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HERRSCHAFT/1519: Partei Die Linke soll auf Konformität getrimmt werden (SB)



Der Rückzug Oskar Lafontaines aus der Bundespolitik der Partei Die Linke bringt vollends hervor, was bereits unter seiner Parteiführung mit der Macht systemkonformen Erfolgsstrebens an die Oberfläche drängte. Die gegen diese Integrationsfigur gerichteten Kampagnen wurden nicht zuletzt aus der Linken selbst heraus aufmunitioniert. Die darauf folgende Maßregelung des Bundesgeschäftsführers Dietmar Bartsch war Bestandteil einer Schadensbegrenzung, mit der die Option, die Partei auf reformkapitalistisches Normalmaß zurechtzustutzen, aufrechterhalten werden sollte. Dem Austarieren der innerparteilichen Fraktionen diente die Zurückstufung Bartschs auf den Posten eines weiteren stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linken als Kontergewicht zur Einhegung linker Kräfte, die den Marsch in die Mitte nicht vorbehaltlos mitvollziehen wollen.

Bilanziert man die Entwicklung der Linken seit dem Erfolg bei der Bundestagswahl, dann ist unverkennbar, daß dieses Ziel Kern der unsichtbaren Programmatik der Partei ist. Wo Lafontaine mit den vier Kernforderungen - "Raus aus Afghanistan", "Hartz IV abwählen", "Mindestlohn gerade jetzt", "Gegen die Rente ab 67" - Pflöcke inhaltlicher Unverhandelbarkeit einschlug, auf die sich eventuelle Koalitionspartner einzulassen hätten, da erodieren die Reformkapitalisten in der Partei durch den von ihnen hochgehaltenen Pragmatismus des kurzfristig Machbaren die inhaltliche Unverwechselbarkeit der Linken. Unter der Prämisse eines Feldzugs gegen Schwarz-Gelb werden SPD und Grünen Angebote unterbreitet, die absehbar zur Aufgabe linker Grundsätze führen werden.

Das geht schon aus der schlichten Geometrie möglicher Regierungskonstellationen im Feld der fünf im Bundestag vertretenen Parteien hervor. Während SPD und Grüne sich jede Richtung offenhalten, muß die Linke mit dem herrschenden Verwertungssystem inkompatible Kernpositionen aufgeben, um ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Da in der sogenannten politischen Mitte, die vom rechten Konsens neoliberaler Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie imperialistischer Außenpolitik besetzt ist, letzte Reste unverwechselbarer Positionen systematisch zum Ertrag optimaler Anpassung an die Interessen des Kapitals kannibalisiert werden, hat eine reformkapitalistische Linke die Bringschuld ganz auf ihrer Seite.

Die gegen in der Öffentlichkeit als linksradikal stigmatisierten Forderungen antikapitalistischer Strömungen scharfgemachten Medien korrespondieren mit einflußreichen Kreisen in der Linken darin, simpel gestrickte, letztlich nur auf gut und böse respektive richtig und falsch reduzierbare Polarisierungen zu allgemeingültige Parametern linker Politik zu erheben. Die sozialistische Forderung nach der Vergesellschaftung der Produktionssmittel kommt in diesem Rahmen der ultimativen Häresie gegen das reformkapitalistische Glaubensdogma gleich. Das gilt nicht minder für antiimperialistische Positionen, die mit Hilfe der Dichotomie des Terrorkriegs als potentiell terroristisch gebrandmarkt werden.

Trotz seiner sozialdemokratischen Grundausrichtung hat Lafontaine kraft seiner Kompetenz und Autorität die prinzipielle Vereinbarkeit sozialistischer Positionen mit der Partei Die Linke und ihre Öffnung zu außerparlamentarischen Bewegungen antikapitalistischer, antimilitaristischer und antirassistischer Art freigehalten. Der politische Weitblick, mit dem Verzicht auf die Ausgrenzung systemkritischer Strömungen den Quell inhaltlicher Unverwechselbarkeit zu bewahren, bricht an den opportunistischen Scheuklappen, mit denen etablierte Parteifunktionäre, das Ziel der Regierungsbeteiligung fest vor Augen, den eigenen Erfolg vor die bekundeten Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, demokratischer Egalität und friedlicher Außenpolitik stellen.

Wo Lafontaine beanspruchte, daß sich die anderen Parteien der Linken reaktiv nachordnen, um aus der Defensive einer prinzipientreuen Opposition dennoch gesellschaftsverändernde Kraft zu entfalten, soll nun das Pfund des Wählerzuspruchs auf entgegengesetzte Weise, in Reaktion auf die Interessen kapitalistischer Besitzstandwahrer, schnellstmöglich an den Meistbietenden verschachert werden. Wem es darum geht, die eigene gesellschaftliche Teilhaberschaft in den herrschenden Verhältnissen anzusiedeln, der kann gar nicht anders, als alle darin angelegten Entwicklungsmöglichkeiten zu akzeptieren. Vor dem Hintergrund des fortschreitenden Verfalls demokratischer Kultur, der inneren wie äußeren Aufrüstung gegen das internationale Subproletariat und der ideologischen Zurichtung auf sozialdarwinistische Vereinzelung verspricht die Anpassung an diesen Verlauf, auch in einer autoritären Gesellschaftsordnung, in der das kapitalistische Krisenmanagement neue Verfügungsformen entwickelt, als Legitimationsproduzent gefragt zu sein.

Es geht heute wie bei Gründung der Partei die Linke vor zweieinhalb Jahren unverändert um die Frage, in welcher Gesellschaft ihre Mitglieder und Wähler leben wollen. Daß eine sozialistische Zukunft stets nur von einer kleinen Minderheit offen propagiert wurde, hat der Wirkmächtigkeit des in dieser Präsenz gebundenen historischen Gedächtnisses keinen Abbruch getan. Der Opportunität politischer Gelegenheiten, sich des Schutzes einer privilegierten Zugehörigkeit zu versichern, stand und steht die objektive Verschärfung der weltweiten sozialen Katastrophe entgegen. Dieser Widerspruch verkörperte, solange er die Linke nicht zerreißt oder vollends zur Sachwalterin des Reformkapitalismus transformiert, das ganze Kapital einer Partei, die sich die Unbescheidenheit leistet, die herrschenden Verhältnisse aus einer Minderheitenposition heraus in Frage zu stellen. Diese Gebrochenheit auszuhalten und weiterzuentwickeln, anstatt auf das Angebot einzugehen, ein ganz normaler Legitimationsproduzent im parlamentarischen Getriebe zu werden, steht zur Disposition von Interessen, die nicht kritisch zu hinterfragen die unumkehrbare Normalisierung der Linken einleiten werden.

26. Januar 2010