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HEGEMONIE/1553: Massaker unter dem Mikroskop globaler Ordnungspolitik (SB)



Mit der Ankündigung, unmittelbar nach seiner Amtseinführung am 20. Januar eine Vermittlungsmission in Nahost zu beginnen, bricht der designierte US-Präsident Barack Obama sein Schweigen zum Krieg Israels gegen die Palästinenser. Doch schon das Dementi zur Aussage eines seiner Berater, er wäre bereit, mit der Hamas auf Geheimdienstebene Kontakt aufzunehmen, zeigt, daß er ganz auf der Linie der israelischen Außenministerin Tzipi Livni liegt, die vor kurzem hat verlauten lassen, daß man "nicht die Absicht hat, eine diplomatische Übereinkunft mit der Hamas zu erzielen. Wir brauchen diplomatische Übereinkünfte gegen die Hamas."

Zu einer solchen dürfte Obama zweifellos bereit sein. Indem er die Hamas ohne Abstriche als "Terrororganisation" brandmarkt, entspricht er der Strategie der noch amtierenden US-Administration, die vor drei Jahren von der palästinensischen Bevölkerung gewählte Regierungspartei zu boykottieren und nach Möglichkeit so zu schwächen, daß man den Palästinensern eine Regierung von Gnaden Washingtons und Tel Avivs aufoktroyieren kann. Daß die künftige US-Administration dazu verpflichtet sein könnte, den Verbündeten Israel zur Einhaltung der Resolution 1860 des UN-Sicherheitsrats zu drängen, ging aus Obamas Stellungnahme gegenüber dem US-Fernsehsender ABC nicht hervor.

Statt dessen bestätigte er das Recht Israels auf Selbstverteidigung, was anläßlich der Tatsache, daß 2008 bis zum Beginn der israelischen Aggression gegen die palästinensische Bevölkerung am 27. Dezember nicht ein Bürger Israels durch eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete zu Tode kam, einigermaßen absurd ist. Schließlich kamen in dem gleichen Zeitraum zahlreiche Palästinenser bei Übergriffen des israelischen Militärs ums Leben, doch von deren Selbstverteidigungsrecht will der künftige US-Präsident nichts wissen.

Insofern ist auch seine Ankündigung, seine Regierung werde eine "neue Haltung" gegenüber dem Iran einnehmen, wenig glaubwürdig. Indem er behauptet, "wir haben eine Situation, in der der Iran durch Hamas und Hisbollah Terrorismus nicht nur exportiert, sondern auch noch eine nukleare Aufrüstung verfolgt, die zu einem atomaren Wettlauf führen kann" (Deutschlandfunk, 12.01.2009), bezieht er die neokonservative Maximalposition gegenüber der Regierung in Teheran. Wie sich dies mit der von ihm erklärten Absicht vereinbaren läßt, "ein neues Gewicht auf Respekt und eine neue Bereitschaft für Gespräche" gegenüber Teheran an den Tag zu legen, erklärt sich daraus, daß er zuvor wissen will, was am Ende dabei herauskommt. Im Klartext heißt dies, seine Regierung wird wie bisher ultimative Forderungen wie etwa die Einstellung der Urananreicherung an Teheran stellen, die ergebnisoffene Verhandlungen von vornherein unmöglich machen. Wie man aus einer solchen Haltung der Suprematie heraus etwas anderes als Erzwingungsmaßnahmen ergreifen kann, wird sein Kriegskabinett auch nicht wissen wollen.

Obama übernimmt am 20. Januar das Erbe mehrerer Kriege im Nahen und Mittleren Osten, die wesentlich von den geostrategischen Interessen der USA geprägt sind. US-Außenministerin Condoleezza Rice nannte die Bombardierung des Libanon durch die israelische Luftwaffe vor zweieinhalb Jahren "Geburtswehen eines neuen Mittleren Ostens". Die von ihr proapagierte Neuordnung der Region findet zum Ende der Amtszeit ihrer Regierung in der militärischen Zerschlagung der Hamas und der Zerstörung Gazas den bezeichnenden Ausdruck imperialistischer Selbstherrlichkeit.

Geboren wurde dank der massiven politischen, militärischen und finanziellen Unterstützung Washingtons ein immer aggressiver und rücksichtsloser vorgehendes Israel, dessen Regierung weiß, daß sie sich praktisch jede Willkür leisten kann, ohne dafür von der sogenannten internationalen Gemeinschaft zur Rechenschaft gezogen zu werden. Geboren wurde ein Irak, dessen Bevölkerung, in ethnisch-religiöse Parzellen aufgespalten, miteinander um Macht und Pfründe konkurriert, um dem lachenden Dritten auch in Zukunft nicht Paroli bieten zu können. Geboren wurde ein Dauerkrieg in Afghanistan, der mit unabsehbaren Konsequenzen auf Pakistan überzugreifen droht. Geboren wurden vor allem Menschen, die schon in frühen Jahren in ihren Todeskampf gestoßen werden, da das Füllhorn der kapitalistischen Globalisierung für sie nichts als Hunger und Schmerzen vorsieht.

Welche Hoffnungen auch immer in Obama gestellt werden, er wird sie mit der Kontinuität enttäuschen, die vom Präsidenten einer imperialistischen Großmacht erwartet wird. Dies gilt um so mehr, als die schwere Wirtschaftskrise, in denen sich die USA befinden, der Administration in Washington zusätzliche Gründe dafür an die Hand gibt, die eigene Stellung als globale Führungsmacht und die daraus gezogenen ökonomischen Vorteile auf kriegerische Weise zu verteidigen. Das wie unter dem Mikroskop interessenpolitischer Ermächtigung stattfindende Massaker an der palästinensischen Bevölkerung wirft mit der Außerkraftsetzung aller menschen- und völkerrechtlichen Regeln und der grotesken Umwertung des dort exekutierten Gewaltverhältnisses den Schatten der globalen Ordnungspolitik über die wie paralysiert auf die Monstrosität des Geschehens starrende und kommenden Unheils harrende Weltbevölkerung.

12. Januar 2009