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PROPAGANDA/1503: Sicherheit - übers Ziel hinaus ins Schwarze ... (SB)



Der nun endgültig von Bundesinnenminister Seehofer entlassene Verfassungsschutzchef Maaßen tanzt der Politik nicht nur auf der Nase herum oder steht im Mittelpunkt einer "absurden" Affäre, wie viele Kommentatoren behaupten. Er war lange vor der bis heute aufrechterhaltenen Behauptung, in Chemnitz habe keine Hetzjagd auf als Ausländer identifizierte Menschen stattgefunden und das Video, das dies unter anderem dokumentiert, sei eine Fälschung, als Sachwalter einer autoritären und nationalistischen Staatsräson bekannt. Als er 2012 an die Spitze der zentralen Behörde zur Unterdrückung radikaler Oppositionsbewegungen gesetzt wurde, war er längst als bekennender Feind eines liberalen Asylrechtes bekannt. Mit seinem neuerlichen, zweifellos plaziert gesetzten Bekenntnis zur extremen Rechten macht Maaßen vollends klar, daß er auf zahlreiche SympathiesantInnen in den deutschen Staatsapparaten rechnen kann.

Von "linksradikalen Kräften in der SPD" zu schwadronieren ist so bizarr wie Maaßens politischer Standpunkt am anderen Ende des ideologischen Spektrums konkret. Wenn er in der vorliegenden Abschiedsrede, die er im vertrauten Kreis vermutlich nicht viel anders gepolter GeheimdienstekollegInnen hielt, geradezu genüßlich Salz in die Wunden rechtstaatlicher Fassadenpoliererei reibt, dann führt er auch diejenigen PolitikerInnen vor, die sich nicht dazu durchringen konnten, im Eklat um die Bewertung der Ereignisse von Chemnitz seine sofortige Entlassung - und nicht Versetzung in ein besseres oder gleichwertiges Amt - unter Einsatz all ihrer Möglichkeiten durchzusetzen. Maaßens Behauptung, es sei Kreisen der SPD darum gegangen, anhand seiner Person einen Bruch der Regierungskoalition zu erzwingen, erweist sich gerade dadurch, daß der kleinere Koalitionspartner den Konflikt mit seinem Dienstherren Seehofer nicht auf die Spitze getrieben hat, als blanke Verschwörungstheorie. Die SPD stände heute weit besser da, wenn sie einmal aus prinzipiellen Gründen Rückgrat gezeigt hätte, anstatt dem Machterhalt den Zuschlag zu geben.

Wenn der Präsident einer Behörde, deren undemokratische Observationsbefugnisse einem institutionalisierten Ausnahmezustand gleichkommen und damit einer Staatsräson entsprechen, die der Sicherung etablierter Herrschaft gegen die Bevölkerung auch unter Widerlegung rechtstaatlicher Prinzipien verpflichtet ist, behauptet, er habe "nie gedacht, dass die Angst vor mir und vor der Wahrheit Teile der Politik und Medien in solche Panik und Hysterie versetzt, dass vier Sätze von mir ausreichend sind, um eine Regierungskrise in Deutschland auszulösen" [1], dann läßt das eine Verwechslung von Person und Amt erkennen, die nur als gefährlich für alle davon betroffenen Menschen bezeichnet werden kann.

Unter den Umständen eines die eigene Stellung nach außen aggressiv und nach innen repressiv absichernden Krisenmanagements wird Staatsfunktionären wie Maaßen ein Ausmaß an Handlungsfreiheit zugebilligt, dem eine politisch opportune Auslegung und Überschreitung der Regeln, die ihrem Amt zugrundeliegen, inhärent ist. Im Zweifelsfall gedeckt durch das Gebot der Geheimhaltung kann und soll, wie etwa das gescheiterte Parteiverbotsverfahren der NPD oder die Aufarbeitung der Anschläge des NSU gezeigt haben, mit manipulativen Winkelzügen in die politische Willensbildung eingegriffen werden. Indem Maaßen die AfD beriet, wie sie eine Beobachtung durch sein Amt verhindern könne, hat er den Auftrag, mutmaßliche Feinde der Verfassung zwecks ihrer Abwehr durch die Exekutive kenntlich zu machen, denn auch nur scheinbar unterlaufen.

Um Interessen zu befördern, die nicht die des Gros der Bevölkerung sind, zeigen die Geheimdienste und Polizeiorgane der Bundesrepublik immer unverhohlener, wo sie stehen und wes Lied sie singen. Wäre dies nicht politisch gedeckt, könnten sich Spitzenbeamte wie Maaßen nicht erlauben, was unter anderen ideologischen Vorzeichen schlichtweg undenkbar wäre. So hätte die Behauptung, die polizeilichen Ermittlungsergebnisse bei den G20-Protesten beruhten auf Videos, die fälschlicherweise zu Lasten der Demonstrierenden interpretiert wurden, oder die Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbotes die Amtszeit eines Verfassungschefs weit schneller beendet als die diversen Handreichungen Maaßens an die extreme Rechte. Seine nun erfolgte Entlassung ist Ausdruck einer Schadensbegrenzung durch Gleichgesinnte, die weiterhin in Amt und Würden bleiben.


Fußnote:

[1] https://www.tagesschau.de/inland/maassen-261.html

6. November 2018


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