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RAUB/1150: Afrika - Wirtschaftskolonie und Schuldenvasall ... (SB)



Wir begrüßen Afrika im Expresszug der chinesischen Entwicklung
Präsident Xi Jinping beim China-Afrika-Gipfel in Beijing [1]

In der Konkurrenz um Einfluß und Zugriff auf dem afrikanischen Kontinent ist China auf breiter Front und mit einer Beschleunigung auf dem Vormarsch, die in Europa und den USA mit Argwohn verfolgt wird. Auf einem der zentralen künftigen Schlachtfelder um die rapide schwindenden Ressourcen menschlichen Überlebens, zugleich der Weltregion mit dem schnellsten Bevölkerungswachstum und einer der akutesten Gefahrenlagen angesichts des Klimawandels, werden heute Positionen bezogen und Sphären abgesteckt, um die günstigste Ausgangsposition in den Kämpfen und Kriegen von morgen zu erringen.

Mit welcher strategischen Weitsicht und Entschlossenheit die chinesische Führung zu Werke geht, unterstreicht der zweitägige China-Afrika-Gipfel in Beijing, auf dem zahlreiche Staats- und Regierungschefs afrikanischen Staaten vertreten sind. Der Gipfel fand im Oktober 2000 erstmals in Beijing statt und wird seither alle drei Jahre abwechselnd in der chinesischen Hauptstadt und in einem Land Afrikas abgehalten. Er hat den Ausbau der chinesisch-afrikanischen Beziehungen konsequent begleitet und jedesmal Schritte zu einer engeren Kooperation erfolgreich auf den Weg gebracht. So steht die aktuelle Tagung denn auch unter dem Motto: "China und Afrika: auf dem Weg zu einer noch stärkeren Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft durch Win-win-Kooperation". [2]

Im Jahr 2000 lag das Handelsvolumen lediglich bei zehn Milliarden US-Dollar, nicht einmal der Hälfte des deutsch-afrikanischen Warentauschs, während die chinesischen Investitionen kaum dreistellige Millionenhöhe erreichten. Schon 2009 war China im Ländervergleich zum größten Geschäftspartner des Kontinents aufgestiegen und hat diese Position nicht mehr eingebüßt, wenngleich sich 2015 aufgrund der einbrechenden Rohstoffpreise größere Umbrüche ergaben. Aus heutiger Sicht ist das Handelsvolumen enorm gestiegen und hat sich in nur 17 Jahren verzwanzigfacht. Noch gehen 35 Prozent der afrikanischen Exporte in die EU, 18 Prozent in andere afrikanische Länder und jeweils nur zehn Prozent nach China und in die USA. Auch ist China derzeit nur für etwas mehr als fünf Prozent aller Investitionen in Afrika verantwortlich, während das amerikanische Investitionsvolumen noch immer mehr als doppelt so hoch ausfällt. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Chinesen auf- und überholen, dürfte sich dieses Verhältnis jedoch erheblich verschieben. [3]

Zunächst ging es vor allem um die Extraktion von Ressourcen wie Öl, Mineralien und Kupfer wie auch Landgrabbing größten Ausmaßes, um den immensen Bedarf Chinas zu decken. Im Gegenzug wuchs der Export chinesischer Konsumgüter aller Art für den Alltagsgebrauch. Zudem finanzierte Beijing zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen wie den Bau von Eisenbahnlinien, Straßen, Häfen, Flughäfen und Staudämmen in Form von Krediten und investierte in Minen, Fabriken, Raffinerien, Stadien und Einkaufszentren. Auf dem Gipfel 2015 in Johannesburg wurde dann als Kurswechsel vereinbart, daß chinesische Unternehmen Produktionsstätten in Afrika aufbauen, Arbeitsplätze schaffen, Personal ausbilden und Technologietransfer leisten sollen. Dies eröffnete der chinesischen Industrie die Chance, Fabriken, die aufgrund der in der Volksrepublik steigenden Löhne nicht mehr genügend Gewinn abwarfen, in afrikanische Niedriglohnländer zu verlagern. Inzwischen fließen etwa 13 Prozent der chinesischen Investitionen in den Aufbau von Produktionsstätten.

