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RAUB/1212: Eizellspende - der Markt greift zu ... (SB)



Die Gebärfähigkeit von Frauen und die Manipulationsmöglichkeiten von Genen werden erforscht, um in Zukunft physische und psychische Qualitäten und das quantitative Auftreten bestimmter Menschentypen vor der Geburt genau festzulegen, entsprechend technisch zu planen und ihren Produktionsprozeß unter der Aufsicht von Menschenproduktionsspezialisten vollkommen zu kontrollieren. Wie jede andere Ware auch soll die Produktion der Ware 'Arbeitskraft' industrialisiert werden.
Gundula Kayser 1985 [1]

Der patriarchale Zugriff auf die Gebärfähigkeit der Frau wird vor allem aufgrund des Abtreibungsverbotes und der von sogenannten LebensschützerInnen erhobenen Forderung nach seiner Durchsetzung diskutiert. Die weiter anwachsende Bedeutung humangenetischer Forschung und reproduktionsmedizinischer Praxis hat jedoch neue Gründe für die fremdnützige Kolonisierung des Uterus geschaffen, die auch von Menschen gutgeheißen werden, die mit religiösen Eiferern und dem Nimbus göttlicher Schöpfung nichts am Hut haben. So nehmen lesbische und schwule Paare gerne die Leistungen reproduktionsmedizinischer Technik in Anspruch, um sich einen Kinderwunsch zu erfüllen, ohne auf die konventionelle heterosexuelle Zeugung zurückgreifen zu müssen. Wo sich SpenderInnen von Fortpflanzungsagentien finden, die diese Form des Kinderwunsches durch eine Samen- oder Eizellspende unterstützen, wird niemand geschädigt, da dies in gegenseitigem Einvernehmen geschieht.

Dennoch gibt es gute Gründe dafür, den liberalen, auch von Feministinnen befürworteten Umgang mit reproduktionsmedizinischen Techniken kritisch zu reflektieren. Das gilt zum Beispiel für das System sogenannter Leihmutterschaften. Dabei handelt es sich in der Regel um kommerzielle Dienstleistungen, bei denen in vitro gezeugte Kinder für Frauen ausgetragen werden, die dies weniger aufgrund medizinischer Indikationen als aus Gründen der Karriereplanung oder der Befürchtung, bleibende physische Spuren der Schwangerschaft zu erleiden, in Anspruch nehmen. Was für manche Leihmütter eine kommerzielle Dienstleistung wie jede andere ist, stellt andere vor das Problem, die vorher vertraglich festgelegte Abgabe des Kindes nach der Geburt auf traumatisierende Weise erleben zu müssen. Zumindest dann, wenn eine Leihmutterschaft aus ökonomischer Not erfolgt, die Dienstleistung also nur formal freiwillig erbracht wird, handelt es sich bei dieser Form von Ausbeutung durch Lohnarbeit um alles andere als eine wünschenswerte Angelegenheit.

Gleiches gilt für die kommerzielle Indienstnahme von Frauen zur Erzeugung von Eizellen. Als Inkubatoren einer biologischen Funktion, die sich noch nicht im Labor simulieren läßt, werden weibliche Körper als Produktionsstätten für Eizellen genutzt. Beim Stand medizinischer Technik bedarf dies zum einen der hormonellen Stimulation der Ovarien und zum andern des mechanischen Eingriffes zur Entnahme der Eizellen. In beiden Fällen ist die Gefahr langfristiger Schädigung bis hin zur Entwicklung von Tumoren zumindest nicht zweifelsfrei widerlegt. Bei der künstlichen Stimulierung der Eizellproduktion, ob zur In-vitro-Fertilisation des eigenen Kindes oder für andere Zwecke, werden weit mehr Eizellen erzeugt als im normalen Menstruationszyklus. Diese durch die Zufuhr von Gonadotropinen - Sexualhormone, die die Funktion der Keimdrüsen stimulieren - initiierte Mehrbeanspruchung kann zu einem Ovariellen Hyperstimulationssyndrom (OHSS) führen, das im Extremfall zu einer lebensbedrohlichen Situation führt, aber auch in weniger schlimmen Stadien unangenehme Symptome hervorbringt.

