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HERRSCHAFT/1599: CCS-Gesetz verabschiedet - Sicherung des fossilen Energiezeitalters (SB)



Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein Schildbürgergesetz verabschiedet. Es nennt sich CCS-Gesetz und soll den Betreibern von Kohlekraftwerken in Deutschland eine profitträchtige Zukunft bescheren. Weil bei der Verstromung von Kohle nicht nur Gebäude, sondern dummerweise auch das Klima aufgeheizt wird, will die Regierung erreichen, daß das dabei erzeugte Treibhausgas Kohlendioxid eingefangen, verflüssigt und endgelagert wird. Bis zum Jahr 2017 soll die Technologie erforscht werden. Da aber jenes CCS-Verfahren (Carbon Capture and Storage) seinerseits energieaufwendig ist, müssen rechnerisch zunächst einmal noch mehr Kohlekraftwerke gebaut werden, damit genügend Energie bereitsteht, um das von Kohlekraftwerken emittierte Treibhausgas zu binden. Es werden deutlich mehr Treibhausgase erzeugt, um sie einfangen zu können.

Der Entwurf des bereits mehrmals gescheiterten CCS-Gesetzes ist ein Zugeständnis an die großen Energieversorger. Die Bundregierung reagiert damit auf die Forderung der EU an die Mitgliedstaaten, bis Juni dieses Jahres ein CCS-Gesetz auf den Weg zu bringen. Allerdings sind sie nicht gezwungen, die CCS-Technologie einzuführen, sondern sie könnten diese auch ablehnen (was von der EU nicht erwünscht wird). Jedenfalls macht die Bunderegierung von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, wenngleich sie den einzelnen Bundesländern Mitspracherecht einräumt und es ihnen theoretisch ermöglicht, keinerlei CCS-Technologie einzusetzen.

Auf diese Option hatte vor allem Schleswig-Holstein gepocht, da hier ein eindeutiges Wählervotum gegen CCS besteht. Wohingegen Brandenburg, in dem eine Reihe von Braunkohlekraftwerken steht, die CCS-Technologie befürwortet. Über den gesetzlichen Hebel, daß die Bedenken der Bundesländer fachlich begründet sein müssen, könnte allerdings selbst die schleswig-holsteinische Regierung zur CCS-Akzeptanz genötigt werden.

Streng genommen bildet das CCS-Gesetz eine indirekte Subventionierung der Kraftwerksbetreiber, die sich über den gesicherten Produktionsschub - mehr Energie, um den gasförmigen Abfall dieser Energieproduktion zu verbringen - freuen dürfen. Darüber hinaus winken ihnen Zuschüsse seitens der EU. Daß aber ausgeschöpfte unterirdische Gasfelder oder spezifische geologische Formationen auf lange Sicht das in sie eingepreßte CO2 möglichweise wieder freigeben, kann der Energiewirtschaft egal sein, solange sie nicht regresspflichtig gemacht wird.

Die Havarie eines CCS-Standorts wird vielleicht niemals das zerstörerische Ausmaß eines Fukushima-GAUs erreichen, dennoch kann die Freisetzung von Kohlendioxid tödlich sein. So erstickten am 21. August 1986 rund 1750 Menschen am Nios-See in Kamerun, von dessen Grund sich eine Kohlendioxidblase gelöst hatte. Diese floß über den Vulkankraterrand des Sees in die Senken und Täler, wo die Dorfbewohner von dem unsichtbaren Gas erwischt wurden und erstickten.

Die Ablehnung der CCS-Technologie durch die hiesige Bevölkerung ist also keineswegs irrational, wie von den Befürwortern gern unterstellt wird. Zudem bestehen ernsthafte Zweifel daran, daß eine Technologie, die das gefährliche CO2 mindestens für Jahrzehnte bis Jahrhunderte sicher speichern müßte, innerhalb der nächsten sechs Jahre ausreichend erforscht und geprüft werden kann.

Es existieren machbare Alternativkonzepte zur CCS-Technologie. Die laufen auf eine höhere Energieeffizienz sowie eine Umstellung der wachstumsorientierten Produktionsweise auf eine Produktionsweise hinaus, die sich an den Kriterien Verschleiß- und Verbrauchsarmut orientiert. Wenn sich Deutschland daran hält, könnten nicht nur die Atom-, sondern auch die Kohlekraftwerke zügig vom Netz genommen werden. Die CCS-Technologie dagegen steht nicht für das Ende des fossilen Energiezeitalters, das uns den Klimawandel eingebrockt hat, sondern hält ihr die Tür in die Zukunft auf.

13. April 2011