In Johannesburg wurde zudem vereinbart, daß Stipendien an Studenten aus afrikanischen Ländern vergeben, Arbeitskräfte ausgebildet und Afrikaner zu Fortbildungsmaßnahmen in die Volksrepublik geholt werden sollen. Wenngleich die entsprechenden Resultate schwer überprüft werden können, hat die Zahl afrikanischer Studenten in China jedenfalls vor zwei Jahren erstmals die Zahl jener überstiegen, die in Großbritannien oder Amerika studieren.

Zwischen China und den Staaten Afrikas wächst zudem die militärische Zusammenarbeit. Im vergangenen Jahr wurde mit der Eröffnung einer Militärbasis in Dschibuti am Horn von Afrika der erste chinesische Stützpunkt im Ausland seit Ende des Koreakrieges eröffnet. Er dient vor allem als Logistikzentrum für die Marine, die China zum Schutz von Handelsschiffen dort stationiert hat. Die Volksrepublik und die afrikanischen Staaten wollen gemeinsam gegen Piraten vorgehen und die Kontrolle wichtiger Seehandelsrouten verbessern. Die Summe von 100 Millionen US-Dollar wurde bereitgestellt, um eine von der Afrikanischen Union geführte Einsatztruppe auszurüsten, die im Falle von Konflikten eingreifen soll. Zudem wurde ein Austausch von Militärpersonal bei Konferenzen und Manövern eingeleitet. Laut Angaben von SIPRI hat China seinen Anteil an den Rüstungslieferungen nach Afrika auf 17 Prozent im Zeitraum von 2013 bis 2017 gesteigert.

Im Mittelpunkt des siebten China-Afrika-Gipfels steht die Neue Seidenstraße (One Belt, One Road). Vor fünf Jahren ins Leben gerufen, besteht das Ziel darin, die Verbindung zwischen China und Europa durch den Bau massiver Infrastruktur zu verbessern, darunter der Anschluß an die ost- und nordostafrikanische Küste. Neben Ägypten sollen am Ende auch Länder wie Äthiopien und Kenia in das gigantische Vorhaben einbezogen werden. So gilt die neue Schienenverbindung aus der kenianischen Hafenstadt Mombasa nach Nairobi als ein Projekt in diesem Zusammenhang. Mit einem Volumen von bis zu einer Billion US-Dollar wollen die Chinesen dabei so viel Geld für die Neue Seidenstraße mobilisieren, wie seit dem Marshallplan nirgendwo sonst international geflossen ist. Ein aktueller Pentagon-Bericht warnt wenig geistreich: "Länder, die an der Neuen Seidenstraße teilnehmen, könnten in wirtschaftliche Abhängigkeit von chinesischen Krediten geraten, was China als Hebel nutzen könnte, um seine Interessen zu erreichen." Kostspielige Prestigeprojekte wie jene der Eisenbahnstrecke Nairobi-Mombasa könnten nach Einschätzung des IWF zudem dazu führen, daß der kenianischen Regierung die Mittel für andere wichtige Investitionen fehlen. [4]

Wie intensiv derzeit um den Einfluß in afrikanischen Ländern gerungen wird, unterstreichen hochrangige Staatsbesuche. Vor wenigen Wochen unternahm der chinesische Staatschef Xi Jinping eine ausgedehnte Afrikareise, die ihn in den Senegal, nach Ruanda, Südafrika und Mauritius führte. Bundeskanzlerin Angela Merkel war jüngst im Senegal, in Mali und in Nigeria zu Gast, wo Investitionen und insbesondere die Flüchtlingsabwehr zur Sprache kamen. Fast hätten sich ihre Wege mit denen Theresa Mays gekreuzt, da die britische Premierministerin fast zeitgleich die englischsprachigen Länder Südafrika, Nigeria und Kenia besuchte. Für britische Unternehmen, die es nach dem Brexit in Europa schwerer haben werden, ist Afrika ein bedeutender Wachstumsmarkt. So gab Theresa May das ambitionierte Ziel vor, "dass Großbritannien bis 2022 der wichtigste Investor in Afrika aus dem Kreis der sieben führenden Industrienationen wird". [5]

Frühere Kolonialmächte wie England und Frankreich setzen aus historischen, kulturellen und sprachlichen Gründen auf ihre traditionellen Beziehungen zu afrikanischen Ländern. Allerdings arbeiten europäische Firmen für gewöhnlich nach den Regeln des Privatsektors, während sich chinesische Unternehmen in Afrika mit staatlicher Unterstützung und manchmal sogar unter staatlicher Führung Konkurrenzvorteile verschaffen können. Zudem scheint sich das ausgesprochen pragmatische Vorgehen der Chinesen in der öffentlichen Meinung auszuzahlen. So ermittelte der Umfragedienst Afrobarometer, daß rund zwei Drittel der Menschen in 36 afrikanischen Ländern China für einen "guten Einfluß" halten, auch wenn dort mehrheitlich noch immer das amerikanische Entwicklungsmodell bevorzugt wird.

