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HEGEMONIE/1585: BRD kollaboriert mit drakonischer Terrorjustiz der Türkei (SB)



Die vom Deutschen Bundestag herausgegebene Wochenzeitung Das Parlament ist nicht dafür bekannt, Sympathien für sogenannte terroristische Organisationen zu hegen. Dennoch findet sich in der Ausgabe vom 6./14. April, die der Zukunft des Parlamentarismus gewidmet ist, eine Auflistung von fünf Vorkämpfern der Demokratie, unter denen sich neben so bewährten, überall vorzeigbaren Namen wie Mahatma Gandhi und Nelson Mandela auch die kurdische Politikerin Leyla Zana findet. Die Würdigung ihres Einsatzes für die Rechte der Kurden in der Türkei, den sie bereits zwischen 1994 und 2004 mit zehn Jahren Haft büßte, endet mit dem Satz: "Im April und Dezember 2008 wurde Zana allerdings erneut zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie sich weigerte, die kurdische PKK als Terroristenorganisation zu bezeichnen".

Zwar wird die PKK in der Bundesrepublik seit der Gewaltsverzichterklärung ihres Führers Abdullah Öcalan nurmehr als kriminelle Vereinigung geführt, doch ist die Bundesregierung zugleich daran beteiligt, sie auf der Terrorliste der EU, in der Personen und Gruppen auf antidemokratische Weise stigmatisiert und verfolgt werden, als terroristische Vereinigung zu brandmarken. Zudem erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am 17. Juli 2008 nach einer glimpflich verlaufenen Entführung deutscher Bergsteiger, die im Zusammenhang mit dem Verbot des Senders erfolgte: "Die PKK war und ist eine terroristische Vereinigung".

Nun setzt sich Das Parlament nicht für die PKK ein, sondern für das Recht der 48jährigen Leyla Zana auf Meinungsfreiheit. Andererseits kann nicht gerade von demokratischem Engagement für diese mutige Frau gesprochen werden, wenn die Kollaboration der Bundesrepublik bei der Kriminalisierung der PKK, die in den letzten Jahren mit zahlreichen Initiativen versucht hat, mit dem türkischen Staat eine gewaltfreie Lösung für die Situation der Kurden im Land auszuhandeln, und der Unterdrückung der in der Türkei lebenden Kurden in diesem Zusammenhang völlig ausgespart wird.

Das gilt um so mehr, als die Meinungsfreiheit der in Deutschland lebenden Kurden keineswegs respektiert wird. So wurde zwar das vom Bundesinnenministerium 2005 über die PKK-nahe Zeitung Özgür Politika verhängte Verbot aus Rechtsgründen, also ohne Überprüfung der in Anspruch genommenen Verbotsgründe, wieder aufgehoben, doch der kurdische Sender Roj TV wurde letztes Jahr verboten. Das Bundesinnenministerium lastet den Betreibern des in Dänemark lizensierten Fernsehkanals an, gegen den "Gedanken der Völkerverständigung" zu verstoßen, indem er "Haß zwischen Menschen türkischer und kurdischer Volkszugehörigkeit" schüre. Abgesehen davon, daß die in der Türkei lebenden Kurden gerade dafür kämpfen, die Verständigung zwischen den Völkern auf der Basis gegenseitigen Respekts, also der Anerkennung auch ihrer Interessen, zu verbessern, müßte das Bundesinnenministerium laut dieser Begründung alle Zeitung und Sender verbieten, in denen aus Sicht der türkischen Mehrheitsbevölkerung gegen kurdische Aktivisten gehetzt wird.

Die Meinungsfreiheit der Kurden wird nicht nur in der Türkei negiert, sie wird auch in der Bundesrepublik massiv eingeschränkt. Als Leyla Zana im Dezember 2008 unter dem Vorwurf, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, weil sie die PKK in einer Presseerklärung nicht als Terrororganisation brandmarkte und Öcalan als Führer des kurdischen Volks bezeichnete, hatte das auf die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Ankara keinerlei Einfluß. Die Türkei ist als Handelspartner und NATO-Staat viel zu wichtig, als daß die Rechte von Kurden nennenswertes Gewicht besässen. Indem Bundesrepublik und EU die PKK weiterhin kriminalisieren, ohne die massive Repression gegen Kurden in der Türkei explizit zu verurteilen und sich um eine für alle Beteiligten gerechte Einigung zu bemühen, sind sie mittelbar daran beteiligt, daß Vorkämpfer für demokratische Rechte wie Leyla Zana ihren Mut mit einem Leben hinter Gittern bezahlen müssen.

Welche Untiefen diese Form von Kollaboration aufweist, zeigte sich, als US-Präsident Barack Obama die Ernennung des dänischen Regierungschef Anders Fogh Rasmussen zum NATO-Generalsekretär gegen die Einwände der türkischen Regierung unter anderem dadurch ermöglichte, daß er Rasmussen bedrängte, Roj TV auch in Dänemark verbieten zu lassen. Rasmussen, der sich im Streit um die Mohammedkarikaturen noch als Vorkämpfer der Pressefreiheit und einer liberalen Rechtsordnung ausgab, will nun prüfen, ob der Sender in terroristische Aktivitäten verwickelt ist: "Wir nehmen die türkischen Hinwendungen sehr ernst, denn wir sind gegen jede Form von Terrorismus" (Zeit, 04.04.2009). Indem der künftige NATO-Generalsekretär eilfertig bekundete, sich an der Unterdrückung der türkischen Kurden zu beteiligen, stellte er seine prinzipielle Bereitschaft unter Beweis, unter dem Titel der Terrorismusbekämpfung alle möglichen Formen politischer Opposition gewaltsam zu unterdrücken.

Einmal mehr geraten die Kurden als schwächstes Glied in der Kette unter die Räder einer machtpolitischen Formation, für die demokratische Rechte bestenfalls Feigenblattfunktion haben. Die in dieser Hinsicht ohnehin blauäugige Wochenzeitung des Deutschen Bundestags wäre gut beraten, sich nicht mit falschen Federn zu schmücken und am Ende möglicherweise dazu genötigt zu sein, nach Maßgabe der transnationalen Terrorismusbekämpfung Abbitte leisten zu müssen.

11. April 2009