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MENSCHENRECHTE/313: UN verabschieden neue Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Oktober 2015

Menschenrechte: Folterverbot und verbesserte Gesundheitsversorgung - UN verabschieden neue Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen



Bild: © Victoria Hazou/UN Photo

Zwei Gefangene im 'National Penitentiary'-Gefängnis von Haiti
Bild: © Victoria Hazou/UN Photo

New York (IPS) - Folterverbot, Einschränkung der Isolationshaft auf höchstens 15 Tage und das Recht auf Gesundheit: Die Vereinten Nationen haben eine Reform der 'Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen' verabschiedet. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon begrüßte die sogenannten 'Nelson-Mandela-Regeln' als "einen wichtigen Schritt nach vorne". Seiner Ansicht nach gehen sie aber nicht weit genug.

Für Häftlinge soll nach den neuen Standards künftig das gleiche Recht auf Gesundheit gelten wie für alle Menschen außerhalb von Gefängnismauern. "Die neuen Gesundheitsregeln sind vor allem deshalb wichtig, weil Häftlinge eine besonders verletzliche Gruppe von Individuen sind, die häufig Misshandlungen und sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind", erklärte Ivan Simonovic, Menschenrechtsbeauftragter des Generalsekretärs, bei der Veröffentlichung der Standards am 7. Oktober am UN-Hauptsitz in New York. Dadurch seien sie besonders anfällig für sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV/Aids.

Das Recht auf Gesundheit schließt daher ein absolutes Missbrauchs- und Folterverbot ein und gewährt Häftlingen eine uneingeschränkte medizinische Versorgung. Wer vor dem Gefängnisaufenthalt in medizinischer Behandlung war, soll diese hinter den Gefängnismauern fortführen können.

Außerdem wurde beschlossen, Isolationshaft auf höchstens 15 Tage zu beschränken. Ein Gefangener befindet sich laut Mandela-Regeln in Isolationshaft, wenn er mindestens 22 Stunden am Tag keinen Kontakt zu Mitgefangenen hat.

Die Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen wurden im Jahr 1955 vom Ersten Kongress der Vereinten Nationen für Verbrechensverhütung und die Behandlung Straffälliger angenommen und gebilligt durch den Wirtschafts- und Sozialrat zunächst 1957, dann bekräftigt in einer Resolution von 1977. Seit 2010 wurden die Grundsätze von einer Expertengruppe überarbeitet. Geleitet wurde diese von der südafrikanischen Regierung, die die reformierten Standards nach dem ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela benannte, der zuvor selbst mehrere Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Die Standards sind nicht bindend.


Ban Ki-moon: Diskriminierungsgrund Homosexualität fehlt

Kritik äußerte Simonovic an drei Punkten der neuen Grundsätze: Schon den früheren Minimalstandards war ein Grundprinzip vorangestellt worden, nach dem "Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politische oder sonstige Überzeugung, nationale oder soziale Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstiger Stand" nicht zu diskriminierender Behandlung führen dürfen. Im Namen von Ban Ki-moon kritisierte Simonovic nun, dass sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität bei der Reform nicht in das Grundprinzip aufgenommen wurden, obwohl diese Merkmale von den meisten Menschenrechtsabkommen weltweit anerkannt würden. "Es gibt genügend Beweise dafür, dass gerade homosexuelle und Transgender-Häftlinge misshandelt werden."

Als zweiten Punkt benannte Simonovic das Vokabular, das im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderungen in den reformierten Grundsätzen verwendet werde. "Das Vokabular entspricht nicht der Terminologie, die das UN-Komitee für das Recht von Menschen mit Behinderungen nutzt", sagte er. Als drittes kritisierte er, dass die Grundsätze es nicht verbieten, Menschen zu inhaftieren, weil sie Geldschulden haben. Dies stehe im Widerspruch mit Artikel 11 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte.


Amnesty International: Neue Ära der Menschenrechte für Gefangene

An der Überarbeitung der Standards hatten auch mehrere Nichtregierungsorganisationen mitgewirkt, darunter die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. "Die Mandela-Regeln können eine neue Ära einleiten, in der die Menschenrechte von Häftlingen vollständig respektiert werden", sagte Yuval Ginbar von Amnesty International im Mai in Wien, als die neuen Grundsätze erstmalig vorgestellt wurden. "Sollten die Regeln eins zu eins umgesetzt werden, würden sie mit dafür sorgen, dass die Haftzeit für die Insassen keine verschenkte Zeit mehr wäre, die von Leid und Erniedrigung geprägt ist, sondern die Gefangenen die Zeit für ihre persönliche Entwicklung nutzen könnten, wovon letztlich die gesamte Gesellschaft profitieren würde."

Yuval Ginbar zitierte den Namensgeber Nelson Mandela mit den Worten: "Man sagt, dass niemand eine Nation wirklich kennt, solange er nicht in ihren Gefängnissen war. Eine Nation sollte nicht danach beurteilt werden wie sie ihre höchsten Bürger behandelt sondern ihre niedrigsten." (Ende/IPS/jk/09.10.2015)


Links:

http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=52190
http://www.un.org/depts/german/menschenrechte/gefangene.pdf

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IPS-Tagesdienst vom 9. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2015

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