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FRIEDEN/1031: Obamas ambitionierte Nahostpolitik in Rekordzeit als Truggebilde entlarvt (SB)



Die Ankündigung des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, nicht mehr für sein Amt zu kandidieren, ist das Ergebnis der systematischen Schwächung seiner Position. Zwar haben am Sonntag einige Tausend seiner Anhänger im Westjordanland dafür demonstriert, daß er seine Entscheidung rückgängig macht, und auch der israelische Präsident Shimon Peres fordert ihn auf, jetzt nicht aufzugeben. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu jedoch scheint nicht unzufrieden mit der Entwicklung zu sein, wie seine Erklärung erkennen läßt, er wolle sich nicht in innerpalästinensische Angelegenheiten einmischen. Mit dem Rückzug Abbas' kann er auf die bereits von Ariel Sharon geprägte Strategie zurückgreifen, laut der Israel über keinen Verhandlungspartner unter den Palästinensern verfüge und daher unilaterale Entscheidungen treffen müsse.

US-Außenministerin Hillary Clinton hat mit der Behauptung, ein Siedlungsstopp der Israelis wäre niemals Voraussetzung von Friedensverhandlungen gewesen, und dem überschwenglichen Lob auf Netanjahus Ankündigung, daß er den Ausbau der Siedlungen verlangsamen und nicht etwa einstellen wolle, direkten Anteil an der Demontage des Fatah-Chefs. Sie hat bereits angekündigt, mit Abbas auch in Zukunft gerne zusammenzuarbeiten, welches Amt auch immer er bekleide. Derart in die Wüste geschickt wäre Abbas schlecht beraten, seine offenkundige Schwäche zu Markte zu tragen, um auch noch den Rest der ihm verbliebenen Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Die Kapitulation des Nachfolgers Jassir Arafats vor den ihn allem Bemühen, sich den USA als kooperativer Partner bei der Lösung des Nahostkonflikts anzudienen, zum Trotz massiv benachteiligenden Umständen der Washingtoner Nahostdiplomatie markiert das Ende des erst wenige Monate alten Aufbruchs, mit dem US-Präsident Barack Obama den Eindruck erweckt hat, sein Ohr im Unterschied zu seinem Vorgänger nicht nur der israelischen Seite zu leihen. Seine berühmte Kairoer Rede vom 4. Juni 2009 war, wie bei genauer Analyse bereits damals zu erkennen, eine durch keinerlei Verpflichtung gedeckte Absichtserklärung, mit der vor allem für gute Stimmung in den arabischen Hauptstädten gesorgt werden sollte.

In den darauffolgenden fünf Monaten hat die US-Regierung nichts ausgelassen, das dazu geeignet war, die in Obama gesetzten Friedenshoffnungen zu zerschlagen. Die von ihm an die Adresse Israels gerichtete Minimalforderung, den Ausbau der Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem zu beenden, wurde von der Regierung Netanjahu ignoriert, ohne daß der US-Präsident zu einem der zahlreichen ihm zur Verfügung stehenden Druckmittel gegriffen hätte. Israel ist wirtschaftlich wie militärisch in erheblichem Ausmaß von den USA abhängig, doch Obama vermied es tunlichst, auch nur über die Androhung, geschweige denn Anwendung wirksamer Maßnahmen gegenüber der israelischen Regierung nachzudenken. Während sich die sogenannte Drohkulisse gegenüber dem Irak als alles andere als eine solche erwies und zum Tod von Millionen Menschen führte, während die US-Regierung gegenüber dem Iran härteste Sanktionen in Aussicht stellt, sollte die Regierung in Teheran nicht den an sie gerichteten Forderungen nachkommen, scheint sich die israelische Regierung ihres Einflusses so sicher zu sein, daß sie Obama ungestraft am Nasenring durch die globale Manage führt.

Der Opportunismus des US-Präsidenten wurde durch die Farce um den Goldstone-Report noch mehr zur Kenntlichkeit entstellt, dementiert die vorbehaltlose Verteidigung Israels gegen die wohlbegründeten Vorwürfe, beim Überfall auf Gaza Kriegsverbrechen begangen zu haben, doch den angeblich werteorientierten Charakter der US-Außenpolitik auch an jedem anderen Ort der Erde. Die Terminierung des Angriffs auf Gaza zwischen der Wahl Obamas und seiner Inauguration als Präsident erweist sich aus heutiger Sicht erst recht als wohlüberlegter Schachzug, mit dem der künftige Staatschef der USA auf die Nahostpolitik seines Vorgängers festgelegt wurde. In Anbetracht der massiven Unterstützung, mit der Israels Hausmacht im US-Kongreß jede nur erdenkliche Maßnahme torpediert, die die Position der Palästinenser stärken könnte, mußte Obama damit rechnen, daß er mit jedem ernstgemeinten Engagement für den sogenannten Friedensprozeß Gefahr läuft, sein Amt auf irreparable Weise zu beschädigen.

Dementsprechend läuft auch das Projekt palästinensischer Wahlen von Anfang an auf die schlechten Alternativen hinaus, daß sie entweder ganz und gar scheitern oder die innerpalästinensische Spaltung vertiefen. Indem die US-Regierung ankündigte, einer Einheitsregierung, die die Hamas einschließt, jegliche Unterstützung zu entziehen, nötigte sie Abbas dazu, die islamistische Regierungspartei auszumanövrieren. Dies versuchte er, indem er für Januar Wahlen mit oder ohne Gaza festlegte. Die Hamas ließ sich jedoch nicht in Zugzwang bringen, sondern verwahrte sich gegen dieses durchsichtige Manöver, indem sie entgegnete, nur deshalb nicht an den Wahlen teilzunehmen, weil deren Ausrichtung nicht unter Zustimmung aller Beteiligten zustandekommen sei. Dem Ansehen Abbas' als Präsident aller Palästinenser kam es kaum zugute, auf eine Weise vorzupreschen, die zeigt, daß er an der Teilnahme der Hamas nicht wirklich interessiert ist.

Vor allem jedoch haben die Palästinenser nicht vergessen, daß die Hamas vor knapp vier Jahren in demokratischen Wahlen einen Sieg davontrug, nur um von den USA und ihren Verbündeten dafür massiv abgestraft zu werden. Den Palästinensern soll auch jetzt keine freie Wahl bleiben, mit der sie eine Partei an die Regierung bringen könnten, die ihre Forderungen streitbarer vertritt als eine Marionette in den Händen der US-Regierung. Im Nahen und Mittleren Osten ist man sich sehr bewußt darüber, welche Rolle Washington bei der fortgesetzten Spaltung und Schwächung der Palästinenser spielt. Wenn Obama einen Preis verdient hat, dann für das Tempo, mit dem er seine angebliche Friedensabsicht in diesem Konflikt durch praktische Politik dementiert hat.

Sie dazu auch unter POLITIK/KOMMENTAR:

HEGEMONIE/1549: Obama auf blutige Allianz mit Israel eingeschworen (SB)

HEGEMONIE/1596: Durchsichtiges Revirement der US-Interessen in Nahost (SB)

9. November 2009