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HERRSCHAFT/1436: (K)ein Aprilscherz - Von Guttenberg ist Attac beigetreten (SB)



Am Mittwoch ist Bundeswirtschaftsminister Karl Theodor von Guttenberg Attac beigetreten, meldete das globalisierungskritische Netzwerk am 1. April. Wie peinlich. Der Scherz, denn um einen solchen handelte es sich, geht nach hinten los. Mag sich die lupenreine unternehmerfreundliche Politik, für die der Name Guttenberg steht, oberflächlich gesehen auch deutlich von den Forderungen Attacs nach strenger regulierten Märkten unterscheiden - die Positionen sind näher beisammen, als es die Mitglieder des Netzwerks gerne sähen. Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn sich der einflußreiche Vertreter der kapitalistischen Ideologie eine Attac-Anstecknadel ans Revers geheftet hätte.

Fraglos könnte man es als gelungenen Scherz abtun, wenn ausgerechnet die Pressesprecherin jenes losen Verbunds an Einzelpersonen und Organisationen Guttenbergs Beitritt als Erfolg feiert. Wörtlich schrieb sie zu seinem vermeintlichen Beitritt: "Das zeigt, dass Attac nicht nur in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, sondern unsere Forderungen endlich auch in der Bundesregierung Gehör finden. Die derzeitige Entwicklung der Weltwirtschaft ist derart dramatisch, dass sie auf ein völlig neues Fundament gestellt werden muss."

Ein völliges neues Fundament - wäre das nicht etwas, das auch Guttenberg hätte propagieren können? Und finden nicht die Attac-Vorstellungen tatsächlich Gehör in der Bundesregierung? Ja und nochmals ja. Wer je geglaubt hat, daß es Attac um etwas anderes gegangen war, als mit am Tisch der Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft zu sitzen, hat sich getäuscht. Gegründet wurde das Netzwerk 1998 nach einer Anregung eines Leitartikels von Ignacio Ramonet in der französischen Zeitung "Le Monde diplomatique". Er schlug die Einführung einer sogenannten Tobin-Steuer vor. Auf sämtlichen spekulativen Kapitalverkehr sollte eine Steuer von 0,1 Prozent erhoben werden. Die Einnahmen sollten dann als Sozialausgleich oder auch als Entwicklungshilfe verwendet werden.

Folgerichtig durfte sich Ramonet nicht für die Abschaffung des globalen Finanzsystems einsetzen, denn dann hätte es keine Einnahmen aus der Tobin-Steuer gegeben. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wenn Hedge Fonds und andere "Heuschrecken" nur immer kräftig Handel mit spekulativen Werten betreiben, dabei womöglich Volkswirtschaften in die Bredouille bringen und zur Verelendung der Bevölkerung von der ersten bis zur vierten Welt beitragen, wären die Einnahmen aus der Tobin-Steuer gestiegen. Mit diesem Konzept liegt Attac sicherlich noch nicht beispielsweise auf der Linie der Beschlüsse des G-20-Gipfels, aber es ist eine gewisser Gleichklang auf dem Gebiet der Regulierung zu beobachten, die Unterschiede zu Guttenbergs Regierungspolitik sind zwar von erheblicher, so doch vornehmlich von gradueller Natur.

Wenn sich Attac als "globalisierungskritisches" Netzwerk bezeichnet, dann verfolgt es kein emanzipatorisches oder gar eliminatorisches Anliegen, sondern ein reformistisches. Damit wird unmißverständlich der Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe zum Ausdruck gebracht. Insofern erweist sich die scherzhafte Behauptung, Attac sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen, als Versuch, sich mit einer politischen Außenseiterposition zu zieren, deren Anspruch man nicht zu decken vermag: Die Bewegung hat die Mitte der Gesellschaft nie verlassen.

Aprilscherze funktionieren bekanntlich nur, wenn sie von dem Genasweisten für möglich gehalten werden können. Daß jemand wie Guttenberg - Ex-Unternehmer, Wirtschaftsminister, Gründungsmitglied des Thinktanks European Council on Foreign Relations (ECFR) und Sproß einer alten deutschen Adelsfamilie - Attac-Mitglied hätte werden können, zeigt die Kompatibilität der Bewegung, die zwar ihr Ziele inzwischen weiter gefaßt hat als bei ursprünglichen Forderung nach einer Tobin-Steuer, die aber niemals angetreten war, die vorherrschende Ordnung an sich in Frage zu stellen. Die Kritik bleibt von ihrem Anspruch her systemimmanent und trägt auf diese Weise dazu bei, die gesellschaftlichen Verhältnisse auf eine höhere Ebene der Ordnung zu heben. Ein bißchen sozial, ein bißchen ökologisch orientiert, strebt das Netzwerk eine vermeintlich verdauliche Globalisierung an. Eine verdauliche Globalisierung - das ist nun wirklich ein Scherz!

Das größere Geschick der Herrschenden besteht bekanntlich nicht in der Ausgrenzung der Kritiker, sondern in ihrer erfolgreichen Integration. Ohne den tiefen Wunsch nach Teilhaberschaft würde so etwas selbstverständlich nicht funktionieren.

3. April 2009