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MILITÄR/819: EU-Militäreinsatz im Tschad - Militäreinsatz für "unseren" Schurken (guernica)


guernica Nr. 1/2009 - Jänner/Februar 2009
Zeitung für Frieden & Solidarität, Neutralität und EU-Opposition

EU-Militäreinsatz im Tschad
Militäreinsatz für "unseren" Schurken

Von Gerald Oberansmayr


Das Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung kommt zum Schluss, dass die EU-Mission im Tschad gescheitert ist. Gewalt und Krieg haben nicht ab- sondern zugenommen. Diktator Idriss Deby hat die EU-Truppen als Rückendeckung genutzt, um zum Schlag gegen die zivile Opposition im Tschad auszuholen.

Wenige Tage vordem Ende des EUFOR Einsatzes im Tschad zieht das österreichische Bundesheer eine positive Bilanz. Österreich hat zum Erfolg von EUFOR/Tschad wesentlich beigetragen ", freut sich Verteidigungsminister Darabos in einer Presseaussendung am 11. März 2009. Der Mann hat das Konfliktbarometer des Heidelberger Instituts für internationale Konfliktforschung offensichtlich nicht gelesen. Dieses Institut der Universität Heidelberg kommt im "Konfliktbarometer 2008" (1) zur Schlussfolgerung, dass in der Zeit der Stationierung der EUFOR-Truppen Krieg und Gewalt im Tschad deutlich zugenommen haben, phasenweise sogar eskaliert sind. Der EUFOR-Truppe wird dafür auch eine Mitverantwortung zugewiesen. So heißt es in dem Bericht:

"Der Konflikt über die Regierungsgewalt zwischen einer Koalition verschiedener Rebellengruppen und der Regierung eskalierte zum Krieg. Die Stationierung der EU-Peacekeeping-Mission EUFOR CHAD/CAR als auch die UN-Mission MINURCAT im östlichen Tschad und der Zentralafrikanischen Republik scheiterte daran, die Situation zu deeskalieren. Nach heftigen Zusammenstößen zwischen der Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung (UFDD), der Sammlung der Kräfte für Veränderung (RFC) und der Regierung im November erklärte die UFDD Frankreich und allen anderen fremden Truppen im Tschad am 30. November 2007 den Krieg Ende Jänner, kurz nachdem die EU-Außenminister sich am 28. Jänner für den Start von EUFOR CHAD/CAR entschieden hatten, eskalierte der Konflikt erheblich. In einer umfassenden Offensive erreichte ein Konvoi von 300 Fahrzeugen mit 2.000 Rebellen die Hauptstadt N'Djamena. ... Am 3. Februar starteten 3.000 Mann Regierungstruppen, ausgerüstet mit Hubschraubern und schweren Panzern, einen Gegenangriff, der diese zwang sich vollkommen zurückzuziehen. Frankreich unterstützte die Regierung des Tschad, indem das Kontingent verstärkt und eine Kampftruppe von l5O Mann von Gabun als 'Vorsichtsmaßnahme' eingeflogen wurde. Nach Angaben von Deby wurden rund 700 Menschen bei den Kämpfen getötet. Das Rote Kreuz berichtete von 1.000 Verletzten, einschließlich vieler Zivilisten, und von 30.000 Flüchtlingen."(1)


"Liquidierung der demokratischen Opposition im Tschad". Auch in Frankreich wird der unmittelbare Zusammenhang zwischen den EU-Truppen und der Eskalation der Kämpfe offenen benannt: Claude Gucant, Berater des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, erklärte im Rundfunk: "Warum passiert diese Intervention jetzt? Sie war der letzte Moment für den Versuch des Sudan, vor der Ankunft der EU-Schutztruppe EUFOR das Regime von Idriss Deby zu liquidieren." (2) Kaum hatte Deby EUFOR-Deckung, ging er in die Offensive: Nicht nur gegen die bewaffneten Rebellengruppen sondern auch gegen die zivile politische Opposition im Inneren. So heißt es im "Konfliktbarometer 2008": "Menschenrechtsgruppen beschuldigen den Präsidenten, die Krise als Vorwand für hartes Durchgreifen gegen die Opposition zu instrumentalisieren."(1) Der französische Politologe und Afrikanist Jean-François Bayart formuliert es in Le Monde noch deutlicher: "Die EUFOR wird jetzt mit einem Prozess der politischen und möglicherweise physischen Liquidierung der demokratischen Opposition im Tschad assoziiert."(3)

