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MILITÄR/836: Der gekaufte Krieg (WZB)


WZB Mitteilungen - Nr. 126/Dezember 2009
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

Der gekaufte Krieg
Söldner in Bürgerkriegen nach dem Zweiten Weltkrieg

Von Johannes Münster


In bewaffneten Konflikten nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen häufig Söldner teil. Bisher gab es nur wenig empirische Daten über Angebot und Nachfrage auf diesem Markt der Gewalt. Eine ökonometrische Analyse zeigt, dass vor allem die Höhe des jeweiligen Brutto-Inlandsprodukts und das Vorhandensein von Rohstoffen im Land von entscheidender Bedeutung sind für die Wahrscheinlichkeit, dass Söldner in gewaltsamen Konflikten eingesetzt werden.


In einem Drittel aller Kriege in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren auf einer oder beiden Seiten Söldner eingesetzt - Fremde, die sich gegen Geld aktiv am Kriegsgeschehen beteiligen, aber nicht in die regulären Armeestrukturen eingegliedert sind. Nicht zuletzt die Kriege im Irak und in Afghanistan haben das Phänomen privater Sicherheits- und Militärkräfte verstärkt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Doch nicht erst in den letzten Jahren wird der Einsatz von Söldnern wegen ihrer mangelnden Einbindung in die Kontroll- und Rechenschaftsmechanismen der Armee als Sicherheitsrisiko angesehen. Menschenrechtsverletzungen in Kriegen werden häufig gerade den Söldnertruppen angelastet. Daher gibt es vielfache Versuche der Weltgemeinschaft, den Einsatz von Söldnern zu ächten.

Bereits 1977 wurde in einem Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen versucht zu definieren, was Söldner sind (siehe Kasten). Interessanterweise ist dabei beispielsweise die französische Fremdenlegion explizit ausgenommen, die ihre Mitglieder - ungeachtet der Nationalität - als permanente Angehörige der regulären Truppen ansieht, weshalb diese nach der Genfer Definition nicht als Söldner gelten. Initiativen in den Vereinten Nationen, das Söldnerwesen zu verbieten, stehen vor dem Problem, dass für einzelne Akteure der Einsatz fremder Truppen durchaus lohnend sein kann. Private Militärfirmen ermöglichen ein kostengünstiges Eingreifen in militärische Konflikte, was angesichts reduzierter Truppenstärke in den meisten Ländern nach dem Ende des Kalten Krieges als attraktive Option erscheint. Der Einsatz von Fremden hat mehrere Vorteile, vor allem für Interventionen außerhalb des eigenen Landes: Sie reduzieren die Risiken, die ein Einsatz eigener Truppen mit sich brächte; sie können die Notwendigkeit politischer Zustimmung im eigenen Land für Truppeneinsätze im Ausland umgehen; und im Falle des Scheiterns des Einsatzes kann die Verantwortung auf die Söldnerfirma geschoben werden. Auch das Angebot an willigen Ex-Militärs, die sich gegen gute Bezahlung in Konfliktsituationen über den Erdball verstreut einsetzen lassen, ist vorhanden. Es gibt also einen funktionierenden Markt für private militärische Gewalt und einen florierenden Handel mit militärischen Truppen. Soll dieser zum allgemeinen Wohl wirksam reguliert werden, muss man dessen Charakteristika besser kennen. Für die Regulierung des Marktes bedarf es einer genauen Kenntnis der zugrundeliegenden Faktoren, die "Angebot" und "Nachfrage" steuern.

Ein großer Teil der politikwissenschaftlichen Literatur zum Thema beruht auf Fallstudien und historischen Darstellungen oder beinhaltet vor allem normative Überlegungen. Was fehlt, sind quantitative Untersuchungen, die notwendig sind, um die größeren Zusammenhänge aufzuzeigen. In einer Studie am WZB haben Ökonomen und Politikwissenschaftler einen neuen Datensatz erstellt und analysiert, um die Determinanten für Söldneraktivitäten in Bürgerkriegen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufzuzeigen. Die Betrachtung wurde auf Bürgerkriege fokussiert, da die meisten kriegerischen Konflikte heutzutage Bürgerkriege sind.

Die in der Studie verwendete Begriffsdefinition versteht unter Söldnern Individuen und Gruppen, die eine Entlohnung bekommen, um aktiv im Kampfgeschehen mitzukämpfen (Bedingungen a, b, d, e und f der Genfer Konditionen). Die individuelle Motivation (Bedingung c) ist ein Merkmal, das empirisch kaum zu erfassen ist und deshalb nicht als Definitionsmerkmal in die Analyse aufgenommen wurde. Untersucht wird die aktive Beteiligung am Kampfgeschehen; andere Dienstleistungen wie Logistik oder Training werden nicht betrachtet.

