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MILITÄR/892: Ruf nach Abschaffung radioaktiver Waffen wird lauter - Koalition für UN-Konvention (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. April 2011

Abrüstung: Ruf nach Abschaffung radioaktiver Waffen wird lauter - Koalition für UN-Konvention

Von Jaya Ramachandran


Amsterdam, 11. April (IPS/IDN*) - Angesichts der Sorge, dass die USA und ihre Alliierten wie schon im Irak auch in Libyen radioaktive Waffen einsetzen könnten, fordert eine internationale Koalition aus 120 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) die Ächtung von Uranwaffen.

Die USA haben zwar Berichten widersprochen, panzerbrechende Uranmunition (DU-Munition) in Libyen zu verwenden. Allerdings wollen sie einen künftigen Einsatz der Waffen nicht grundlegend ausschließen. Die vage Haltung hat bei den Gegnern der radioaktiven Waffen die Sorge ausgelöst, dass die libysche Zivilbevölkerung gefährdet sein könnte, was die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats eigentlich verhindern soll.

"Ich möchte nicht über das spekulieren, was wir in Zukunft verwenden oder nicht verwenden werden", sagte die Sprecherin der US-Luftwaffe, Paula Kurtz, gegenüber der schottischen Zeitung 'Herald Scotland' am 2. April. Sie räumte ein, dass die Vereinigten Staaten A-10-Kampfflugzeuge einsetzen, die Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zerstören und 3.900 DU-Geschosse pro Minute abfeuern können.

Kurtz beharrte darauf, dass die A-10-Flieger bisher nicht mit Uranmunition bestückt wurden. "Waffen mit abgereichertem Uran (Depleted Uranium - DU) wurden in Libyen nicht eingesetzt", versicherte sie.


Zweifel an US-Zusagen

Doch Kritiker werfen den USA vor, mit der Wahrheit über den Einsatz von DU-Munition oftmals "sparsam" umzugehen. "Wir wollen auch weiterhin hieb- und stichfeste Garantien, dass abgereichertes Uran in Libyen nicht verwendet wurde und auch nicht verwendet wird", sagte Kate Hudson, Generalsekretärin der Kampagne für atomare Abrüstung. "Die USA sind seit langem berüchtigt dafür, dass sie mit einer Verspätung von Monaten wenn nicht gar Jahren den Einsatz von radioaktivem Material zugeben."

DU ist ein radioaktives und chemisch giftiges Schwermetall. Wenn DU-Waffen abgefeuert werden, setzen sie einen radioaktiven Dunst frei. "Harte, von DU-Munition getroffene Ziele werden von diesem Dunst umgeben, der Untersuchungen zufolge kilometerweit mittransportiert und somit von Zivilisten und Militärs gleichermaßen eingeatmet oder aufgenommen wird.

Abgereichertes Uran wird im Irak für den Anstieg von Krebserkrankungen wie Brust- und Lymphdrüsenkrebs nach den Kriegen 1991 und 2003 verantwortlich gemacht. Auch sollen in den Gebieten nahe der damaligen Kampfzonen Geburtsdefekte bei Säuglingen aufgetreten sein.

Der Internationalen Koalition für das Verbot von Uranwaffen (ICBWU) zufolge verwendeten britische und US-amerikanische Streitkräfte DU-Munition in verschiedenen Konflikten: neben den Kriegen im Irak 1991 und 2003 auch in Bosnien, Serbien und Kosovo zwischen 1991 und 1995. Darüber hinaus wird angenommen, dass Uranwaffen von 18 anderen Ländern eingesetzt werden.

Es besteht ferner der Verdacht, dass die USA auch 2001 in Afghanistan DU-Munition verwendet haben - ein Vorwurf, den Washington und London stets dementierten. Doch durchgesickerten Transportunterlagen ist zu entnehmen, dass die US-Streitkräfte in Afghanistan über DU-Waffen verfügten. "Der fortgesetzte Einsatz von A10-'Warthog'-Kampfflugzeugen zur Unterstützung der NATO-Bodentruppen legt nahe, dass sie auch verwendet wurden", stellt die ICBWU fest.


Hoffen auf UN-Konvention

Die Koalition will nach dem Vorbild der Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen den Entwurf eines internationalen Abkommens erreichen, das den Einsatz von abgereichertem Uran in allen konventionellen Waffen ächtet.

ICBWU drängt Washington zu der Zusicherung, auf den Einsatz von abgereichertem Uran in Konflikten zu verzichten. Auch sollen die USA an den Orten, an denen DU-Munition zum Einsatz kam, unverzüglich Schritte einleiten, um die gefährdeten Menschen zu warnen und Entseuchungsmaßnahmen durchzuführen.

Die Koalition will der Regierung in Washington ferner das Versprechen abringen, dass sie nachweislich dafür sorgt, dass keine US-Flugzeuge mit DU an Bord jemals wieder in die Lüfte aufsteigen. Darüber hinaus soll jede bereits an Bord befindliche DU-Munition unbenutzt bleiben.

Die niederländische Arbeiter- und Sozialistische Partei haben die Regierung in Den Haag aufgefordert, Auskunft über einen eventuellen Einsatz von DU-Waffen durch die USA in der gemeinsamen Libyen-Operation 'Unified Protector' zu geben. Die Königliche Luftwaffe nimmt aktiv an der Umsetzung der Einhaltung der Flugverbotszone in Libyen mit F16-Kampfjets, Tankflugzeugen und einem Minenräumschiff teil.

Dazu meint Wim Zwijnenburg, politischer Berater der Friedensorganisation 'IKV Pax Christi': "Derzeit fehlt es an Transparenz, was den Einsatz dieser Waffen angeht. Dadurch werden Untersuchungen in betroffenen Gebieten behindert. Wir können nur hoffen, dass sie von den USA in Libyen nicht eingesetzt werden."

Zwijnenburg zufolge wurden in den beiden Golfkriegen 400.000 Kilo DU auf den Irak abgeworfen. Die Welt könne sich kein weiteres verseuchtes Gebiet leisten. "Wir hoffen, dass die erhöhte internationale Aufmerksamkeit den Einsatz von DU weiter stigmatisieren wird."


Niederländische Regierung zurückhaltend

Zwijnenburg zufolge hat sich die niederländische Regierung in der Vergangenheit schwer mit einer eindeutigen Position gegenüber dem Einsatz von DU-Waffen getan - trotz mehrfacher Aufforderung durch das Parlament. Außerdem ignorierte die Regierung einen Antrag des Parlaments für ein Moratorium von DU-Munition.

Wie IKC Pax Christi in einer Pressemitteilung vom 7. April erläutert, unterstützten die Niederlande 2010 die Resolution A/65/55 der UN-Vollversammlung, die mehr Transparenz im Umgang mit DU anmahnt und von den Mitgliedsländern Vorschläge für eine Umsetzung der Empfehlungen von Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UN-Umweltprogramm (UNEP) einfordert. UNEP hatte zu Vorsicht geraten, was den Einsatz von DU-Waffen angeht. (Ende/IPS/kb/2011)

* Der von 'Global Cooperation Council' und 'Globalom Media' erstellte Informations- und Analysendienst IDN-InDepthNews ist Partner von IPS-Deutschland.

Links:
http://www.bandepleteduranium.org/
http://www.cnduk.org/
http://www.indepthnews.net/news/news.php?key1=2011-04-09%2018:30:47&key2=1

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. April 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2011