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PROPAGANDA/1365: Sichtschutz für Angriffskrieger ... Nebelwerfer Steinmeier (SB)



Während die Kontroverse zwischen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und dem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan die Schlagzeilen beherrscht, ist es um den Bericht der Leipziger Volkszeitung (12.12.2009), laut dem sich das Bundeskanzleramt, das Verteidigungsministerium und die mit der Koordination der Geheimdienste beauftragten Regierungsbeamten schon vor dem Luftangriff vom 4. September auf eine neue Eskalationsstufe in Afghanistan geeinigt hatten, relativ still geblieben. Ein Element des aggressiveren Vorgehens gegen die Besatzungsgegner ist laut diesem Bericht die gezielte Liquidierung der Taliban-Führungsstruktur in Zusammenarbeit mit dem Auslandsgeheimdienst BND, dem Kommando Spezialkräfte (KSK) sowie dem US-Auslandsgeheimdienst CIA.

Wichtig ist diese Information nicht nur deshalb, weil sie nahelegt, daß der Luftangriff auf die Tanklaster keineswegs eine einsame Entscheidung des kommandierenden Bundeswehroffiziers war. Sie belegt auch die Beteiligung der damaligen Regierungspartei SPD an einer Entwicklung, der sie als Oppositionspartei heute vermeintlich kritisch gegenübersteht. Deren Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier muß als Außenminister in diese Entscheidung eingebunden gewesen sein. Um näheres zu erfahren, wurde Steinmeier im Deutschlandfunk von Moderator Friedbert Meurer um Aufklärung gebeten:

"Noch zu Ihrer Amtszeit, Herr Steinmeier, als Außenminister wurden, wie es heißt, die Einsatzregeln für die Bundeswehr in Afghanistan verschärft. Was ist da genau verschärft worden?

Steinmeier: Die Frage ist mir häufiger gestellt worden: Hat ein Strategiewechsel stattgefunden? Und ich sage: Ja, und Gott sei Dank hat ein Strategiewechsel stattgefunden, allerdings nicht bei uns und nicht unter meiner Mitwirkung, sondern vor allen Dingen bei dem einen oder anderen Verbündeten."
(Deutschlandfunk, 17.12.1009)

In völliger Mißachtung der Eindeutigkeit der Frage gibt Steinmeier nun wortreich seiner Freude darüber Ausdruck, daß die US-Führung sich der Ansicht der Bundesregierung angenähert habe, daß zivile Opfer möglichst vermieden werden sollten. Gemeint ist die Anweisung des ISAF-Oberbefehlshabers, US-General Stanley McChrystal, vom Juli 2009, in der dieser stärkere Anstrengungen zur Schonung der Zivilbevölkerung bei Angriffen auf die Taliban verlangte. Dabei ging es keineswegs darum, offensive Operationen einzuschränken, sondern diese, so es um den "Einsatz von Kräften wie der Luftnahunterstützung gegen Wohngebiete und andere Orte, bei denen es wahrscheinlich zu zivilen Opfern kommen kann, genau (zu) prüfen und (zu) begrenzen" (FAZ, 17.12.2009).

Schon das Schwadronieren Steinmeiers über diese angeblich positive Entwicklung täuscht über die aggressive Grundhaltung der NATO in Afghanistan hinweg. Der Dlf-Moderator hatte Steinmeier jedoch nach einer ganz anderen, in eigener Zuständigkeit getroffenen Entscheidung gefragt. Um seinem Interviewpartner dennoch eine Stellungnahme zu entlocken, will er nun wissen, wann die Änderung der Gefechtsfeldregeln für die Bundeswehrsoldaten beschlossen wurde. Hierzu erklärt Steinmeier, daß die "sogenannten Rules of Engagement, die Einsatzregeln", nicht verändert wurden, sondern lediglich der Wortlaut der Taschenkarte.

Wie genau der von ihm behauptete Unterschied aussieht und ob er nicht über zwei ganz verschiedene Dinge spricht, um der Frage weiterhin auszuweichen, bleibt offen. Dies sei eine Debatte, die in den Untersuchungsausschuß gehöre, beendet Steinmeier das Thema und blockt auch einen weiteren Versuch Meurers, wenigstens zum Thema Taschenkarte mehr zu erfahren, ab. Ihm gehe es allein um die "zentrale Frage", ob der amtierende Verteidigungsminister zu Guttenberg gegenüber der Öffentlichkeit gelogen habe oder nicht.

Das Taktieren Steinmeiers ist signifikant für die Vernebelungsstrategie, mit der die interessanten Fragen dieser Affäre umschifft werden. Der ehemalige Kanzlerkandidat hat den Afghanistankrieg von Anfang an an höchster Stelle begleitet, erst als für die Geheimdienste zuständiger Chef des Bundeskanzleramts, dann als Außenminister. Nachdem im Verlauf der Kunduz-Affäre bekannt wurde, daß BND und KSK bei der Entscheidung, den Luftangriff auf besonders aggressive Weise durchzuführen, mit von der Partie waren, und die Bundesregierung selbst eine Hinrichtungspolitik im Stil einer geheimen Kriegführung befürwortet haben soll, scheint es allen Grund dafür zu geben, zur Unterdrückung unerwünschter Erkenntnisse die Handlungseinheit von Exekutive und Opposition herzustellen.

17. Dezember 2009