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REDE/904: Minister Dirk Niebel zum Haushaltsgesetz 2012, 23.12.2011 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag am 23. November 2011 in Berlin:


Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir sind in dieser Regierung angetreten, um die Wirksamkeit und Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen. Dieser dritte Rekordhaushalt in Folge gibt uns die Möglichkeit, unsere erfolgreiche Arbeit fortzusetzen.

Ich möchte mich bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern ausdrücklich für die - obwohl es in der Debatte im Deutschen Bundestag manchmal etwas anders klingt - hervorragende Zusammenarbeit bedanken. Wir haben einen sehr ergiebigen Diskussionsprozess geführt. Ich möchte mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, des Bundesrechnungshofes und der anderen beteiligten Organisationen bedanken, die dazu beigetragen haben, dass wir diesen guten Haushalt hier heute beschließen können.

Die Kolleginnen und Kollegen haben die Stellen angesprochen. Doch mein guter Freund Sigmar Gabriel hat heute Morgen in der Generaldebatte versucht, zu skandalisieren, und gesagt, ich würde das Haus mit 166 Stellen aufblähen.

Um der Wahrheit Genüge zu tun, muss man darauf hinweisen: Es sind 182 Stellen; im nächsten Jahr kommen noch einmal 30 hinzu. Das hat gute Gründe - Sie alle haben es beschlossen -: Es geht um die Wiedererlangung der politischen Steuerungsfähigkeit gegenüber den Durchführungsorganisationen. In diesem Prozess haben wir den Bundeshaushalt - jetzt hören Sie bitte besonders gut zu - trotz der Einrichtung der Servicestelle, der Gründung des Evaluierungsinstituts und der Schaffung der politischen Steuerungsfähigkeit des Hauses um 300 Stellen netto entlastet. Das ist der größte Bürokratieabbau im Rahmen der größten Strukturreform, die diese Legislaturperiode gesehen hat. Ich ahne, dass es in den nächsten zwei Jahren keine wesentlich größere geben wird.

Die Kollegin Hinz hat gerade beklagt, dass Stellen verschoben würden und sie davon überrascht gewesen sei. Wir können gerne über die Frage des Zeitpunktes streiten - das haben wir gestern sehr intensiv getan - , nicht aber über die Inhalte. Sie wissen, dass ein Bestandteil der Fusion darin besteht, die politische Steuerungsfähigkeit zu erlangen. Deswegen gibt es auch in Bezug auf die Außenstruktur der deutschen Entwicklungszusammenarbeit die Notwendigkeit einer Veränderung. Das ist übrigens auch im Kabinettsbeschluss zur Fusion so vorgesehen.

Die 46 Stellen an Botschaften für sogenannte WZ-Referenten - das sind die Mitarbeiter meines Hauses, die dort für die Umsetzung der Entwicklungspolitik sorgen - sind genauso gestaltet, wie es schon heute der Fall ist. Unsere Mitarbeiter werden an die Botschaften abgeordnet. Unsere Stellen werden dann vom Auswärtigen Amt bewirtschaftet. Ich wundere mich schon sehr, dass man die Inhalte der wegweisendsten Verwaltungsvereinbarung zwischen den beiden Häusern kritisiert. Damit wird endlich das hergestellt, was dieses Parlament - übrigens über alle Fraktionsgrenzen hinweg - immer wieder gefordert hat. Es wurde mehr Kohärenz beziehungsweise die Einhaltung dessen gefordert, was die OECD schon lange von uns verlangt hat: Klarheit bei humanitärer Hilfe und entwicklungsorientierter Nothilfe.

Lieber Kollege Lothar Binding, zu behaupten, wir hätten diese Klarheit bei humanitärer Hilfe, bei der Übergangs- und Nothilfe geschaffen, damit der Außenminister schöne Bilder von Katastrophen liefern kann, ist an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Ich kenne überhaupt nicht eine Katastrophe, die ein einziges schönes Bild liefert.

Lassen Sie uns nicht über Geld reden, sondern über Verantwortung. Lassen Sie uns über die Verantwortung reden, die wir in der Welt wahrnehmen. Wir haben auf die Demokratiebewegungen in Nordafrika unmittelbar reagiert: mit drei Fonds, die ich aufgelegt habe. Ich möchte mich hier ganz besonders bei den Kirchen und vor allem den politischen Stiftungen bedanken, die uns dabei unterstützt haben, Demokratieprozesse begleiten zu können, damit die Welt auch hier ein Stückchen besser wird.

Lassen Sie uns über die Entwicklung ländlicher Räume reden, die in den vergangenen zehn, 15 Jahren schmählich vernachlässigt worden sind. Wir haben bei der Katastrophe am Horn von Afrika sofort reagiert und mit über 160 Millionen Euro kurz- und mittelfristig geholfen. Wir machen mehr, weil wir dafür sorgen wollen, dass die nächste Dürre, die kommen wird, nicht gleich wieder zu einer Katastrophe führt. Deswegen entwickeln wir ländliche Räume. Das stellte sich in der Vergangenheit vielleicht weniger charmant dar, weil die Ergebnisse längere Zeit brauchen und man sie nicht gleich mediengerecht vermarkten kann. Wir wollen dazu beitragen, die Menschen nicht nur zu versorgen, sondern für sie vorzusorgen.

Wir übernehmen auch Verantwortung für den Reichtum dieser Erde. Zum Beispiel schützen wir die Biodiversität, indem wir der Regierung in Tansania helfen, andere Routen für die Straßen zu finden, die gebraucht werden, damit die Serengeti nicht zerschnitten wird. Hierzu kann man sagen: Dank deutscher Entwicklungszusammenarbeit muss die Serengeti nicht sterben.

Weiterhin haben wir den KAZA-Nationalpark erfunden. KAZA bedeutet Kavango-Zambesi-Nationalpark. Das ist der größte Nationalpark der Welt. Er ist ungefähr so groß wie Italien und erstreckt sich über fünf Staatsgrenzen hinweg. Bei diesen Staaten handelt es sich um Namibia, Angola, Sambia, Simbabwe und Botswana. Diese fünf Staaten versuchen, Biodiversität und wirtschaftliche Entwicklung, den Schutz von indigenen Völkern sowie der Natur unter einen Hut zu bringen. Das sind fünf Staaten, die in der Vergangenheit oftmals sehr viele unterschiedliche politische Interessen hatten. Jetzt haben sie eine Vereinbarung über eine Art Schengen-Abkommen unterschrieben. Danach wird es ein einheitliches Visum für diesen Nationalpark geben. Das hätte es ohne deutsche Entwicklungszusammenarbeit nicht gegeben.

Wir verbinden Werte mit Interessen. Manch ein linker Ideologe mag es nicht glauben: Werte und Interessen können sich hervorragend ergänzen. In diesem Sinne werden wir auch in den nächsten Jahren die Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland reformieren, damit die Menschen als Partner angesehen werden und gute Ergebnisse für die Zukunft erzielt werden.


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Quelle:
Rede des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Dirk Niebel, zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag
am 23. November 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2011