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SICHERHEIT/084: USA - Pentagon muss sparen, Anti-Terrorkampf nicht mehr höchste Priorität (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Januar 2012

USA: Pentagon muss sparen - Anti-Terrorkampf nicht mehr höchste Priorität

von Jim Lobe


Washington, 6. Januar (IPS) - Die USA schlagen in der Verteidigungspolitik eine neue Marschrichtung ein. Wie Präsident Barack Obama ankündigte, soll der Schwerpunkt künftig auf Einsätzen in Asien und im Pazifikraum liegen. Strategien zur Terrorbekämpfung und Staatenbildung in ärmeren und konfliktgeplagten Ländern werden zurückgefahren.

Das von Obama in Washington präsentierte Strategiepapier 'Sustaining U.S. Global Leadership Priorities for 21rst Century Defense' enthält Forderungen nach neuen Investitionen im Bereich der Internetsicherheit und einer Aufwertung der Marine und Luftwaffe. Bei den Bodentruppen sollen hingegen in den nächsten Jahren Zehntausende Soldaten eingespart werden.

"Wenn wir über die Kriege im Irak und in Afghanistan - und das Ende einer längerfristigen Nationenbildung starker militärischer Prägung - hinausblicken, werden wir in der Lage sein, unsere Sicherheit mit kleineren konventionellen Bodentruppen zu gewährleisten", erklärte Obama bei einem Briefing im Pentagon.

"Unser Militär wird schlanker sein. Die Welt soll aber wissen, dass die USA ihre militärische Überlegenheit mit Hilfe der Streitkräfte aufrecht erhalten wird, die agil, flexibel und in der Lage sind, auf alle Bedrohungen zu reagieren", sagte der Präsident.


Kürzungen von 450 Milliarden US-Dollar

Die neue Strategie, die das Pentagon auf Geheiß Obamas seit dem vergangenen April ausgearbeitet hat, sieht Kürzungen im Verteidigungsbereich von etwa 450 Milliarden US-Dollar während der kommenden zehn Jahre vor.

Nachdem ein parteiübergreifend besetzter Kongressausschuss im November keine Einigung über den Abbau des drohenden Staatsdefizits in Billionenhöhe erzielt hat, könnte das Pentagon gezwungen sein, zusätzliche 600 Milliarden Dollar einzusparen.

Mit einem Umfang von mehr als 700 Milliarden Dollar macht der diesjährige US-Verteidigungshaushalt rund 40 Prozent aller weltweiten Militärausgaben aus. Die USA investieren damit mehr in ihre Rüstung als die 20 nächstgrößeren Militärmächte zusammengenommen.

Wie Obama hervorhob, wird das Budget der USA nach der Streichung von 450 Milliarden Dollar immer noch umfangreicher sein als die gesamten Militärhaushalte der zehn größten Mächte. "Wir tragen globale Verantwortung, die unsere Führungsrolle erfordert", betonte er.

Zu den Einsparungen wird vor allem der Abbau der Bodentruppen beitragen. Die Armee wird demnach der größte Verlierer sein. Einzelheiten zu den Kürzungen sollen im Laufe des Januar oder Anfang Februar veröffentlicht werden. Nach Angaben hochrangiger Pentagon-Vertreter wird die Stärke der Armee in den nächsten Jahren voraussichtlich von 570.000 auf 490.000 Soldaten zurückgehen.

Weniger hart getroffen werden die Marines sein, denen zurzeit rund 200.000 Mann angehören. Sie werden wahrscheinlich den Marineeinsatzkräften zugeschlagen, die innerhalb der Streitkräfte ein größeres Gewicht erhalten. Der Schwerpunkt der US-Einsätze wird sich vom Nahen Osten in Richtung Asien und der Pazifikregion verlagern.

Auf einer Reise durch die Region verkündete Obama kürzlich die Stationierung von 2.500 Marines auf einem Stützpunkt im Norden Australiens. Die 'New York Times' sprach daraufhin von der "ersten langfristigen Expansion der amerikanischen Militärpräsenz im Pazifik" seit dem Vietnam-Krieg.

Die geografische Verlagerung wurde in einer Strategieerklärung bekräftigt, in der es heißt, die wirtschaftlichen und Sicherheitsinteressen der USA seien mit der Region "eng verbunden". Die US-Streitkräfte würden weiterhin zur globalen Sicherheit beitragen. Man werde sich dabei aber wieder der Asien-Pazifikregion zuwenden.


Neue Kampfflugzeuge sind zu teuer

Geplant ist zudem, die Einführung teurer neuer Waffensysteme abzusagen oder zu verschieben. Betroffen sind unter anderem fast 2.500 F-35-Kampfflugzeuge, die das Pentagon bestellt hatte. Das Lockheed-Martin-Programm hat sich bereits als kostspieligstes Verteidigungsprojekt der USA erwiesen.

Auch das Arsenal der Atomwaffen soll verkleinert werden. "Es ist möglich, mit kleineren nuklearen Waffen ebenfalls eine abschreckende Wirkung zu erzielen", heißt es in dem Papier. Washington macht zudem Anstalten, von einem Grundsatz aus der Zeit des Kalten Krieges abzurücken, nach dem die USA imstande sein sollen, zwei Bodenkriege in unterschiedlichen Teilen der Welt gleichzeitig zu führen.

Die Pläne Obamas stießen bei den oppositionellen Republikanern auf scharfe Kritik. "Der Präsident wiederholt Fehler der Vergangenheit, indem er Truppen bereitstellt, die zu klein sind, um den Gefahren zu begegnen", sagte der Vorsitzende des Militärausschusses im Repräsentantenhaus, Bud McKeon, bei einer Veranstaltung des neo-konservativen Thinktanks 'American Enterprise Institute' (AEI). Dass zwei Kriege gleichzeitig geführt werden müssten, ist für den Republikaner eine realistische Perspektive.


'Falken' und 'Tauben' reagieren gespalten

Auch Jamie Fly, der Geschäftsführer der konservativen 'Foreign Policy Initiative' (FPI) bezeichnete den neuen Kurs Obamas als "gefährlich". "Ich verstehe, dass die meisten Amerikaner von langen Einsätzen in Kriegsgebieten genug haben. Wir wissen aber nie, was hinter dem Horizont liegt", sagte er IPS.

Im Gegensatz zu den Falken begrüßten die Tauben den Kurswechsel in der Verteidigungspolitik. William Hartung vom 'Center for International Policy' betrachtet die geplanten Kürzungen sogar noch als zu gering. "Wollte die Regierung tatsächlich überholte Systeme aus der Zeit des Kalten Krieges loswerden und unser Atomarsenal reduzieren, könnte sie die Einsparungen auf eine Billion Dollar verdoppeln." (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.defense.gov/news/Defense_Strategic_Guidance.pdf
http://www.aei.org/
http://www.foreignpolicyi.org/
http://www.ciponline.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106377

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2012