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INTERNATIONAL/051: Afrika - Bis 1,4 Billionen US-Dollar in 30 Jahren illegal abgeflossen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Mai 2013

Afrika: "Netto-Gläubiger" für den Rest der Welt - Bis 1,4 Billionen US-Dollar in 30 Jahren illegal abgeflossen

von Carey L. Biron


Bild: © Tommy Trenchard/IPS

Diamantensucher bei der Arbeit in der Nähe von Kodu im Osten von Sierra Leone
Bild: © Tommy Trenchard/IPS

Washington, 29. Mai (IPS) - In den letzten drei Jahrzehnten hat Afrika für den Rest der Welt als "Netto-Gläubiger" hergehalten. Bis zu 1,4 Billionen US-Dollar sind aus der Region illegal abgeflossen, wie aus einem neuen Bericht der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) und der Organisation 'Global Financial Integrity' (GFI) mit Sitz in Washington hervorgeht.

"Die Zahlen irritieren, zumal sie sich mit der Vorstellung von einem Kontinent, der Unmengen an Hilfsgeldern verschlingt, nicht in Einklang bringen lassen", meinte Clark Gascoigne von der GFI. "Wir müssen uns vor Augen führen, dass westliche Banken und Steueroasen den Abfluss dieser Unsummen mit zu verantworten haben."

Die Entwicklungshilfe für Afrika ist hoch. Berechnungen auf der Grundlage der Zusagen der Gruppe der Acht (G8) von 2005 zufolge erhält der Kontinent jährlich mehr als 50 Milliarden US-Dollar und ist somit extrem von internationaler Hilfe abhängig. Doch dem AfDB-GFI-Report zufolge sorgte im Zeitraum von 1980 bis 2009 ein Geflecht aus Korruption, Steuerhinterziehung, kriminellen Machenschaften und anderen Faktoren für einen Netto-Abfluss von bis zu 1,4 Billionen Dollar.

"In Entwicklungskreisen fragen wir uns häufig, wie viel der internationalen Hilfe am Ende in Afrika ankommt", erläuterte der GFI-Pressesprecher Gascoigne. In den westlichen Ländern werde häufig der Vorwurf laut, dass es Afrika trotz der seit Jahrzehnten erfolgten Zuwendungen nicht geschafft habe, der Misere zu entfliehen. "Doch unsere Untersuchungen belegen, dass mehr Geld illegal abfließt, als der Westen bereitstellt."

Gascoigne zufolge kann davon ausgegangen werden, dass auch der illegale Ressourcenabfluss aus anderen Weltregionen den Netto-Transfer der Gelder aus den Entwicklungsregionen verstärkt. Gerade in Afrika hat sich Trend im letzten Jahrzehnt verfestigt. So gehen dem Kontinent jährlich um die 30,4 Milliarden Dollar verloren, wobei die nordafrikanischen Länder 83 Prozent der Verluste erleiden.


Rohstoffreiche Länder bluten besonders aus

Das seit 30 Jahren aus Afrika abfließende Schwarzgeld stammt, anders als zu erwarten wäre, aus den rohstoffreichsten afrikanischen Ländern wie Nigeria, Libyen, Südafrika und Angola - eine Erkenntnis, die durch einen neuen Index der Organisation 'Revenue Watch Institute' (RWI) bestätigt wird, der erstmals die wirtschaftliche Abhängigkeit der Regierungen von den Rohstoffeinnahmen und die niedrigen Entwicklungsindikatoren in ein Verhältnis gesetzt hat.

RWI hat 58 Länder untersucht, auf die sich der Großteil der weltweiten Erdöl-, Kupfer-, und Diamantenproduktion konzentriert. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Profite in diesen Sektoren 2010 auf mindestens 2,6 Billionen Dollar beliefen. Das ist weit mehr, als der Westen an Hilfsgeldern bereitgestellt hatte. Doch können 80 Prozent der untersuchten Länder keine zufriedenstellenden Transparenzstandards vorweisen. Und die Hälfe hatte noch nicht einmal erste Schritte in diese Richtung unternommen.

