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REDE/942: Ministerin von der Leyen zum Beschaffungsprogramm von Drohnen für die Bundeswehr, 2.7.14 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, in der Aktuellen Stunde zum Beschaffungsprogramm von Drohnen für die Bundeswehr vor dem Deutschen Bundestag am 2. Juli 2014 in Berlin:



Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Natürlich spüren wir das Unbehagen vieler Menschen, wenn es um Drohnen geht, auch hier im Bundestag. Deshalb wird zu Recht erwartet, dass wir berechtigte Bedenken aufnehmen, sie in unsere Entscheidung einbeziehen und eine breite Debatte führen. Ich habe deshalb die Anhörung des Verteidigungsausschusses am Montag als einen ausgesprochen wertvollen Beitrag gesehen. Das war eine sehr ausgewogene, besonnene Debatte, die wir gehabt haben.

Frau Buchholz, schon seit einem Jahr wird diese Debatte breit geführt. Ich glaube aber auch, dass diese Debatte heute mit Sicherheit nicht zu Ende ist, sondern sie wird weitergeführt werden. Viele andere Länder - es sind über 80 - haben Drohnen. Über ein Viertel dieser Länder hat bewaffnungsfähige Drohnen. Ich möchte heute meine Position zu diesem Thema darlegen.

Ich möchte zunächst einmal ganz pragmatisch skizzieren, worum es uns geht. Am 17. Oktober 2013 hat in Kunduz der letzte Konvoi das Camp der Bundeswehr verlassen. Das waren 441 Soldatinnen und Soldaten in 119 Fahrzeugen - eine kilometerlange Kolonne, die über zwei Tage durch unübersehbares Gelände gefahren ist: eine der größten Operationen der Bundeswehr.

Diese Kolonne ist von allen Seiten geschützt gewesen. Sie ist vor allem von oben insofern geschützt gewesen, als eine Aufklärungsdrohne, die wir geleast haben, das Gelände aus der Vogelperspektive überschaut hat. Wäre diese Kolonne angegriffen worden, so wäre dieser Angriff frühzeitig gesehen worden, aber die Unterstützung der angegriffenen Bodentruppe aus der Luft hätte gedauert.

Denn es hätten entweder Hubschrauber oder Flugzeuge angefordert werden müssen, um dann die Soldatinnen und Soldaten am Boden zu unterstützen. Das sind wertvolle Minuten, die Soldatenleben kosten können, und diese Schutzlücke wollen wir schließen.

Ich möchte gerne in dieser Debatte vorweg auf zwei Punkte eingehen, die ich wichtig finde.

Da ist zunächst immer, wenn es um das Unbehagen der Bevölkerung geht, die Vorstellung von einem unbemannten Flugzeug, dass da kein Mensch sei, dass es ein autonomes System sei. Das ist falsch. Nach wie vor ist es immer ein Mensch, der entscheidet, ob eine Waffe ausgelöst wird oder nicht. Das ist beim Torpedo im U-Boot so. Das ist bei der Panzerhaubitze so. Das ist bei der Interkontinentalrakete und bei der Cruise-Missile so, und das ist bei der Drohne nicht anders. Niemals fällt ein Soldat oder eine Soldatin beim Einsatz einer Drohne eine einsame Entscheidung. Es ist erst die Anforderung der Truppe am Boden, die Hilfe braucht, die diesen Einsatz der Drohne auslöst. Dann erst entscheiden Soldatinnen und Soldaten innerhalb ganz klar definierter und rechtlich geprüfter Einsatzregeln. Um diesen Rahmen geht es uns. Den wollen wir setzen. Weil uns dieser Rahmen, den wir haben, so wichtig ist, und weil wir ihn auch international vorantreiben möchten, haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass sich Deutschland für eine völkerrechtliche Ächtung vollautomatisierter - das heißt: autonomer - Waffensysteme einsetzt. Das muss geächtet werden. Ich sage sehr deutlich: Der Außenminister hat unsere volle Unterstützung auf diesem schwierigen internationalen Weg.

