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SICHERHEIT/086: USA - Expertenbericht empfiehlt stärkere Marine-Präsenz im Südchinesischen Meer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Januar 2012

USA: Expertenbericht empfiehlt stärkere Marine-Präsenz im Südchinesischen Meer

von Jim Lobe


Washington, 12. Januar (IPS) - Während sich ein großer Teil der internationalen Aufmerksamkeit auf die Spannungen zwischen Washington und Teheran über die Straße von Hormus konzentriert, warnen Politexperten einer führenden US-amerikanischen Denkfabrik davor, eine weitere wichtige Seehandelsroute - das Südchinesische Meer - aus den Augen zu verlieren.

Wie das 'Center for a New American Security' (CNAS) in einem am 10. Januar veröffentlichten Bericht betont, sollte Washington eine Strategie entwickeln, die möglichen Konflikten mit China vorbeugt und zugleich die freie Schifffahrt und die Unabhängigkeit kleinerer Länder in der Region garantiert.

Der 115-seitige Report 'Cooperation from Strength: the United States, China and the South China Sea' empfiehlt in den nächsten Jahren zudem eine Aufstockung der Kriegsmarine von 285 auf 346 Schiffe. Damit solle verhindert werden, dass die USA in der Region als schwächelnde Macht dasteht.

"Die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu China und anderen Staaten werden sich verbessern, wenn sie durch eine glaubwürdige militärische Position abgesichert werden", heißt es in dem Papier. Autor ist Patrick Cronin, der die Abteilung des Zentrums für Asien und den Pazifikraum leitet.


USA sollen im Südchinesischen Meer Flagge zeigen

Seiner Ansicht nach muss eine Vergrößerung der Marine mit einem "gesunden Wirtschaftswachstum in der Zukunft" verbunden sein. Dies sei "eine strategische Priorität" für die USA. "In einer Zeit, in der das jahrzehntealte, von den USA geförderte Regelsystem durch das aufstrebende China in Frage gestellt wird, ist das Südchinesische Meer ein strategischer Indikator für die künftige Führungsrolle der USA in der Asien-Pazifik-Region."

US-Präsident Barack Obama hatte erst kürzlich Einschnitte im Verteidigungshaushalt und eine Neuausrichtung der Militärstrategie angekündigt. Demnach sollen sich die auswärtigen Einsatzgebiete der US-Streitkräfte in Richtung Asien und Pazifik verlagern.

Der Mitbegründer von CNAS, Kurt Campbell, war während der Amtszeit von Präsident Bill Clinton als Asien-Experte im Pentagon tätig. Derzeit bekleidet er eine ähnliche Funktion im Außenministerium. Michèle Flournoy, die ebenfalls zu den Gründern des Zentrums gehört, hatte unter Obama bis 2011 eine führende Position im Pentagon inne.

Etwa 40 Prozent des global gehandelten Erdöls passiert die Straße von Hormus, eine Meerenge, die den Persischen Golf mit dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean verbindet. Ebenso große strategische Bedeutung für den Handel kommt dem Südchinesischen Meer zu. Die derzeit wohl wichtigste Seehandelsroute der Welt führt vom Indischen Ozean durch die Straße von Malakka in den westlichen Pazifik. Auf dem Grund des Südchinesischen Meeres sind Erdölvorkommen von mindestens sieben Milliarden Barrel nachgewiesen worden. Nach Berechnungen Chinas könnte die Menge sogar 130 Milliarden Barrel erreichen. Hinzu kommen etwa 25,4 Billionen Kubikmeter Erdgas.

Die Region, in der sich auch die Paracelsus- und Spratley-Inseln befinden, steht deshalb häufig im Zentrum von Territorialstreitigkeiten. Anspruch auf die Vorherrschaft erheben China, Taiwan, Vietnam, Malaysia, Singapur, Indonesien, Brunei und die Philippinen.

