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FRIEDEN/0994: Tzipi Livnis Rückzugsgefecht (SB)



Die von der Wahlsiegerin der israelischen Parlamentswahlen, Tzipi Livni, in den USA abgegebene Erklärung, man müsse auf die Hälfte des biblischen Landes Israel verzichten, um den jüdischen Charakter des Staats zu bewahren, wird die Chancen der Kadima-Partei auf Bildung der nächsten Regierung nicht eben vergrößern. Mit dieser Positionierung gegenüber ihrem Konkurrenten Benjamin Netanjahu, dessen Likud-Partei zwar einen Sitz weniger als Kadima erhalten hat, dessen Rechtsblock jedoch über eine Mehrheit von 65 der 120 Sitze in der Knesset verfügt, betreibt Livni ein Rückzugsgefecht und gibt bereits den Kurs für die künftige Oppositionsarbeit vor.

Netanjahu baut mit seiner Linie, zu keinerlei Zugeständnissen an die Palästinenser bereit zu sein, die einem einseitigen Rückzug wie dem Abzug aus dem Gazastreifen vor vier Jahren gleichkämen, auf das im Krieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens gefestigte Selbstverständnis vieler Israelis, als ohnehin in seinem Friedenswillen verkanntes und in seinen Sicherheitsinteressen mißachtetes Volk nun erst recht auf eine Politik der Stärke zu setzen. Er ist in dieser Hinsicht weit glaubwürdiger als die amtierende israelische Außenministerin, die die massiven Angriffe auf den Gazastreifen ohne Abstriche als Verteidigung der eigenen Sicherheit gerechtfertigt und damit die Basis für einen die Interessen der Palästinenser berücksichtigenden Frieden auf längere Sicht zerstört hat.

Die von Livni aufgegriffene Politik des einseitigen Disengagements Ariel Sharons hat allerdings nie ein anderes Ziel verfolgt. Der ehemalige Ministerpräsident hatte den Abzug der israelischen Siedler und Soldaten aus dem Gazastreifen unter der Behauptung vollzogen, auf palästinensischer Seite über keinen Verhandlungspartner zu verfügen. Damit verschaffte er sich die Freiheit, die Lebensbedingungen der Palästinenser ohne jegliche Möglichkeit der Betroffenen, ihre eigenen Vorstellungen einzubringen, diktieren zu können. Die dadurch geförderte Entscheidung der Palästinenser, mit der Hamas politische Vertreter zu wählen, die ihre Interessen auf entsprechend konsequente Weise verfolgen, hat die international unterstützte Politik der innerpalästinensischen Spaltung begünstigt und zu einer deutlichen Stärkung der Position Israels geführt.

Eine Kriegführung, die maximale Schäden beim Gegner bei minimalen Verlusten auf der eigenen Seite zeitigt, wäre ohne den von Netanjahu beklagten Rückzug aus dem Gazastreifen nicht möglich gewesen. Der Likud-Chef erntet die Früchte der Politik Sharons, ohne dessen strategisches Geschick anzuerkennen, vor allem aus dem Grund, nun jedes Zurückweichen als ausschließliches Zeichen politischer Schwäche anprangern zu können. Livni kann, selbst wenn sie dem Rezept Sharons folgte und die Preisgabe besetzter Gebiete ohne Einbeziehung der Palästinenser vollzöge, in der jetzigen Situation nur verlieren. Die brutale Gewaltanwendung, die sie mitzuverantworten hat, wurde durch den Rechtsruck bei den Parlamentswahlen positiv bestätigt. Ein politischer Kurswechsel im Verhältnis zu den Palästinensern bedarf nun um so mehr einer grundlegenden Korrektur des zionistischen Selbstverständnisses, und gerade dafür gibt es keinen Anhaltspunkt.

17. Februar 2009