Der zweite Punkt, der mir wichtig ist: Unsere Ablehnung speist sich auch aus den bekannten Fällen, in denen Drohnen aus großer Distanz gesteuert zur gezielten Tötung einzelner Menschen eingesetzt werden, auch unter Inkaufnahme, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen. Hierzu möchte ich ganz klar sagen: Die Bundesregierung lehnt extralegale völkerrechtswidrige Tötungen kategorisch ab. Das gilt für jedes Waffensystem.

Ich sage genauso klar: Mit dem Bedarf der Bundeswehr, den wir jetzt diskutieren, hat ein solches Vorgehen jetzt und in Zukunft nichts zu tun. Ich sage das mit so großer Gewissheit, weil die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Es sind wir hier im Haus, die festlegen, wie ein Mandat zum Einsatz aussieht. Es gibt keinen Einsatz der Bundeswehr ohne eindeutige Regularien zum Einsatz von Waffen. Damit ist auch der Einsatz von Drohnen durch die Bundeswehr nur möglich, wenn alle völkerrechtlichen und nationalen Regeln beachtet werden, und zwar nach Billigung durch den Deutschen Bundestag. Deshalb meine ich: Wer das als Parlamentarierin oder Parlamentarier infrage stellt, der entmündigt sich doch selber. Wir sind es, die die Regeln festlegen. Es ist die Parlamentsarmee, die wir verteidigen.

Die Bundeswehr ist weltweit im Einsatz, um Sicherheit, Stabilität und Frieden zu verteidigen. Wir alle profitieren davon, dass an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden am Tag Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst tun: in der Heimat, an den Grenzen des Bündnisses und weltweit bei Einsätzen. Sie nehmen dafür Gefahren auf sich, und zwar Gefahren für Leib und Leben. Wir alle wissen, so bitter es auch sein mag: Nicht jeder schwere Konflikt und nicht jeder drohende Völkermord ist allein mit den Mitteln der Diplomatie und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu verhindern. Manchmal ist auch militärisches Engagement im Rahmen unserer Bündnisse gefragt. Dann verleiht erst der persönliche Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten dem Engagement unseres Landes für Frieden und Sicherheit das, was wir dringend brauchen, nämlich die Glaubwürdigkeit. Deshalb geben unsere Soldatinnen und Soldaten uns viel. Das Wichtigste, was wir ihnen geben können, sind Unterstützung und eine bestmögliche Ausrüstung, um selbst gegen Gefahren geschützt zu sein. Ein Teil dieser Ausrüstung sind auch ferngesteuerte Luftfahrzeuge, die sogenannten Drohnen. Die sollten wir ihnen nicht verwehren.

Nun endet der ISAF-Einsatz. Welche Szenarien die Zukunft bringt, wissen wir nicht. Es zeichnet sich zurzeit kein Einsatz ab, der eine Befassung mit den Szenarien, die ich eben geschildert habe, notwendig macht. Die Aufklärungsdrohne Heron hat gute Dienste geleistet; sie war jeden Tag im Einsatz. Es spricht viel dafür, dass wir eine ähnliche Form für die Übergangszeit wählen. Bei einer Neuentwicklung, die mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen wird, plädiere ich für eine europäische Entwicklung. Dafür haben wir uns bereits im Koalitionsvertrag und in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2013 positioniert. Es sollte ein bewaffnungsfähiges Modell sein, über dessen tatsächlichen bewaffneten oder unbewaffneten Einsatz in jedem Einzelfall ein Mandat des Deutschen Bundestages entscheidet. Das bedeutet, dass wir alle immer gefordert sind, die Balance zu finden zwischen dem, was technisch möglich ist, und dem, was ethisch vertretbar ist, hier im Bundestag, in der EU, in der NATO und auch in den Vereinten Nationen.

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Quelle:
Bulletin 80-1 vom 2. Juli 2014
Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen,
in der Aktuellen Stunde zum Beschaffungsprogramm von Drohnen für die
Bundeswehr vor dem Deutschen Bundestag am 2. Juli 2014 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2014