In den vergangenen zwei Jahren hat China auf zunehmend aggressive Weise seine Souveränität über das gesamte Meeresgebiet geltend machen wollen. Manchmal setzte die Volksrepublik dazu auch ihr Militär ein. Im vergangenen Mai durchtrennte die chinesische Küstenwache ein Kabel eines vietnamesischen Schiffes, das Ölvorkommen erkunden wollte.


Vietnam und Philippinen suchen Nähe der USA

Chinas Vorgehen, das mit einer raschen Aufstockung seiner Marinekapazitäten einhergeht, hat in der Region wachsende Beunruhigung ausgelöst. Insbesondere Vietnam und die Philippinen bemühen sich seither um eine engere Sicherheitszusammenarbeit mit Washington. Diese Länder sahen es als ermutigendes Zeichen, als US-Außenministerin Hillary Clinton auf einem Asien-Forum erklärte, dass Washington ein "nationales Interesse" daran habe, die freie Schifffahrt in der Region zu erhalten. Clinton sprach sich auch dafür aus, regionale Gespräche zur Lösung von Territorialstreitigkeiten "zu erleichtern".

Die Regierung in Peking reagierte empört auf Clintons Äußerungen, die US-Interessen weit vom US-amerikanischen Staatsgebiet entfernt und die Unterstützung eines multilateralen Ansatzes zur Klärung von Souveränitätsansprüchen auf das Südchinesische Meer implizieren. China zieht es bisher vor, mit den betreffenden Staaten bilaterale Gespräche zu führen.

Washington hat in der Zwischenzeit seine militärische Zusammenarbeit mit Vietnam und den Philippinen verstärkt. Mit Singapur vereinbarten die USA die Stationierung von zwei Kampfschiffen. Während eines Besuchs im vergangenen November kam Obama außerdem mit Australien überein, ständig bis zu 2.500 Marinesoldaten auf einer Basis nahe dem Südchinesischen Meer zu stationieren. Damit wird die US-Militärpräsenz in der Region erstmals seit dem Vietnam-Krieg längerfristig ausgebaut.


China gefährdet strategisches Gleichgewicht in der Region

Die Autoren des CNAS-Berichts befürworten diese Schritte, fordern aber ein noch größeres Engagement, um den kleineren Staaten eine Rückendeckung der USA auch in Zeiten zu versichern, in denen China seine Militärmacht noch rascher als bisher ausbauen wird.

Das Unvermögen der USA, genügend Ressourcen in das Südchinesische Meer zu stecken, würde dem Report zufolge die Sicherheitspläne aller Länder in der Region verändern. Die Folge könnte eine "Finnlandisierung" der Anrainerstaaten sein, die von China zu einer neutralen Haltung gezwungen würden, ähnlich der Rolle, die Finnland während des Kalten Krieges auf Druck der Sowjetunion einnehmen musste.

"Wir wollen erreichen, dass die USA die derzeitige Machtkonstellation beibehalten", sagte Robert Kaplan, der an dem Bericht beteiligt war. Mit den übrigen Autoren hatte er einen Vergleich zwischen den strategischen Ambitionen Chinas im Südchinesischen Meer und den Zielen Washingtons im Karibikraum Ende des 19. Jahrhunderts gezogen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die USA demnach so viel Einfluss in der westlichen Hemisphäre, dass sie damit das Gleichgewicht der Macht in der östlichen Hemisphäre ins Wanken brachten.

Wie der Bericht warnt, könnte etwas Ähnliches geschehen, wenn die Volksrepublik der Hegemon im Südchinesischen Meer wird. Die USA sollten daher nicht nur ihre Marinepräsenz vergrößern, sondern auch ihre Verbündeten in der Region dazu bewegen, ihr eigenes Militärpotenzial zu stärken und untereinander neue Sicherheitspartnerschaften einzugehen. Darüber hinaus müsse Washington die Wünsche der Länder respektieren, auch weiterhin gute Beziehungen zur Volksrepublik zu unterhalten. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.cnas.org/node/7432
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106403

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2012