Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

PROPAGANDA/1457: Parlamentarisches Kontrollgremium - Schaufenster der Geheimexekutive (SB)




Mit solchen Abgeordneten kann man Staat, aber keine Demokratie machen. Im Deutschlandfunk gab der CDU-Politiker Manfred Grund, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG), am 21. August zwei Tage nach dem Bericht der Bild am Sonntag über eine Spionageoperation der Bundesmarine und des BND im östlichen Mittelmeer an, daß allein das Auslaufen des Flottendienstbootes aus dem Hafen von Cagliari in Sardinien zweifelsfrei bestätigt werden könnte. Alles andere wären Spekulationen und Wahrscheinlichkeiten, so dieses PKG-Mitglied. Mit der Taktik, nur wenig zu wissen, aber nichts zu bestreiten, was im Sinne der Nationalen Sicherheit wäre, hatten bereits am Vortag die PKG-Mitglieder Hans-Peter Uhl von der CSU [1] und der SPD Abgeordnete Fritz Rudolf Körper [2] durchblicken lassen, daß der am Sonntag von BamS unter Berufung auf Geheimdienstquellen kolportierte Sachstand in etwa zutreffen könnte.

Hört man genauer hin, dann zeigt sich, daß diese Repräsentanten des PKG eher als Stimme der Exekutive fungieren denn als Vertreter einer Legislative, auf deren demokratisches Engagement die Öffentlichkeit angewiesen sein soll. Diese wird mit Andeutungen gefüttert, die nicht dazu ausreichen, Einfluß auf die Aktivitäten der Regierung zu nehmen, aber dennoch klarstellen, daß unterhalb der Schwelle parlamentarischer Transparenz und Mandatierung einiges im Gange ist. So verweist Grund gleich zu Beginn des Interviews auf das "nationale Interesse" [3], in dem diese Aufklärung - von Spionage sei nicht die Rede, so der gelernte DDR-Bürger unter sachdienlichem Verweis auf Markus Wolf, der dieses Wort ja auch durch "Hauptverwaltung Aufklärung" ersetzt habe - außerhalb des Bündnisgebiets der NATO und vor der Küste eines Landes im Bürgerkrieg vollzogen werde.

Kaum hat Grund dies attestiert, gibt er auf die Frage, ob Bundeswehr und BND daran beteiligt wären, an, dies "noch nicht" zu wissen. Man könne ihn ja noch einmal nach der nächsten regulären Sitzung des PKG fragen, bis dahin wäre alles "Spekulation". In diesem Stil hangelt sich Grund von einer Mutmaßung zur nächsten, bekräftigt, daß die Bundeswehr auch ohne BND in der Lage wäre, Informationen aus dem Krisengebiet zu erbringen, daß die syrischen Aufständischen aufgrund besserer Quellen aus anderen NATO-Staaten sowieso nicht auf deren Hilfe angewiesen seien und eine Einmischung seitens der Bundesrepublik ausgeschlossen werden könne. Wer dies unterstelle, spekuliere, urteilt Grund und weiß plötzlich mehr, als sein angeblicher Informationsstand ahnen läßt. Es gebe

"keine direkte Linie oder auch keine direkte Verbindung. Wir wissen es auch noch nicht, und ich glaube es auch nicht, kann es mir auch nicht vorstellen, dass Informationen tatsächlich überhaupt einen Wert haben, einen Nachrichtenwert haben für syrische Rebellen, die von uns kommen könnten. Aber es gibt auch keine Verbindung, keine Verbindungslinie, kein direktes Übergeben von Informationen. Ich könnte es also von jetzt aus, von hieraus ausschließen. Aber wie gesagt, wir werden uns im Parlamentarischen Kontrollgremium dazu auch kundig machen." [3]

Was denn nun, möchte man fragen, doch ein Interview ist schließlich kein Verhör, und ein Abgeordnete lediglich seinem Gewissen verpflichtet, und dies wiederum scheint in diesem Fall eine Instanz der Staatsräson zu sein. Da will man mit den Errungenschaften deutscher Dienste auch nicht hinterm Berg halten und den Eindruck erwecken, man trage rein gar nichts dazu bei, den ungeliebten Assad zu stürzen. So läßt Grund durchblicken, daß der Informationsaustausch unter den NATO-Staaten so weit ausgebaut ist, daß Erkenntnisse der Bundeswehr oder des BND über die Verhältnisse in Syrien quasi selbstverständlich ausgetauscht werden, was insbesondere für die Türkei gelte, "denn die Türkei ist quasi Konfliktpartner, ein türkisches Flugzeug ist abgeschossen worden, und insoweit haben wir ein gemeinsames Sicherheitsinteresse innerhalb der NATO, diese Informationen auch gegenseitig auszutauschen." [3]