Öl und Waffen. Idriss Deby, der Regierungschef des Tschad, wird von Menschenrechtsgruppen beschuldigt, seit seinem Antritt im Jahr 1990 25.000 Oppositionelle liquidiert zu haben. Doch darüber hört man bei uns wenig, denn Deby ist ein Gefolgsmann des Westens, vor allem Frankreichs, das seit 1976 einen militärischen Kooperationsvertrag mit dem Tschad unterhält und seither rd. 1.500 Mann im Tschad stationiert hat. Frankreich hat dort den größten Militärflughafen in Afrika, der französischen Truppen immer wieder für Militärmissionen in Zentralafrika diente. Deby sichert für ein Konsortium der US-Konzerne Exxon/Mobil/Chevron die Förderung von Erdöl, das über eine von der Weltbank finanzierte Pipeline nach Kamerun abtransportiert wird. Ganze 12,5% der Erdölgewinne bleiben im Land, und davon gibt Deby einen Gutteil für neue Waffen aus, die von Frankreich gerne geliefert werden. Deby gewährleistet gegenüber Weltbank und IWF die brave Rückzahlung der wachsenden Auslandsschulden des Landes. Zwischen 2003 und 2008 ist diese Verschuldung um 45% gewachsen, im selben Zeitraum ist die durchschnittliche Lebenserwartung im Tschad von 48,5 (2003) auf 44,5 Jahre (2008) gesunken. Die Kindersterblichkeit stieg von 95 (2003) auf über 100 Todesfälle (2008) pro 1.000 Lebendgeburten (4). Der Tschad zählt zu den fünf ärmsten Ländern der Welt. Mit fast 1.000 Millionen US-Dollar kostete die EUFOR-Mission ungefähr das Vierfache dessen, was der Tschad jährlich an Entwicklungshilfe erhält.

"Unser" und "deren" Schurke. Von größter Bedeutung könnte ein westorientiertes Regime im Tschad ab 2012 sein. Dann nämlich könnte sich der Süden des Sudan in einer Volksabstimmung vom muslimischen Norden abspalten. Die riesigen Erdölvorkommen des südlichen Sudans, die derzeit noch über den Nordsudan abtransportiert und vermarktet werden, könnte dann über das Territorium des Tschad an die Westküste Afrikas geleitet werden. Westliche Firmen, die derzeit im Sudan das Nachsehen haben, stehen für diesen Coup bereits in den Startlöchern. Die herrschende Clique im Tschad um Idriss Deby ist wohl kaum weniger diktatorisch und menschenrechtsverletzend wie diejenige um Omar al-Bashir im Sudan. Aber al-Bashir überlässt den Chinesen das Ölgeschäft und bekommt Waffen von Russland, während Deby mit US-Konzernen die Ölgeschäfte und Frankreich die Waffendeals macht. Daher flattert "deren" Schurken al-Bashir eine Anklage des Internationalen Strafgerichtshof wegen Menschenrechtsverletzungen in den Palast, und "unser" Schurke Deby bekommt eine 3.500 Mann starke EUFOR-Schutzmacht, um sich Rebellen und Opposition vom Hals zu schaffen. In dem Sinn war - um Darabos zu zitieren - die EUFOR-Mission tatsächlich "erfolgreich".

Fürs Bundesheer war das Tschad-Abenteuer auch budgetär erfolgreich. Angetan von den österreichischen "Wüstenfüchsen" hat das Verteidigungsministerium im Februar den Ankauf von 300 Panzerfahrzeugen um 250 Millionen Euro angekündigt.


Quellen:

(1) sh.: http://hiik.de/de/konfliktbarome-ter/index.html
(2) zitiert nach Deutsche Welle, 4.2.2008
(3) Le Monde, 13.02.2008
(4) CIA-World-Fact-Book 2008


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Quelle:
guernica Nr. 1/2009, Jänner/Februar 2009, Seite 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2009