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HERRSCHAFT/1839: USA - Trumps beleidigungsstrategische Finesse ... (SB)



Donald Trump ist Amerikas Bodycam, das nicht so smarte Smartphone Streamingmedium, durch das sich die Nation selbst beäugt. Wie diese Instrumente öffentlicher Überwachung präsentiert Trump uns ein Porträt des amerikanischen Lebens, das in seiner Häßlichkeit so unerbittlich wie auf gruselige Weise ungemütlich zu betrachten ist (...)
John G. Russel - The Devolution Will Be Televised: Our Body-cam President [1]

Nicht nur in Deutschland wird die Grenze des Sagbaren ins Unsägliche verschoben. US-Präsident Donald Trump hat mit seinen Ausfällen gegen vier Parlamentarierinnen des US-Repräsentantenhauses, Alexandria Ocasio-Cortez, Rashida Tlaib, Ilham Omar und Ayanna Pressley, bewiesen, daß die US-Gesellschaft rassistische Diffamierungen heute zumindest insofern akzeptiert, als sie ohne Konsequenz für deren Urheber bleiben. Was mit einer Reihe von Tweets am 14. Juli begann, als Trump die vier Abgeordneten der Demokraten aufforderte, aufgrund ihrer an seiner Regierungspolitik geäußerten Kritik in die "völlig kaputten und kriminalitätsverseuchten Orte" zurückzukehren, "aus denen sie kamen", entwickelte sich in den nächsten Tagen zu einer landesweiten Kampagne, in deren feindseligen Tenor diverse PolitikerInnen und Kommentatoren einfielen. Am 18. Juli beschimpfte Trump die vier Frauen noch einmal als "linke Extremisten, die alles ablehnen, wofür unsere Nation steht", die "unser Land hassen", die "unsere Verfassung zerstören, unsere Streitkräfte schwächen und die Werte, auf denen dieses großartige Land errichtet wurde, eliminieren" wollen.

"Love it or leave it" - was nationalchauvinistische US-BürgerInnen in den 1960er Jahren auf Aufklebern an den Stoßstangen ihrer Autos linken KriegsgegnerInnen anempfohlen, stellt auch heute das Emblem eines nicht mehr als patriotisch zu relativierenden, tendentiell faschistischen Autoritarismus dar, der kritiklose Unterwerfung unter die Volksgemeinschaft einfordert und ihre vermeintliche Größe synonym mit ihrer militärischen Stärke setzt. Sich zur Nation zu bekennen oder das Land zu verlassen kann als unverblümte Drohung verstanden werden, diejenigen Oppositionellen, die dem nicht Folge leisten, gewaltsam aus dem Weg zu räumen. Da drei der vier von Trump angegriffenen nichtweißen Abgeordneten in den USA geboren und Nachfahren von Familien sind, die länger die Staatsbürgerschaft des Landes innehaben als Trumps Eltern und Großeltern, um von seinen eingebürgerten Ehefrauen nicht zu sprechen [2], kann der rassistische, in weißer Suprematie wurzelnde Charakter seiner Anfeindungen kaum widerlegt werden. Das wiederum kann kein Gegenargument sein, begibt man sich damit doch auf die Ebene Trumps, dessen ethnischer Biologismus unterstellt, daß Menschen bestimmter Hautfarbe in bestimmte Länder und Regionen gehören. Wo der US-Präsident alle eurozentrischen und kolonialistischen Saiten klingen läßt, um in den USA lebenden Menschen die ihnen zustehende Qualifikation staatsrechtlich begründeter Zugehörigkeit abzusprechen, hat er längst den sogenannten demokratischen Diskurs verlassen, was nicht umsonst an offenen Faschismus denken läßt.

Trump zieht als Leitfigur maskuliner Dominanz gegen vier Frauen blank, die dem linken Flügel der Demokraten angehören, in dem wiederum die meisten explizit für Geschlechtergerechtigkeit und gegen Homo-, Trans- und Interphobie eintretenden ParlamentarierInnen zu finden sind. Damit verleiht er seinem Durchmarsch zu präsidialer Ermächtigung zudem einen aggressiv antifeministischen Charakter, der nicht nur für seine Präsidentschaft, sondern viele seiner WählerInnen ein zentrales Merkmal identitärer Selbstvergewisserung ist. Die Attraktivität dieser Strategie scheint weit ins Lager der Demokraten zu reichen, haben diese doch mehrheitlich verhindert, daß ein aus ihren Reihen vorgelegter Antrag zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten im Repräsentantenhaus scheiterte.

Diese Bruchlinien, an die Trump seine demagogischen Zündschnüre legt, sind insbesondere in Hinsicht auf anstehende Verteilungskämpfe bedeutsam. Mit der Streichung klimapolitischer Maßnahmen, der Stärkung fossilistischer Industrien und der Förderung ökologisch destruktiver Rohstoffextraktion setzt der US-Präsident instinktsicher auf das Wissen der Menschen darum, daß es in Zukunft zu Mangelzuständen kommen kann, bei denen die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat über Leben und Tod entscheiden kann. Trump nennt Länder im Globalen Süden "Scheißlöcher" und bezichtigt die von dort in die USA einreisenden MigrantInnen, kriminell, krankheitsverseucht oder anderweitig gefährlich zu sein. Was an der Oberfläche als protektionistische Form der Nationenkonkurrenz erscheint, greift im Kern auf bevölkerungspolitische Überlebensdispositive zurück, die den Anspruch auf ethnisch-nationale Zugehörigkeit und ökonomische Prosperität explizit auf die weiße, christlich und eurozentrisch orientierte Bevölkerung beschränkt.

So entwirft Trump unterschwellig ein postapokalyptisches Zukunftsszenario, für das er die ansonsten ignorierte Klimakatastrophe ernstnimmt, allerdings nur, um sich als fleischgewordene Signatur eines alle anderen Bevölkerungen überlebenden Siegervolkes feiern zu lassen. Längst ist dieser US-Präsident mehr als nur ein Amtsträger, in ihm wird gewissermaßen die Summe seiner Klasse und Klientel gezogen, was für die Millionen evangelikalen ChristInnen, die ihm folgen, nichts anderes bedeutet, als im Endkampf zwischen Gut und Böse auf der richtigen Seite zu stehen. Ihn allein in seiner Person zu kritisieren geht fehl in der Annahme, daß seine Botschaft Ausdruck seines Amtes und damit austauschbar wäre, anstatt sie in ihrem von weißer Suprematie geprägten Charakter als eminente Gefahr für eine ohnehin krisengeschüttelte Welt zu begreifen.


Fußnoten:

[1] https://www.counterpunch.org/2019/07/18/the-devolution-will-be-televised-our-body-cam-president/

[2] https://www.counterpunch.org/2019/07/19/trumps-own-background-reveals-the-true-motivation-behind-racist-tweets-pure-white-supremacy/

19. Juli 2019


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