"In den rohstoffreichen Ländern ist der Rohstoffsektor in der Regel Hauptquelle der illegal abfließenden Ressourcen", betont die AfDB-GFI-Studie und verweist in diesem Zusammenhang auf einen Hinweis des Internationalen Währungsfonds (IMF), wonach es der angolanische Erdölsektor 2002 versäumt hatte, vier Milliarden Dollar anzugeben.

Die Auswirkungen der finanziellen Verluste für die afrikanischen Staaten und deren Entwicklung liegen auf der Hand. "Der Abfluss der Finanzmittel aus Afrika im Verlauf der letzten 30 Jahre, die in etwa dem derzeitigen Bruttoinlandsprodukt entsprechen, hindert Afrika daran, sich zu entwickeln", meint Mthuli Ncube, Chefökonom und AfDB-Vizepräsident. "Afrika ist so reich an Rohstoffen. Afrika könnte in der Lage sein, den Großteil seiner Entwicklung selbst zu finanzieren."

Der neue Bericht, der am 28. Mai auf dem Jahrestreffen der Afrikanischen Entwicklungsbank in Marokko vorgestellt wurde, befasst sich nicht explizit mit den Akteuren, die für den illegalen Abfluss der Mittel verantwortlich sind. Doch die Rolle, die westliche Staaten dabei spielen, ist nicht zu übersehen.

Gascoigne zufolge wird der illegale Abfluss der Finanzmittel von westlichen Banken und Steueroasen ermöglicht, wo Briefkastenfirmen aus westlichen Ländern frei schalten und walten können, ohne steuerliche Angaben machen oder Geldwäschekontrollen fürchten zu müssen. Die westlichen Staaten müssten endlich ihrer Verantwortung nachkommen und die globale Finanzstruktur dahingehend verändern, dass die Steuerbetrügereien endlich unterbunden werden.


Globale Zusammenarbeit

Die Autoren des AfDB-GFI-Berichts empfehlen den afrikanischen Ländern und den Staaten, die die illegalen Ressourcenabflüsse absorbieren, ihre Finanzstrategien miteinander abzusprechen. Westliche Länder hätten viele Möglichkeiten, um die für Afrika so kostspieligen illegalen Geschäfte zu unterbinden.

Beobachter sind nun gespannt, was auf dem G8-Gipfel in Großbritannien Mitte Juni in dieser Hinsicht geschehen wird. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres waren Steuerhinterziehung und Steueroasen angesichts vieler leerer Haushaltskassen viel diskutierte Themen.

Der britische Premierminister David Cameron, Gastgeber des bevorstehenden Gipfeltreffens, will dem Thema Steuerhinterziehung angesichts seiner im nächsten Jahr anstehenden G8-Präsidentschaft höchste Priorität einräumen. Er läuft mit seiner Forderung nach neuen globalen Standards, die einen Austausch von Steuerinformationen möglich machen, offene Türen ein. Die EU-Länder haben sich weitgehend hinter den britischen Standpunkt gestellt. Bleibt abzuwarten, ob die USA, Kanada, Japan und Russland an einem robusten Instrument zur Bekämpfung der Finanzbetrügereien interessiert sind.

"Die Finanzabflüsse zu verhindern, sollte für die politischen Entscheidungsträger in Afrika und im Westen wichtigste Aufgabe sein. Sie schaffen und sorgen für ein miserables Geschäftsklima und eine schlechte Regierungsführung", meinte der GFI-Chefökonom und ehemalige Weltbankexperte Dev Kar. "Geringere Wachstumsraten erhöhen die Abhängigkeit von Hilfsgeldern, was wiederum dazu führt, dass ausländische Steuerzahler für die Defizite aufkommen müssen." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.gfintegrity.org/storage/gfip/documents/reports/AfricaNetResources/gfi_afdb_iffs_and_the_problem_of_net_resource_transfers_from_africa_1980-2009-web.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/05/africa-net-creditor-to-rest-of-world-new-data-shows/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 29. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2013