Präsident Xi Jinping hat nun zur Eröffnung des Gipfels Chinas bislang umfassendste Aufbau- und Entwicklungsförderung für Afrika vorgestellt, die von konkreter Industrialisierungs-, Agrar-, Handels- und Kulturförderung über Klimaschutz bis zu militärischer Zusammenarbeit und gemeinsamer Sicherheitspolitik reicht. Sein Land wolle nicht nur den ärmsten Staaten des Kontinents die Schulden erlassen und besondere Fonds mobilisieren. Seine Regierung stelle für die Realisierung der ehrgeizigen Ankündigungen 60 Milliarden US-Dollar an Finanzhilfen bereit, davon 15 Milliarden als Schenkungen, der Rest als zinslose Darlehen oder Vorzugskredite. Er nannte Afrika eine Plattform für den Ausbau der Neuen Seidenstraße und ihrer riesigen Wirtschaftskorridore. "Wir wollen diese Straße zu einer Straße des Friedens, der Öffnung, der grünen Entwicklung und Innovation und der Verbindung zwischen unterschiedlichen Zivilisationen machen", sagte Xi. Sie sei auch ein Weg zur Verwirklichung des Traums von der nationalen Wiederentstehung sowohl von China als auch von Afrika.

Mehrere Staaten Afrikas haben schon vor Beginn des Gipfels eine Absichtserklärung unterschrieben, daß sie am Aufbau der Neuen Seidenstraße mitwirken wollen. Europäische Staaten hatten sich hingegen geweigert, einzeln die chinesische Erklärung zu unterschreiben, weil sie nicht konsultiert worden waren und die sogenannten Kerninteressen Chinas nicht anerkennen wollen, wozu auch die territorialen Ansprüche im Südchinesischen Meer gehören. Wie Xi versicherte, stelle China weder politische Bedingungen für seine wirtschaftliche Unterstützung des Kontinents, noch mische es sich dort in innere Angelegenheiten ein. [6]

Jenseits solcher offiziellen politischen Leitlinien stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die afrikanischen Ländern zumindest befristet vom wachsenden Einfluß Chinas profitieren könnten. Wenngleich es sich aufgrund der konvergierenden gesellschaftlichen Verhältnisse um keine Blockkonfrontation zwischen der Volksrepublik und den führenden westlichen Industriestaaten mehr handelt, sind Beijings Parameter nicht in allen Aspekten zwangsläufig deckungsgleich mit jenen der Konkurrenz. So zeichnen sich die China-Afrika-Gipfel bislang durch vergleichsweise konkrete Beschlüsse aus, die Kurskorrekturen vornehmen und diese tatsächlich umsetzen. Entscheidend wird letztendlich sein, ob die afrikanischen Länder in diesem Verhältnis Rohstofflieferanten und Absatzmärkte chinesischer Konzerne bleiben, die ihrerseits den Kontinent allenfalls noch als Niedriglohnstandort nutzen. Das würde die auf dem Gipfel proklamierte "Win-win-Kooperation" auf ganzer Linie konterkarieren.


Fußnoten:

[1] www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/china-verspricht-afrika-60-milliarden-dollar-hilfe-und-investitionen-a-1226258.html

[2] www.jungewelt.de/artikel/339057.focac-2018-keine-verlierer.html

[3] www.wiwo.de/politik/ausland/vor-china-afrika-gipfel-chinas-investitionen-in-afrika-werden-an-hoehe-oft-ueberschaetzt/22981526-2.html

[4] www.deutschlandfunk.de/china-afrika-gipfel-beziehungen-zu-afrikanischen-staaten.694.de.html

[5] www.tagesschau.de/ausland/china-afrika-gipfel-101.html

[6] www.welt.de/politik/ausland/article181408002/Neue-Seidenstrasse-Chinas-grosser-Sprung-nach-Afrika.html

4. September 2018


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