat sich die CIDH zu dem wohl effektivsten Instrument der ansonsten weitgehend einflusslosen 35 Mitglieder zählenden Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) herausgestellt. Seit 1978 überwacht sie die Einhaltung der Menschenrechte in der Region und spielt eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der Meinungsfreiheit und Gleichheitsstandards.

Im Rahmen der Aktivitäten sind Reibungen zwischen der CIDH und einzelnen Regierungen programmiert. Gerade in den letzten Jahren haben Staaten - insbesondere Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Nicaragua und Venezuela - damit begonnen, sich von dem System zu distanzieren.

Diese Entwicklung nahm im Januar 2012 Fahrt auf, als der OAS-Generalsekretär Jose Miguel Insulza Forderungen nach einer Reformierung der CIDH-Verfahrensweisen nachgab. Venezuela, ein vehementer Kritiker des interamerikanischen Systems, hat für September seinen Austritt aus dem System angekündigt. Ecuador will derweil ein paralleles System aufbauen.

Zivilgesellschaftliche Organisationen sehen die Menschenrechtskommission in Gefahr. Ende vergangenen Jahres unterzeichneten mehr als 3.000 Menschen, darunter ehemalige Präsidenten, Schriftsteller, Friedensnobelpreisträger und Menschenrechtsaktivisten eine Petition, in der sie davor warnten, dass die geplante Reform zu einem Verlust der Unabhängigkeit und Durchsetzungsfähigkeit des interregionalen Menschenrechtsgremiums führen könnte. Sie würde die Chancen der Opfer auf Gerechtigkeit erheblich schmälern.


Frauen besonders gefährdet

"Frauen stehen oft in vorderster Front im Kampf gegen die Verletzung der Rechte von Frauen oder Indigenen. Deshalb sind sie auch die ersten, die Gewalt ausgesetzt sind", sagte Rachel Vincent von der 'Nobel Women's Initiative' gegenüber IPS. Die CIDH biete für viele von ihnen die einzige Chance auf rechtliche Unterstützung.

Am 21. und 22. März sollen Vertreter der Mitgliedstaaten in Washington zusammenkommen, um über die Reformvorschläge abzustimmen. Fast alle Mitgliedstaaten unterstützen den bisherigen Reformprozess, in dessen Rahmen Vertreter der Länder sowie zivilgesellschaftliche Gruppen angehört wurden. Eine Arbeitsgruppe hat Empfehlungen ausgearbeitet, mit denen auch die zivilgesellschaftlichen Organisationen mehrheitlich einverstanden sind.

Doch in der ersten Märzwoche gab es allerdings einen Rückschlag: Parallel zur dritten und letzten Anhörung von Vertretern der Zivilgesellschaft am 7. März legte Kommissionspräsident Denis Ronaldo Moncada Colindres aus Nicaragua einen Vorschlag auf den Verhandlungstisch, der den Empfehlungen zur Reform der CIDH einer Arbeitsgruppe zuwiderläuft. Colindres schlug vor, nicht nur die Arbeitsweise der Kommission zu ändern, sondern sogar auch die Menschenrechtskonvention selbst zu reformieren.

"Das war geradezu ein Schock", sagte Viviana Krsticevic, Exekutivdirektorin des Zentrums für Gerechtigkeit und Internationales Recht (CEJIL) gegenüber IPS. "Wir sind davon ausgegangen, dass es einen Konsens gibt, dass die Konvention selbst nicht angetastet wird. Das hatte auch die Arbeitsgruppe so empfohlen." Welche Auswirkungen der neue Vorschlag auf den Reformprozess hat, ist noch nicht abzusehen. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://cejil.org/node/3467
http://www.oas.org/en/iachr/strengthening/consultation2013.asp
http://www.ipsnews.net/2013/03/nobel-laureates-back-strong-autonomous-inter-american-rights-system/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2013