Die umfassende Datenbasis beruht auf einer systematischen Auswertung von Zeitungsnennungen von Bürgerkriegen in fünf internationalen Zeitungen wie der New York Times, die in einem Zeitraum von 1945-2003 mit dem Stichwort "Söldner" (oder englisch "mercenary") erschienen sind. Zur Absicherung der Zeitungsquellen wurden die gewonnenen Ergebnisse mit der fallstudienbasierten Liste von Abdel-Fatau Musah und J. Kayode Fayemi aus dem Jahr 2000 über Söldneraktivitäten in afrikanischen Bürgerkriegen abgeglichen.

Im Untersuchungszeitraum (1946-2003) haben in 43 der 126 erfassten Bürgerkriege Söldner mitgekämpft. Die Gesamtzahl aller Bürgerkriege ist bis in die frühen 1990er Jahre gestiegen. Dabei blieb der Anteil der Kriege mit Söldnerbeteiligung über die Zeit konstant ungefähr bei einem Drittel. Es zeichnet sich außerdem eine spezielle regionale Verteilung ab. Die Hälfte aller Kriegsschauplätze mit Söldneraktivitäten findet sich in Afrika, während sich der Rest ungefähr gleichmäßig über Asien, Südamerika und Europa verteilt. Die erfassten europäischen Bürgerkriege beziehen sich auf kriegerische Auseinandersetzungen auf dem Balkan und im Kaukasus. In fast allen - sieben von acht - Fällen waren Söldner beteiligt. Beim regionalen Vergleich der Kriegshäufigkeit mit Söldnerbeteiligung darf daher nicht unbeachtet bleiben, dass in Afrika im Untersuchungszeitraum besonders viele Kriege geführt wurden.

Die Analyse des Datensatzes geht von einem einfachen Marktmodell für das Angebot und die Nachfrage nach privaten Truppeneinsätzen aus. Der Kern der Überlegung ist, dass Söldner dann in einem Krieg aktiv beteiligt sind, wenn es erstens eine Konfliktpartei gibt, die willens und fähig ist, für diese private "Dienstleistung" auch einen entsprechenden Preis zu zahlen. Zweitens muss es potenzielle Söldner geben, die ihre Dienste zu diesem Preis bereitstellen wollen. Je reicher eine Kriegspartei ist, desto eher kann sie sich Söldner leisten. Die Untersuchung betrachtet das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf und die natürlichen Ressourcen eines Landes als ökonomische Faktoren, die die Söldnerbeteiligung begünstigen, denn beides erhöht die Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft der Konfliktparteien. Insbesondere Öl und Diamantvorkommen werden betrachtet, da es Beobachtungen gibt, nach denen diese Rohstoffe vor allem in Entwicklungsländern genutzt wurden, um Söldner zu entlohnen. Für den Datensatz ist interessant, dass beide, Öl- und Diamantvorkommen, nicht auf wenige Länder konzentriert sind und zudem über den gesamten beobachteten Zeitraum wertvolle Ressourcen darstellten.

Untersucht wird auch, ob internationale Interventionen in Krisengebieten, wie beispielsweise durch die USA oder die Vereinten Nationen, die Zahlungsbereitschaft für Söldner und damit die Wahrscheinlichkeit ihrer Beteiligung erhöhen. Die Art des regierenden politischen Regimes im Land vor Ausbruch des Bürgerkriegs kann ebenfalls Einfluss darauf haben, ob Söldner eingesetzt werden oder nicht. In einer Demokratie dürfte der Einsatz von Söldnern zu Reputationsverlusten führen. Ein Beispiel ist Papua Neu Guinea, wo der damalige Premierminister Julius Chan 1997 zurücktreten musste, nachdem Details eines Vertrags mit der privaten Militärfirma Sandline bekannt wurden. In einer Diktatur hingegen dürften diese Effekte seltener auftreten. Schließlich wird ein gängiges Argument berücksichtigt, nach dem Söldner gerade dann ihre Dienste anbieten, wenn die Stärke der regulären Truppen zurückgegangen ist.

