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MILITÄR/903: Waffendeals mit Freunden - USA beliefern Bahrain, Russland rüstet Syrien auf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Oktober 2011

Rüstung: Waffendeals mit Freunden - USA beliefern Bahrain, Russland rüstet Syrien auf

von Thalif Deen


New York, 13. Oktober (IPS) - Als in diesem Monat Russland und China im UN-Sicherheitsrat eine gegen Syrien gerichtete Resolution mit ihrem Veto verhinderten, reagierte die US-Botschafterin Susan Rice empört. Unmissverständlich, wenn auch ohne Namensnennung, warf sie Russland vor, Syriens in Bedrängnis geratenen Präsidenten Baschar al-Assad zu schützen, um seine lukrativen Rüstungsgeschäfte in Nahost nicht aufs Spiel zu setzen.

Doch auch die USA verkaufen Waffen in die unruhige Region. Derzeit prüft Washington den Abschluss eines Vertrages über die Lieferung von Kriegsgerätschaften an den Golfstaat Bahrain im Umfang von 53 Millionen US-Dollar. Der Deal umfasst unter anderem 44 bewaffnete geländegängige Fahrzeuge, im Militärjargon 'Humvees' genannt, sowie mobile Abschussrampen samt Material und Spezialausbildung.

"Es ist Heuchelei, wenn die US-Regierung einerseits Gewalt gegen Demonstranten in Syrien verurteilt, jedoch bei ähnlichen Vorkommnissen gegenüber Bahrain Nachsicht übt", kritisierte Natalie Goldring, Dozentin am Zentrum für Friedensforschung an der 'Edmund A. Walsh School of Foreign Services' der Georgetown-Universität. "Die US-Regierung bewegt sich auf dünnem Eis, wenn sie andere Länder wegen deren Waffenlieferungen abkanzelt", sagte sie IPS. "Mit dem kürzlich angekündigten Vorschlag, Waffen an Bahrain zu verkaufen, signalisiert sie ihre Rückkehr zum Tagesgeschäft. Dabei wäre das Gegenteil angebracht."

Menschenrechtsgruppen haben den geplanten US-Waffendeal mit Bahrain scharf kritisiert. Maria McFarland, stellvertretende Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) in Washington, erklärte: "Man kann die Stellungnahmen der US-Regierung zu Demokratie und Menschenechten in Nahost kaum ernst nehmen, wenn Washington, anstatt Bahrain wegen seines repressiven Vorgehens zur Rechenschaft zu ziehen, offenbar bereit ist, das Land mit neuen Waffen zu belohnen."

Goldring meinte, die Obama-Regierung könnte mehr Einfluss auf andere Länder nehmen, wenn sie Länder, die die Menschenrechte verletzen, nicht länger mit Waffen beliefern würde.

Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Frankreich, Gabun, Großbritannien, Kolumbien, Nigeria, Portugal und die USA hatten der Resolution des UN-Sicherheitsrats zugestimmt, die Syriens Regierung wegen der Niederschlagung der Proteste und massiver Verstöße gegen die Menscherechte scharf kritisierte und zu einem sofortigen Ende der Gewaltanwendung gegen Zivilisten aufforderte. Brasilien, Indien, Libanon und Südafrika enthielten sich, während China und Russland mit ihrem Veto die Verabschiedung des Resolutionsentwurfs verhinderten.


Syrien als Russlands unentbehrlicher Waffenmarkt

Russland werde Sanktionen gegen Syrien schon deshalb nicht zustimmen, weil das Land für seine Rüstungsindustrie ein wichtiger Absatzmarkt sei, auf den man nicht verzichten wolle, kommentierte Pieter Wezeman von der Abteilung für Waffentransfer des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI die Haltung Moskaus. Schließlich habe Russland seine früheren Waffenkunden Iran und Libyen bereits verloren.

Der Experte berichtete, Russland habe in den vergangenen fünf Jahren Syrien schätzungsweise 36 Boden-Luft-Lenkwaffensysteme vom Typ Pantsir-S1 geliefert. Alles weise auf weitere Bestellungen und russische Lieferungen hin, betonte er. Es sei von 24 MIG-29SMT-Kampfjets die Rede sowie von einem umfassenden Küstenschutz mit Jachont-Raketen, etlichen Mittelstrecken-Boden-Luft-Raketen und von einer unbekannten Anzahl von YAK-130 Maschinen, auf denen Piloten für den Luftkampf ausgebildet werden.

Goldring verwies auch auf Syriens Rolle als militärischer und politischer Verbündeter Russlands im Nahen Osten. Nach kürzlich veröffentlichten Angaben des Wissenschaftsdienstes des US-Kongresses machten Russlands Lieferungen an Syrien fast ein Viertel seiner weltweit zwischen 2007 und 2010 ausgehandelten Waffendeals aus.

"Russland und China scheinen sich im Nahen Osten gegen einen gemeinsamen Gegner zu verbünden, um ein Gegengewicht gegen die diplomatischen und militärischen Aktivitäten der USA in der Region zu bilden", bemerkte die wissenschaftliche Expertin Goldring.

Vor Medienvertretern gab sich UN-Botschafterin Rice trotz des Scheiterns der Resolution im UN-Sicherheitsrat zuversichtlich. "Es wird zwar behauptet, der Westen habe sie veranlasst, doch wir haben gesehen, dass die Mehrheit seiner Mitglieder den Entwurf unterstützt. In aller Welt unterstützen Länder die Resolution, und in der gesamten Region gibt es Staaten, die die Brutalität des Assad-Regimes verurteilen und ihr sofortiges Ende verlangen", erklärte Rice. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2011