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RAUB/1031: Panzer, Rennwagen ... Räder müssen rollen für den Sieg des fossilen Kapitalismus (SB)




Dröhnende Rennwagen, deren zu Tränengas mutierte Auspuffschwaden die demonstrierenden Bürger des Golfkönigreichs Bahrain einnebeln, während sich ihr Monarch im Cockpit mit dem Sportvermarkter Bernie Ecclestone vergnügt - die Grafittis in den Straßen der Hauptstadt Manama setzen das Sportspektakel der Formel 1 ins Bild einer neokolonialistischen Arroganz, die das in diesem Land herrschende Gewaltverhältnis auch in seiner internationalen Dimension illustriert. So fand die blutige Niederschlagung des arabischen Frühlings in Bahrain vor einem Jahr in den NATO-Staaten auch deshalb wenig Beachtung, weil sie im Einvernehmen mit der US-Regierung und unter Beteiligung saudischer Truppen erfolgte. Gegen seine Unterdrückung wehrt sich vor allem der schiitische Teil der Bevölkerung Bahrains, was westlichen Politikern damals Anlaß zu der Unterstellung gab, die iranische Regierung hätte den Aufstand wenn nicht initiiert, dann doch unterstützt. Dieser Vorwurf konnte zwar nicht belegt werden, erklärt jedoch, warum die Begeisterung für die Arabellion in Tunesien und Ägypten, die man in den USA und der EU demonstrativ zur Schau stellte, nachdem sich erwiesen hatte, daß die bisherigen Vasallen in Tunis und Kairo nicht mehr zu halten waren, nicht auch bei der Erhebung in Bahrain gezeigt wurde.

Nachdem die NATO-Staaten im nordafrikanischen Libyen den antiautoritären Charakter der arabischen Aufstände in ein Projekt für die Freiheit des transnationalen Anlagekapitals und die mit diesem gutgeschmierte Demokratie verwandelt haben, zeigt ihre Unterhaltungsindustrie, daß sich das Prinzip sportlicher Fairness am besten praktizieren läßt, wenn hochkalibrige Waffen mit im Spiel sind. Ließ die über Libyen operierende Bomberarmada der NATO Tod und Verderben aus unangreifbarer Höhe auf die loyal zur damaligen Regierung des Landes stehenden Truppen und Menschen regnen, so wird der Rennzirkus in Bahrain von schwerbewaffneten Soldaten gegen den Protest der Bevölkerung gesichert.

Ganz nach der Art moderner Herrenreiter geben die Fahrer der Formel 1 bestenfalls gelangweilte Kommentare von sich, wenn sie danach gefragt werden, ob der Grand Prix unter diesen Umständen hätte stattfinden sollen. "Unser Job ist der Sport", meint der siegreiche Sebastian Vettel lakonisch, und auch seine Kollegen sind die Coolness in Person, wenn sie auf die Unterdrückung der Bevölkerung Bahrains angesprochen werden. Söldnern nicht unähnlich machen diese Profis ihren Job unter allen Bedingungen, wenn nur die Kasse stimmt, und fragen nicht weiter danach, wer unter die Räder ihrer Boliden kommt. Sie arbeiten in einem Geschäft, in dem die Interessen transnationaler Konzerne mit den Repressalien diktatorischer Regimes Hand in Hand zum Wohl einer industriellen Produktivität gehen, die hier wie dort das System autoritärer Klassenherrschaft fortschreibt. Die aus dem Grand Prix fließenden Erlöse kommen der bahrainische Herrscherdynastie Khalifa ebenso zugute wie europäischen Teilhabern und internationalen Sportmedien. Die aus dem Geld des Khalifa-Klans wie anderer arabischer Investoren gebildeten Beteiligungen an Rennställen, die die Namen großer Automarken tragen, strafen die Behauptungen der Formel 1-Manager, man sei nur wegen des Rennsportes in Bahrain, ebenso Lügen, wie es die Werbelogos großer westlicher Konzerne auf den Wagen und den Anzügen der Fahrer tun.

Alle Welt weiß um den hochprofitablen Charakter derartiger Events und die bevorzugte Nutzung des Sports für den Imagetransfer. Um so deutlicher tritt hervor, daß das Blut auf den Straßen Bahrains die Veranstalter eines Entertainments, das sich als Schaufenster einer besonders zerstörerischen Technologie, des fossilen Automobilismus, gerne mit dem Ruhm waghalsiger Männer schmückt, nicht besonders irritiert. Sie wissen sehr genau, daß es ihrem an den Leistungsmerkmalen PS-starker HighTech-Erzeugnisse weit mehr als an einem schonenden Umgang mit verbliebenen Ressourcen interessierten Publikum so ziemlich egal ist, ob dabei über Leichen gegangen wird. Die Inszenierung eines Sports, dessen Helden sich seit jeher im Glanz einer Bewunderung sonnen können, wie sie in Kriegszeiten gerne erfolgreichen Jagdfliegern zuteil wurde, in einer Region des Südens, deren wichtigste Ressource eine den Planeten unter dem Asphalt der Straßen begrabenden und mit Autos überschwemmenden Industrieproduktion befeuert, die wiederum verheerende Kriege auslöst unter Beteiligung derjenigen Staaten, die den fossilen Kapitalismus am meisten repräsentieren, könnte die Maßgaben imperialistischer Politik nicht folgerichtiger dokumentieren.

23.‍ ‍April 2012