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RAUB/1022: EU-Kommission will Griechenland zum Ökostrom-Exporteur machen (SB)



Das mit internationaler staatlicher und privatwirtschaftlicher Beteiligung tief in die Verschuldung getriebene Griechenland soll in eine Art Ressourcenstaat unter der Kuratel einer oktroyierten Finanzadministration gewandelt werden. Vergleichbar mit Armutsländern wie Niger, in dem Uranerz abgebaut wird, oder DR Kongo, auf dessen Rohstoffe die Hightech-Industrie zugreift, sieht ein Vorschlag der EU-Kommission für ein sogenanntes Wachstumsprogramm Griechenlands vor, daß dort verstärkt die Einstrahlung der Sonne zur Produktion von elektrischem Strom genutzt werde. Der wäre dann für den Export, das heißt für den Verbrauch und Nutzen in den wohlhabenderen Staaten der Europäischen Union vorgesehen.

Laut Spiegel Online [1] sehen die Pläne der EU-Kommission vor, daß die griechische Wirtschaft durch die Ausdehnung des deutschen Erneuerbaren-Energien-Gesetzes auf Stromexport getrimmt wird. Demnach würden griechische Unternehmen, die beispielsweise Photovoltaik- oder Windkraftanlagen aufstellen, die in Deutschland geltenden Vergütungssätze für den ins Netz eingespeisten elektrischen Strom erhalten. Die Differenz zum üblicherweise geringeren Marktpreis würde auf die Verbraucher in Deutschland, die bereits eine Ökostromabgabe zahlen, umgelegt werden. Außerdem sehen die Pläne vor, daß die bundeseigene Staatsbank KfW Investitionen in die Ökostromproduktion finanziell fördert.

Aktuellen Meldungen zufolge lehnt die Bundesregierung die Vorschläge der EU-Kommission ab. [2] Aber es wäre sicherlich voreilig, daraus den Schluß zu ziehen, daß Deutschland die Pläne insgesamt verwirft. Möglicherweise werden sie in modifizierter Form umgesetzt, denn immerhin könnte die deutsche Öko-Industrie davon profitieren, wenn Griechenland seine deutlich üppiger mit Sonnenlicht beschenkten Flächen nicht mehr nur deutschen Urlaubern zum Zwecke der Regeneration ihrer Arbeitskraft zur Verfügung stellt, sondern auch den Betreibern von Photovoltaik-Parks und solarthermischen Kraftwerken, wovon zum Gutteil auch Investoren aus Deutschland profitieren dürften. Bereits heute tragen deutsche Unternehmen zwölf Prozent zum griechischen Bruttoinlandsprodukt bei. Das ist steigerbar.

Der Vorschlag der EU-Kommission ist nicht neu. Vor einigen Monaten warb Griechenland selbst um Investoren in Öko-Energieprojekte. Die Regierung will bis zum Jahr 2020 im Rahmen des Projekts "Helios" 2,2 Megawatt Solarstrom erzeugen. Die Neuerung besteht darin, daß ähnliche Ideen jetzt auf EU-Ebene vorgetragen und verfolgt werden, was ihnen mehr Gewicht verleiht.

Vieles im Umgang mit der Krise in Griechenland erinnert daran, wie reiche Länder und die globalen Finanzinstitutionen IWF und Weltbank mit verschuldeten Entwicklungsländern aus Afrika umgesprungen sind. Ihnen wurden unter dem Vorwand der Konsolidierung der haushalts- und wirtschaftspolitischen Verhältnisse sogenannte Strukturanpassungsprogramme auferlegt, welche ähnlich den Griechenland aufgezwungenen Austeritätsprogrammen Maßnahmen wie die Streichung staatlicher Subventionen, den Abbau des Beamtenapparats, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst, Abwertung der Währung (ist in Griechenland nicht möglich) und auch Privatisierung des Volkseigentums umfaßt haben.

Auch wenn die Pläne der EU-Kommission über den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Griechenland ein "Nebenkriegsschauplatz" im Vergleich zu den am Sonntag erfolgten Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und griechischer Regierung über die Bewältigung der Schuldenkrise sind, zeigen sie mit besonderem Blick auf die Öko-Industrie, daß sich diese reibungslos in einen ordnungspolitischen Rahmen der Züchtigung eines Staates, respektive dessen Bevölkerungsmehrheit einbinden läßt. Die Aussichten Griechenlands, sich von der Rolle eines Ressourcenlieferanten für Ökostrom zu emanzipieren, indem es die grünen Technologien zur Energiegewinnung adaptiert, müssen als gering eingeschätzt werden. Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft werden es zu verhindern wissen, daß ihnen eine ernsthafte Konkurrenz erwächst.

So wie jahrzehntelang und eigentlich noch bis heute von den reichen Ländern unterbunden wurde oder eben weiterhin wird, daß afrikanische Ressourcenländer an der Wertschöpfungskette partizipieren, indem sie eine nennenswerte Weiterverarbeitungsindustrie aufbauen, soll Griechenland die Funktion eines Peripheriestaats erfüllen. Der Zweck der Verschuldung und - vermittelt über die Verzinsung - des Haltens in unauflösbarer Schuldabhängigkeit besteht darin, Kontrolle auszuüben und bis zur Unauflösbarkeit zu vertiefen. Mit Technologien zur Produktion von Ökoenergie geht das genauso wie mit jeden anderen.

Photovoltaik- und Windkraftanlagen sind nur insofern "alternativ", als daß sie eine Variante der Ausbeutung menschlicher Produktivkraft bilden. Die griechische Schuldenkrise wird dazu benutzt, direktere Formen der Schuldbegleichung zu etablieren, nicht mehr vermittelt über den Euro. Als Gegenleistung für die Produktion und Lieferung von Ökostrom wird ein Schuldenabtrag in Aussicht gestellt. Zu einer vollständigen Entschuldung wird es jedoch niemals kommen. Das hat Griechenland ebenfalls mit afrikanischen Entwicklungsländern gemeinsam. Die auf dem G8-Gipfel 1999 in Köln und den jährlichen Folgetreffen der Gruppe der acht führenden Wirtschaftsnationen großspurig angekündigten Entschuldungsinitiativen haben nicht zu einem vollständigen und anhaltenden Schuldenerlaß der Armutsländer geführt und sollten es auch gar nicht. Sind doch Schulden als Herrschaftsinstrument überaus nützlich, geradezu unverzichtbar. Beispielsweise um ein Kerneuropa durchzusetzen, zu dem das Ökostrom liefernde Griechenland nicht gehören soll.



Anmerkungen:

[1] "Deutsche Stromkunden sollen griechische Wirtschaft ankurbeln", Spiegel Online, 5. Februar 2012
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,813384,00.html

[2] "Bundesregierung lehnt Strom-Subventionen für Griechenland ab", Focus, 5. Februar 2012
http://www.focus.de/politik/schlagzeilen/

5. Februar 2012