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RAUB/0928: Klimagipfel - Abholzen des Regenwalds soll belohnt werden (SB)



Rein rechnerisch sollte es keine Rolle spielen, an welcher Stelle des Erdballs die Emissionen von Treibhausgasen reduziert werden, entscheidend ist, daß es getan wird. Denn alle Menschen sind über die Erdatmosphäre miteinander verbunden. Anders formuliert, sie sind aneinander gefesselt. Noch genauer gesagt: Die Mehrheit der Menschen ist den Verbrauchsfolgen der Hochkonsumgesellschaften ausgeliefert.

Im Zusammenhang mit dem Klimaschutz werden Rechnungen häufig ohne den Wirt gemacht. So berichtete die Website regenwald.org, das UN-Klimasekretariat (UNFCCC) habe entschieden, daß die Betreiber von Soja- und Ölpalmplantagen Emissionsgutschriften erhalten. Diese können sie im Rahmen des Regelwerks der Clean Development Mechanism (CDM) beispielsweise an den Betreiber eines Kohlekraftwerks verkaufen. Der kann dadurch seine Auflagen zur CO2-Einsparung erfüllen. Kraftwerksbetreiber und Plantagenbesitzer machen ein gutes Geschäft.

Kein Gewinn ohne Verlust. Den Schaden solcher Deals tragen andere. Womöglich werden die Plantagenbesitzer ihre Einnahmen zur Vergrößerung von Anbauflächen nutzen, um darüber weitere Emissionsrechte einzuheimsen, die dann veräußert werden, um ... Und so weiter und so fort. Es gibt jedoch einen entscheidenden Fehler in der Rechnung: Die Soja- und Palmölplantagen entstehen nicht aus dem Nichts. In Ländern wie Brasilien, Malaysia, Indonesien und Papua-Neuguinea wird tropischer Regenwald abgeholzt, um Plantagen anzulegen. Uralter Baumbestand fällt der Motorsäge zum Opfer, damit die Kasse klingelt. Das UNFCCC mischt dabei kräftig mit, wenn es einem solchen Handel keinen Riegel vorschiebt.

Das Abholzen des tropischen Regenwalds trägt zum globalen Klimawandel bei. Darüber hinaus kommt es - im Namen des Klimaschutzes - häufig zu Vertreibungen der angestammten Bevölkerung. Außerdem nimmt die Biodiversität durch den Monokulturanbau ab, was zur Folge hat, daß das reduzierte Ökosystem hinterher weniger Spielraum besitzt, um Gefährdungen (durch Stürme, Dürre, Überschwemmungen, Pilz- und Insektenbefall) kompensieren zu können.

Die Industriestaaten haben ihren materiellen Reichtum auf dem Rücken der ärmeren Länder erlangt und dabei die Erdatmosphäre als ungeregeltes Endlager für Kohlendioxid und andere Treibhausgase verwendet. Von den Folgen ist die ganze Menschheit betroffen. Nun sollen bei den Klimaschutzverhandlungen in Kopenhagen internationale Abmachungen getroffen werden, die dieses System aus Verwertung menschlicher Arbeitskraft und Vernutzung natürlicher Ressourcen für den Green New Deal ins 21. Jahrhundert hinüberretten. Leidtragende sind zuvorderst die CDM-Vertriebenen und zahllosen Klima-, Hunger- bzw. Armutsflüchtlinge, deren Lebensgrundlage zerstört wird, damit die Menschen in den Wohlstandsregionen der Erde so weiterleben können wie bisher, und die mit allen Mitteln davon abgehalten werden, die für sie vorgesehenen Regionen zu verlassen.

Die Klimaschutzverhandlungen in Kopenhagen, bei denen auch über die Beibehaltung der CDM und weiterer armutfördernder Instrumente entschieden wird, verlaufen deshalb so zäh, weil der Kampf nicht gegen den Klimawandel ausgetragen wird, sondern gegen Konkurrenten des Anspruchs auf Weltführerschaft. Die alten Wirtschaftsmächte kämpfen gegen die aufstrebenden Mächte und beide Seiten zusammen gegen die seit jeher Marginalisierten und Verworfenen. Sie, die sich zur G-77 zusammengeschlossen haben, könnten die Klimaverhandlungen zum Scheitern bringen, sollten die Industriestaaten ihre sture Verweigerungshaltung beibehalten und die Treibhausgasemissionen nur unbedeutend senken - aber sind es nicht zynischerweise die ärmeren Staaten selbst, die dann den Schaden davontragen?

15. Dezember 2009