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HEGEMONIE/1632: In Honduras hat keine Wahl stattgefunden (SB)



Von Washington lernen, heißt siegen lernen, muß wohl das Motto der Putschisten in Honduras gewesen sein. Auf wessen Mist der Plan gereift ist, den unerwünschten Präsidenten zu stürzen, die folgenden Monate mit einer Hinhaltetaktik zu überbrücken und das Zwischenspiel schließlich mittels Neuwahlen für beendet zu erklären, wird vermutlich nie restlos geklärt werden. Daß es sich wie vielfach kolportiert um einen Alleingang der Machthaber in Tegucigalpa gehandelt hat, darf bezweifelt werden, da das Land der Brückenkopf der US-amerikanischen Streitkräfte und Geheimdienste in Mittelamerika ist. In jedem Fall hat der Umsturz dem weiteren Vordringen der lateinamerikanischen Sammelbewegung im Dunstkreis des "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" Einhalt geboten, weshalb er seitens der US-Administration mit Sicherheit begrüßt wurde - mit tadelndem Zeigefinger von den einen, unter Schulterklopfen von den andern. Hätte die Obama-Regierung tatsächlich die Absicht gehabt, sich derartiges Gebaren eines mittelamerikanischen Armenhauses nicht bieten zu lassen und Manuel Zelaya ins Amt zurückzubringen, wäre es ihr ein leichtes gewesen, einschneidende Sanktionen zu verhängen und die Putschisten in die Knie zu zwingen, was bekanntlich nicht geschah.

Wer meint, die von Obama in Aussicht gestellte neue Lateinamerikapolitik der USA bestehe darin, dem Südkontinent endlich Luft zu lassen oder gar die Hegemonialmacht zu beenden, gibt der Naivität den Zuschlag. De facto führt die aktuelle US-Administration das Werk der Vorgängerregierung fort und perfektioniert die als nationales Aufbegehren getarnte Strategie der gewaltsamen Sturzes unerwünschter Regierungen. Was im April 2002 beim Putschversuch gegen Hugo Chávez in Venezuela noch gescheitert ist und bei der Entmachtung Jean-Bertrand Aristides im Februar 2004 in Haiti nur mit ersichtlicher Brachialgewalt und beträchtlichen Unwuchten gelang, kommt im Honduras des Jahres 2009 als eine fast schon leichtfüßige Inszenierung daher, welche die hintergründige Regieführung kaum noch erkennen läßt. Das ist die innovative Leistung Barack Obamas, daß sich die USA für eine gewisse Frist die Hände in Unschuld waschen können, während sich der Rest der Welt von dieser Darbietung blenden läßt.

Angefangen vom Abkommen von San José, das der von Washington favorisierte Präsident von Costa Rica und Friedensnobelpreisträger, Oscar Arias, entworfen hatte, bis hin zum perfiden Entwurf Thomas Shannons trägt der gesamte Prozeß der Entmachtung Zelayas in hohem Maße die Handschrift der US-Regierung, die stets vorhielt, sie wolle sich in die inneren Angelegenheiten des Landes nicht einmischen, womit sie ihren Marionetten den Rücken freihielt. Sollte das Putschregime wider Erwarten über keine direkten Drähte nach Washington verfügt haben, so wußte es jedenfalls die Signale der Obama-Administration zu interpretieren: Aus dieser entscheidenden Richtung drohte ihm keine Gefahr, es stand im Gegenteil zwischen den Zeilen klammheimliche Unterstützung zu lesen.

Die Vorreiterrolle der US-Regierung bei der Anerkennung der Wahlfarce in Honduras zeigt zweifelsfrei, wohin der Hase nicht erst seit gestern läuft. Das Land ist gespalten, die Krise nicht beendet, es bleibt Gefahr im Verzug. Bietet nicht die Wahl die bestmögliche Gelegenheit, endlich einen Schlußstrich zu ziehen und Versöhnung herbeizuführen? In diesen Sirenengesang der alten und neuen Machthaber in Tegucigalpa und ihrer Lehensherrn in Washington stimmen zahllose journalistische Kolporteure ein, die es als Kompromiß verkaufen wollen, wenn die eine Seite komplett über den Tisch gezogen wird.

Es gibt nur einen legitimen Staatschef von Honduras, und der heißt Manuel Zelaya, auch wenn er nach wie vor im Schutz der brasilianischen Botschaft festsitzt und an der Rückkehr in den Präsidentenpalast gehindert wird. Das Land hat derzeit keine Regierung, die durch einen demokratischen Auftrag mandatiert wäre. Folglich hat es am Wochenende auch keine Wahlen gegeben - sofern man nicht der Auffassung Vorschub leisten möchte, daß das diktatorische Regime einer Oligarchie die bestmögliche und unterstützenswerte Form der Herrschaftsausübung ist. Wenn es also keine Wahlen gegeben hat, die diesen Namen verdienen, erübrigt sich die Frage, ob man diese Inszenierung zu allem Überfluß auch noch anerkennen sollte.

30. November 2009