In Kalifornien wurde im September ein Gesetz zur Kommerzialisierung von Eizellspenden zum Zwecke der Forschung verabschiedet. Falls Gouverneur Newsom nicht sein Veto einlegt, wird mit diesem Gesetz auch der Weg freigemacht für die umfassende Subventionierung an privatwirtschaftlichen Instituten unternommener Erforschung humangenetischer Medizin. Dort ist die Nachfrage nach diesen Reproduktionsagentien so groß geworden, daß sie nicht mehr durch unentgeltliche Spenden befriedigt werden kann. Eizellen sind nicht nur Rohstoff für die Erforschung genetisch bedingter Erkrankungen, sie werden auch an finanziell gut ausgestatteten transhumanistischen Instituten für wissenschaftliche Zwecke aller Art nachgefragt, etwa bei dem Versuch, überdurchschnittliche Langlebigkeit herzustellen. Es geht auf jeden Fall um weit mehr als den Wunsch nach einem Kind, in dessen genetischer Ausstattung zumindest ein Elternteil präsent ist und den manche Paare nur mit Hilfe von Samen- oder Eizellspenden erfüllen können.

Gegen dieses Gesetz hat sich ein breites Bündnis meist feministisch gesonnener Frauen gebildet, das zumindest die ausführliche Erforschung der Risiken hormoneller Stimulation vor der Legalisierung kommerziell produzierter Eizellen verlangt. Zu diesem Bündnis gehören mehrere Gruppen von Frauen aus nichtweißen Minderheiten [2]. Sie treten für die Autonomie ihrer reproduktiven Rechte ein, weil sie genau wissen, daß die hauptsächlich betroffenen Frauen sozialökonomisch ohnehin benachteiligten ethnischen Minderheiten angehören. Auch wenn die Zeiten linker Biomedizin- und Eugenikkritik vorüber zu sein scheinen, machen es die Fortschritte bei der Zurichtung des Menschen auf ein humangenetisch reguliertes Funktionssystem doch erforderlich, diese Entwicklung im Kontext kapitalistischer Verwertungslogik zu kritisieren.

Heute wird bereits in einigen Ländern vorgeburtliche geschlechtsspezifische Selektion betrieben, was in der Regel gleichbedeutend mit der Diskriminierung weiblichen Nachwuchses ist. In der Bundesrepublik wurde gerade die Zulassung des pränatalen Bluttestes gegen Trisomie als Kassenleistung beschlossen, was unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen und der Propagierung normgerecht optimierter Körperlichkeit in die behindertenfeindliche Selektion von Trisomie-Kindern auf breiter Basis münden wird. Im Rahmen der anwachsenden Klimakatastrophe wird absehbar mit humangenetischen Mitteln versucht werden, die Resilienz von Menschen durch die genetische Programmierung bestimmter physischer Eigenschaften zu verstärken. Eugenische Auslese im sozialrassistischen Sinne wird nicht mehr nötig sein, wenn die Intervention in die Keimbahn erst einmal den Stand erreicht hat, humangenetische Züchtungsergebnisse vorzeigen zu können, in denen die kapitalistische Verwertungslogik adäquat abgebildet wird.

Daß die Hervorhebung des als stark und schön Gefeierten immer eine Herabwürdigung als schwach und häßlich diffamierter Menschen bedeutet, wird heute wieder mit Begriffen wie Ableismus kritisiert, und in der Intersektionalitätsforschung wurde die Mehrfachdiskriminierung nichtweißer lesbischer Frauen als besonders schwerwiegende Form der Diskriminierung erkannt. Dementsprechend wäre es an der Zeit, an die Wissenschaftskritik früherer Jahre anzuknüpfen und die kritische Masse antikapitalistischer, feministischer, radikalökologischer und queerer Bewegungen auf Herausforderungen vorzubereiten, die häufig genug hinter der These von der angeblichen Neutralität technischer Mittel und Verfahren verborgen bleiben.


Fußnoten:

[1] entnommen aus: Thomas Meyer - Zwischen Ektogenese und Mutterglück
https://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=aktuelles&index=22&posnr=695

[2] https://www.geneticsandsociety.org/sites/default/files/2019-09/AB%20922_Oppositon%20Fact%20Sheet.pdf

2. Oktober 2019


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