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HERRSCHAFT/1536: Harte Zeiten bringen harte Herren hervor ... (SB)



Harte Zeiten bringen harte Herren hervor, denen kein Mittel hart genug ist, um nicht zur Wahrung herrschender Verhältnisse eingesetzt zu werden. Der noch amtierende Ministerpräsident Hessens, Roland Koch, und sein designierter Nachfolger Volker Bouffier, noch als hessischer Innenminister tätig, haben nicht nur die politische Karriereleiter im Tandem erklommen, sondern auch gemeinsam den autoritären sozialchauvinistischen Staat zum Zuchtmeister der postmodernen Gesellschaft erhoben. So hat Koch der Agenda 2010 schon frühzeitig den Weg gebahnt, indem er die massiven Sozialkürzungen in den USA unter der Regierung Clinton zum Vorbild für die Bundesrepublik erhob. Eigens reiste der CDU-Politiker in Hessens US-amerikanischen Partnerbundesstaat Wisconsin, um sich vor Ort zu informieren, wie man das Motto der Clintonschen Sozialhilfereform "From Welfare to Workfare" mit besonders drastischen Mitteln durchsetzt.

In Volker Bouffier, der Koch schon aus den Tagen der Jungen Union verbunden ist, besaß der CDU-Ministerpräsident einen Mann fürs Grobe, wie er im Buche steht. Der sicherheitspolitische Hardliner sorgte in elf Jahren als Innenminister Hessens dafür, daß dieses einst als fortschrittlich liberal geltende Land stets an vorderster Front der inneren Aufrüstung steht. Im politischen Staatschutz ist es ihm von vorrangiger Wichtigkeit, das linke Auge mindestens so stahlhart blitzen zu lassen wie das rechte. Mit zahlreichen Gesetzesverschärfungen bürgerrechtlich fragwürdiger Art erwies sich Bouffier auch als eifriger Lehrling des schwarzen Sheriffs Manfred Kanther. Dieser hatte als führender Parteifunktionär der CDU Hessens bewiesen, wie gut sich demonstrative Gesetzestreue und diskreter Gesetzesbruch miteinander verbinden lassen, zumindest so lange man nicht erwischt wird.

Allerdings leistete sich auch Bouffier einige persönliche Fehltritte, die jedoch stets zur allgemeinen Zufriedenheit folgenlos bereinigt wurden. Schon bald nach seiner Ernennung zum Polizeiminister Hessens behauptete der Anwalt, man habe ihm eine "nach Mafia-Art strangulierte und mit Schleifchen verzierte" Katze vor die Haustür gelegt, was als letzte Warnung chinesischer Triaden bekannt sei, wie von seinem Landeskriminalamt artig bestätigt wurde. Da in zwei Anwaltskanzleien eingebrochen worden war, die Bouffier mitbegründet hatte, konnte der Innenminister den Eindruck erwecken, ganz persönlich von Profis aus dem kriminellen Milieu gejagt zu werden. Da er über diese angebliche Drohung jedoch erst die Presse und nicht die Polizei informiert hatte, wurde die Strangulation der Katze von den insgesamt 22 Beamten, die dazu vor einem Untersuchungsausschuß befragt wurden, eher in Zweifel gezogen denn bestätigt.

So erinnerten sich die Polizisten weder daran, daß die Katze erwürgt wurde, noch daran, daß man sie mit einer Schleife drapiert hatte. Auch habe sie nicht vor der Haustür Bouffiers gelegen, sondern sich offensichtlich nach einer Verletzung durch ein Auto in den Vorgarten des Ministers zurückgezogen. Die Einbrüche wiederum seien ausgesprochen dilettantisch ausgeführt worden, so die ermittelnden Polizisten vor dem Untersuchungsausschuß, außerdem gehörten sie zu einer Serie von Einbrüchen an 27 Orten in Hessen und Rheinland-Pfalz, bei den in allen Fällen dasselbe Tatwerkzeug verwendet wurde, ohne daß es Hinweise darauf gegeben habe, daß die Verbrecher in Akten geschnüffelt hätten, wie Bouffier gemutmaßt hatte.

Auf das Leitthema der Verschärfung der inneren Sicherheit vor dem 11. September 2001, die Bedrohung der Gesellschaft durch die organisierte Kriminalität, wirkte sich die Affäre um Bouffiers Katze wie andere fragwürdige Vorfälle in seinem Verantwortungsbereich keineswegs abträglich aus. Wie im Falle Manfred Kanthers, dessen strafrechtliche Verurteilung wegen Untreue im Rahmen der Spendenaffäre der hessischen CDU kaum Rückschlüsse auf die Makellosigkeit seines Eintreten für Recht und Ordnung provozierte, ist auch Bouffier frei von Fehl und Tadel, wenn es nach der herrschenden Moral geht. Dieser wird in Hessen auch zukünftig eine wichtige Rolle zukommen, ist doch das Böse immer und überall, gerade auch dann, wenn es nicht so erscheint.

27. Mai 2010