Einmal freigesetzt, steht außer Frage, daß der PKG nicht sicherstellen kann, daß Informationen über in Syrien lebende Kurden in militärische Operationen der türkischen Regierung einfließen könnten oder auf diesem Wege an die Freie Syrische Armee (FSA) gelangten. Daß sich diese Grauzone der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste entzieht, hat System, wie das abwiegelnde Taktieren seiner Mitglieder belegt. Auf die Frage, ob alle Geheimdienstaktivitäten im Ausland dem PKG gemeldet würden, antwortet Grund, daß er das zwar "nicht hundertprozentig sagen" könne, er jedoch davon ausgehe: "Ich fühle mich im PKG gut informiert, auch umfassend informiert und bin immer wieder erstaunt, mit welchen Nachrichten und mit welchen Informationen die Öffentlichkeit verrückt gemacht wird."

Ruhe ist eben erste Bürgerpflicht selbst bei Kriegsgefahr, meint Grund und antwortet dem unerschrocken nachhakenden DLF-Moderator Dirk Müller auf die Frage, ob seitens der Dienste eine Informationspflicht gegenüber dem PKG bestünde:

"Grund: Ich wünsche mir, dass ich informiert werde, dass die PKG informiert wird, dass damit auch das Parlament beteiligt ist, und ich gehe davon aus, dass das auch geschieht."
Müller: Aber Sie sagen ganz bewusst, Sie wünschen sich. Das heißt, es ist in der Praxis manchmal anders?
Grund: Das weiß ich nicht. Ich kann es nicht ausschließen, weil ich nicht alle - - Ich bin nicht an der Quelle der Informationen, ich bin nicht im Bundesnachrichtendienst. Ich bekomme diese Informationen und ich fühle mich umfassend informiert." [3]

Ein ums andere Mal wiederholt Grund, wie gut die Öffentlichkeit und der Bundestag durch das PKG informiert sei, daß nicht der geringste Anlaß bestehe, mögliche Lücken in der Informationsweitergabe an das PKG zu vermuten, ja daß die ganze Angelegenheit viel zu hoch gehängt werde und man daher auch keine Sondersitzung dieses Kontrollgremiums einberufen müsse. Von gefühlter Information zu sprechen widerspräche allerdings dem guten Informationsstand anderer PKG-Mitglieder, die etwas geschickter lavieren als Grund.

Der SPD-Politiker Körper hatte am Vortag im Deutschlandfunk bestätigt, daß sich der BND an Bord des besagten Flottendiensbootes befinde und Aufklärung betreibe, was den Mitgliedern des PKG bekannt sei. Der CSU-Politiker Uhl attestierte gleichentags in der Frankfurter Rundschau, daß die "Weitergabe von Erkenntnissen an befreundete Dienste (...) üblich" sei und "die deutschen Dienste nicht nur in Syrien, sondern generell in der Nahost-Region gut aufgestellt sind", weil sie "aus der Region um Israel (...) besonders viele Informationen" benötigten und auch erhielten. Er würde "den Umstand, dass von einem Schiff vor der Küste Syriens versucht wird, mit technischen Mitteln so viele Informationen wie möglich zu bekommen, nicht als Vorkommnis von besonderer Bedeutung definieren, sondern als normale Routinearbeit." [1] Manfred Grund zeigte sich im Vergleich zu diesen beiden erfahrenen Sachwaltern des starken Sicherheitsstaates - Körper war in der heißen Phase des Terrorkriegs Parlamentarischer Staatssekretär unter Bundesinnenminister Otto Schily, Uhl ist ein Hardliner in Sachen staatlicher Repression insbesondere im Bereich informationstechnischer Überwachungssysteme - eher unsicher und ordnete sich desto bereitwilliger dem Primat der Geheimexekutive unter.

In allen drei Fällen gilt, daß das PKG eher Legitimation produziert als in Frage stellt. Ob die von der Bundesmarine und dem BND erbrachten Informationen von Relevanz für die Aufständischen sind oder nicht, ist für die Bevölkerung der Bundesrepublik weniger wichtig als die offenkundige, wenn nicht ohnehin absichtlich enthüllte Tatsache, daß die Bundesregierung Anstalten unternimmt, auf irgendeine Weise an diesem Krieg beteiligt zu sein. Dagegen etwas zu unternehmen ist nicht das Anliegen dieser Parlamentarier. Sie sind damit befaßt, den symbolpolitischen Demokratismus für den Ernstfall wetterfest zu machen.

Fußnoten:

[1] http://www.fr-online.de/politik/bnd-schiff-vor-syrien--die-dienste-sind-in-nahost-gut-aufgestellt-,1472596,16924546.html

[2] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1844104/

[3] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1845142/

22. August 2012