Als Ergebnis der ökonometrischen Analyse der Daten über den Zeitraum von 50 Jahren lässt sich folgendes festhalten: Wie erwartet, hat der Wohlstand eines Landes (hier gemessen als BIP pro Kopf) einen großen Einfluss auf die Beteiligung von Söldnern. Von den beiden betrachteten natürlichen Rohstoffvorkommen, Öl und Diamanten, haben Diamantvorkommen einen ähnlich starken Einfluss wie das BIP: Je reicher ein Land an Diamantminen, desto eher treten Söldner bei kriegerischen Auseinandersetzungen in Erscheinung. Was die Ressource Öl angeht, ergibt die Analyse ein überraschendes Ergebnis: Ölvorkommen scheinen negativ mit Söldnerbeteiligung korreliert zu sein. Dieses Ergebnis ließe sich möglicherweise mit einem statistischen Ausreißer erklären: Indonesien, ein Land mit vielen Ölquellen, erlebte im Beobachtungszeitraum sieben Kriege ohne Söldnerbeteiligung. Aber rechnet man diesen Extremfall aus dem Datensatz heraus, dann kann man keinen statistisch signifikanten Einfluss von Öl nachweisen.

Gibt es in einem Bürgerkrieg Intervention von internationalen Truppen, ist es ebenfalls hochwahrscheinlich, dass in dem Bürgerkrieg Söldner aktiv sind. Allerdings unterscheiden sich die Arten von Interventionen: UN-Interventionen bilden die Ausnahme von der Regel. Sie scheinen, wenn überhaupt ein Einfluss feststellbar ist, die Söldnerbeteiligung eher unwahrscheinlicher zu machen.

Keinen Unterschied macht es in der Untersuchung, welches politische Regime im Bürgerkriegsland vor Ausbruch des Konflikts an der Macht ist. Auch die Vermutung, die globale oder regionale Reduzierung der regulären Truppengrößen hätte einen Einfluss auf vermehrte Söldnereinsätze, konnte nicht bestätigt werden.

Drei Faktoren sind also größenmäßig bedeutsam und signifikant für die Wahrscheinlichkeit, dass Söldner eingesetzt werden: Das BIP pro Kopf, Diamantenvorkommen und internationale Interventionen in einem kriegerischen Konflikt. Daraus lässt sich eine klare politische Aussage ableiten. Die Weltbank hatte 2003 festgestellt, dass eine bessere Regulierung natürlicher Ressourcen dazu beitragen könnte, kriegerische Konflikte zu vermeiden oder zu beenden. Die Studie legt nahe, dass die Regulierung vor allem des globalen Diamantenmarktes gleichzeitig dazu führen könnte, das Problem der Söldnertruppen zu verringern.


Definition von "Söldnern" laut UN Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen von 1977 (Art. 47 Absatz 2 Zusatzprotokoll):

Als Söldner gilt,

a) wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben worden ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen,

b) wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt,

c) wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat, die wesentlich höher ist als die den Kombattanten der Streitkräfte dieser Partei in vergleichbarem Rang und mit ähnlichen Aufgaben zugesagte oder gezahlte Vergütung,

d) wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist, noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist,

e) wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und

f) wer nicht von einem am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.


Johannes Münster, promovierter Volkswirt und Magister in Philosophie, war von 2001 bis 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung "Marktprozesse und Steuerung" am WZB. Er wurde 2006 mit einer Arbeit über Turnier- und Konflikttheorie an der FU Berlin promoviert. Seit 2004 ist er außerdem Mitarbeiter im SFB-Transregio "Governance und die Effizienz ökonomischer Systeme" an der FU Berlin, in dem er seit April 2009 im Teilprojekt "Allokationsmechanismen in Organisationen und Märkten" arbeitet.
johannes.muenster@fu-berlin.de


Literatur

Sven Chojnacki, Nils Metternich, Johannes Münster, Mercenaries in Civil Wars 1950-2000, 42 S. (WZB-Bestellnummer SP II 2009-05)

Sven Chojnacki, Gregor Reisch, "Perspectives on War. Collecting, Comparing and Disaggregating Data on Violent Conflicts", in: Security and Peace, Vol. 26, No. 4, 2008, S. 233-245

Abdel-Fatau Musah, J.'Kayode Fayemi (Eds.), Mercenaries. An African Security Dilemma, London: Pluto Press 2000, 320 S.


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Quelle:
WZB Mitteilungen Nr. 126, Dezember 2009, Seite 36-40
Herausgeberin:
Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung
Professorin Jutta Allmendinger Ph.D.
10785 Berlin, Reichpietschufer 50
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2010