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FRIEDEN/1066: Unglaubwürdige Offerte Barack Obamas an die Bevölkerung Gazas (SB)



Obwohl von den USA selbst mitinitiiert hat US-Präsident Barack Obama Israel aufgefordert, die Abriegelung Gazas noch einmal zu überdenken. Anläßlich eines Besuchs von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Mittwoch in Washington sprach er sich für einen "neuen konzeptionellen Rahmen" aus, mit dem sich die Lebenslage der Bevölkerung Gazas verbessern ließe. Langfristig jedoch wäre das Problem nur durch die Bildung eines palästinensischen Staates und die Gewährleistung der Sicherheit Israels zu bewältigen, so Obama in einer Stellungnahme, die frei von jeglicher Verurteilung Israels ob der völkerrechtswidrigen Belagerung Gazas wie ob des jüngsten Überfalls auf die Gaza Freedom-Flottille war.

US-Vizepräsident Joe Biden konferierte am Montag in Ägypten mit Präsident Hosni Mubarak und ist nun ebenfalls der Ansicht, man müsse neue Möglichkeiten finden, "die humanitären, ökonomischen, sicherheitstechnischen und politischen Aspekte der Situation in Gaza anzusprechen." Auch er beschwor einen baldigen Fortschritt in der Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern, als wäre er mit diesem Anliegen nicht noch vor wenigen Monaten auf eklatante Weise gescheitert.

Der Konflikt zwischen den Regierungen in Washington und Tel Aviv über die Weigerung der Regierung Benjamin Netanjahus, sich zur Einleitung eines Friedensprozesses auch nur ein wenig zu bewegen und Zugeständnisse in der Siedlerfrage zu machen, demonstrierte im März ein Ausmaß an nichtvorhandener Bereitschaft der US-Administration, Israel zu Schritten zu nötigen, die der US-Außenpolitik zuträglich wären, daß man tatsächlich zu der Auffassung gelangen konnte, daß der Schwanz mit dem Hund wedelte. Dabei belegte das mißlungene Manöver lediglich die Schwäche der Obama-Regierung vor dem Hintergrund machtpolitischer Verhältnisse im eigenen Land, an denen zu rühren der US-Präsident seitdem kaum mehr versucht hat.

So gut wie alles, was Obama der arabischen Welt in seiner Grundsatzrede am 4. Juni 2009 in Kairo, die einen Neubeginn im Verhältnis der USA zum Nahen und Mittleren Osten markieren sollte, versprach, hat sich in Luft aufgelöst. Der von ihm selbst aufgerufene Maßstab, man müsse ihn an seinen Taten messen, da Worte die Bedürfnisse der Menschen nicht befriedigen könnten, belegt ein Jahr später, daß keine der wesentlichen Versprechungen eingehalten wurde. Die Schließung des gerade in der islamischen Welt berüchtigten Lagers Guantanamo blieb aus, das Ende des Ausbaus israelischer Siedlungen auf palästinensischem Gebiet zu fordern erwies sich als ausgesprochenes Eigentor des US-Präsidenten, die versprochene Beendigung der humanitären Krise in Gaza mündete in die finanzielle Unterstützung der Unterbindung des Tunnelbaus an der Grenze Gazas nach Ägypten, sprich ihre Verschärfung. Obamas Verurteilung des Tötens unschuldiger Männer, Frauen und Kinder erwies sich nicht nur dadurch, daß die USA Israel in jeder Hinsicht gegen eine Verurteilung unter anderem durch den Goldstone-Report wegen des Überfalls auf Gaza in Schutz genommen haben, als bloße Pose. Auch der von den USA in Pakistan geführte illegale Krieg mit ferngesteuerten Drohnen widerspricht allem, was Obama an ethisch-moralischen Ansprüchen in Kairo formulierte.

Dementsprechend unglaubwürdig ist der Versuch der US-Regierung, in Anbetracht der weltweiten Empörung über den Überfall auf die Gaza Freedom-Flottille nun den Eindruck zu erwecken, ihr liege das Schicksal der Bevölkerung Gazas am Herzen. Allein daß Obama die von ihm freigesetzte Hilfe in Höhe von 400 Millionen Dollar, dessen größerer Teil ohnehin im Westjordanland verwendet wird, an die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah überweist, um die Hamas-Regierung in Gaza zu umgehen, zeigt, daß es in der US-amerikanischen Herangehensweise an den Konflikt zu keiner Veränderung kommt.

Es gibt kein erkennbares Signal aus Washington, die Spaltung der Palästinenser dadurch zu überwinden, daß die Legitimität der Hamas als demokratisch gewählte Regierungspartei und Vertreterin palästinensischer Interessen nicht weniger anerkannt wird, als es bei der Fatah der Fall ist. Daß es zu dieser Spaltung, die die ohnehin schwache Position der Palästinenser noch mehr geschwächt hat, gekommen ist, war Ergebnis der US-amerikanischen Obstruktionsstrategie, den Wahlerfolg der Hamas frühzeitig mit Hilfe der Fatah zunichte zu machen. Da der angeblich terroristische Charakter der Hamas als wesentlicher Grund für die Abriegelung Gazas angegeben wird, wäre die Aufhebung der diplomatischen Isolation der Partei ein Schritt, mit dem die US-Administration ein echtes Zeichen ihrer Glaubwürdigkeit setzen könnte.

Wie die Weigerung der US-Regierung gezeigt hat, den Überfall auf die Gaza Freedom-Flottille zu verurteilen, hat man in Washington lediglich ein kleineres PR-Problem. Man will nicht selbst durch die ungebrochene Rückendeckung für Israel, das ohne die milliardenschwere Militärhilfe der USA in einer sehr viel schwächeren strategischen Position wäre, an Ansehen verlieren. Daher ist Obamas Bekenntnis zum Friedensprozeß nicht mehr als eine Pflichtübung, weiß der US-Präsident doch, daß ein solcher nicht zustandekommen wird, wenn Israel weiterhin eine militärische Bastion der US-Hegemonie in der Region bleiben wird. Die ungebrochene Nötigung des Irans zu Zugeständnissen in der Atomfrage bei gleichzeitiger Akzeptanz der israelischen Atomrüstung trifft eine sehr viel verläßlichere Aussage über die Interessen der USA in der Region, als es lahme Versuche tun, die menschenfeindlichen Folgen dieser Politik durch die Bekundung guter Absichten verwischen zu wollen.

11. Juni 2010