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REPRESSION/1361: Holder schließt Scheitern des Schauprozesses gegen Khalid Sheikh Mohammed aus (SB)



Das vor einem New Yorker Gericht geplante Verfahren gegen Khalid Sheikh Mohammed soll als pompös inszenierter Schauprozeß die große Scharade des 11. September 2001 dramaturgisch mit dem Schlußkapitel Schuld und Sühne abrunden. Das Drehbuch liegt vor, worin offenbar bereits festgeschrieben steht, daß der Angeklagte zum Tode verurteilt und alle Zweifel und Fragen angesichts einer Legion nie gelöster Rätsel und eklatanter Widersprüche im Kontext der Anschläge von New York und Washington mit ihm zu Grabe getragen werden. Man könnte bereits die Geschichtsbücher in Druck legen, worin zu lesen steht, daß Khalid Sheikh Mohammed die ruchlosen Taten geplant hat und dank des konsequenten "Antiterrorkriegs" der Vereinigten Staaten gefaßt und samt den wichtigsten Mittätern zur Rechenschaft gezogen wurde.

Khalid Sheikh Mohammed zählt zu den am schwersten gefolterten Opfern der CIA, welche diese Tortur überlebt haben. Offenbar an Körper und Geist gebrochen, gestand er die Planung zahlloser Anschläge und verlangte sein eigenes Todesurteil - vielleicht weil er darin die einzig verbliebene Möglichkeit der Flucht vor seinen Peinigern sah. Daß er unter der Folter alles sagte, was man von ihm hören wollte, liegt auf der Hand. Auch kann er an der Vielzahl von Attentaten, deren Planung er für sich reklamiert, unmöglich beteiligt gewesen sein.

Im parteipolitischen Hauen und Stechen vor dem Justizausschuß des US-Senats spielten grundsätzliche Zweifel an Geständnis und Täterschaft Khalid Sheikh Mohammeds allerdings nicht die geringste Rolle, stritt man sich doch lediglich hitzig um die Frage, wie der favorisierte Ausgang des Verfahrens am sichersten und überzeugendsten zu gewährleisten sei. In diesem Zusammenhang von einer Vorverurteilung des Angeklagten zu sprechen, wäre geradezu euphemistisch, da die Ausschußmitglieder und geladenen Zeugen der Anhörung in aller Offenheit diskutierten, auf welche Weise sich ein unerwünschter Urteilsspruch am ehesten ausschließen ließe.

Wie der "Christian Science Monitor" (18.11.09) berichtete, würden die meisten republikanischen Mitglieder des Ausschusses lieber ein Verfahren vor einem Militärtribunal sehen, das eine Verurteilung de facto garantiert. Hingegen hielten die Demokraten in diesem Gremium das zivile Justizsystem für robust genug, die "Terroristen" für ihre Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Beide Lager waren sich augenscheinlich darin einig, daß Schuldsprüche erwirkt werden müssen, wobei die einen auf Nummer sicher gehen wollen, die andern die bestmögliche Inszenierung für die Öffentlichkeit in den Vordergrund stellen. Würden Khalid Sheikh Mohammed und die anderen Angeklagten von einem Militärgericht abgeurteilt, haftete diesem Schuldspruch der Makel einer Sondergerichtsbarkeit an. Erzielt man das angestrebte Resultat vor einem zivilen Strafgericht noch dazu gewissermaßen in Sichtweite des zentralen Tatorts, ließe sich Legitimität in einem beträchtlich höheren Ausmaß suggerieren.

Allerdings kann diese Kumpanei die klammheimliche Furcht nicht verhehlen, daß ein Zivilgericht die traditionellen Standards von Recht und Gesetz zugrunde legen und beispielsweise die unter Folter erzwungenen Geständnisse nicht als Beweismittel zulassen könnte. Würde der jahrelang als Kopf und Drahtzieher der Anschläge ausgewiesene Khalid Sheikh Mohammed freigesprochen, wäre dies ein unerhörtes Debakel und zugleich ein aus administrativer Sicht nicht hinzunehmender Rückschlag auf dem Feld zugespitzter Rechtsnormen.

Justizminister Eric Holder räumte vor dem Ausschuß ein, daß seine Entscheidung, Khalid Sheikh Mohammed und den vier anderen Angeklagten in New York den Prozeß zu machen, durchaus kontrovers beurteilt werden könne. Wie er jedoch wörtlich erklärte, sei ein Scheitern keine Option. Diese Fälle müßten gewonnen werden, und er gehe nicht davon aus, daß es zu einem gegenteiligen Resultat kommt. Doch selbst wenn die Angeklagten im bevorstehenden Prozeß freigesprochen würden, werde man sie kaum auf freien Fuß setzen, sondern voraussichtlich auf unbegrenzte Zeit in militärische Haft nehmen. Diese Einlassung des Justizministers unterstreicht, daß von Rechtsprechung im herkömmlichen Sinn kaum noch die Rede sein kann.

Die Äußerung Holders veranlaßte denn auch den republikanischen Senator Charles Grassley aus Iowa zu dem Einwand, er sei zwar nur ein Farmer und kein Jurist. Dennoch frage er sich, wie der Justizminister erklären könne, daß ein ausbleibender Schuldspruch keine Option sei, wo man doch in den USA Geschworene habe.

Der Republikaner Jon Kyl aus Arizona wollte von Holder wissen, ob man nicht vor einem Militärtribunal, das Beweismittel großzügiger handhabt, leichter einen Schuldspruch erzielen könne, zumal sich Khalid Sheikh Mohammed ja bereits vor einer solchen Kommission schuldig bekannt und seine Hinrichtung erbeten habe.

Diesen Einwand wischte Holder mit den Worten vom Tisch, er lasse sich seine Entscheidungen nicht von den Wünschen und Launen des Angeklagten diktieren. Was Khalid Sheikh Mohammed heute wolle, wisse man ohnehin nicht. Er werde sich jedenfalls nicht danach richten, was "ein Terrorist, ein Mörder" verlange. Auch diese Passage dokumentiert, daß eine Unschuldsvermutung für den Justizminister offenbar nicht existiert, der den Prozeß damit zu einer Formalie erklärt, die man wie vorgesehen über die Bühne bringen müsse.

Ganz wohl war Holder angesichts der dennoch nicht restlos auszuschließenden Möglichkeit eines Freispruchs mangels stichhaltiger Beweise vor einem Zivilgericht augenscheinlich nicht. Wie er nämlich versicherte, verfüge die Regierung über neue hieb- und stichfeste Beweise, weshalb man nicht ausschließlich auf Geständnisse und Zeugenaussagen angewiesen sei. Dieses Material sei überzeugend und werde eine entscheidende Rolle im Prozeß spielen. Worum es sich dabei handelt, wollte der Minister freilich nicht sagen, so daß man aller Voraussicht nach bis Prozeßbeginn darüber Mutmaßungen anstellen wird, ob es sich bei der Äußerung um eine taktische Luftblase gehandelt hat oder tatsächlich noch klammheimlich etwas Konkreteres als unter Folter erzwungene Geständnisse fabriziert worden ist.

Immer wieder kreisten die Fragen des Ausschusses an Holder darum, ob man eine Freilassung der Angeklagten wirklich restlos ausschließen könne. Beispielsweise könnte ein Richter aus der Durchführung des Prozesses vor einem Zivilgericht den Schluß ziehen, daß der Angeklagte als Straftäter einzustufen sei und demzufolge nicht mehr unter Kriegsrecht gestellt und in Militärhaft genommen werden darf.

Der Justizminister erklärte nach einigem Zögern schließlich sinngemäß, man werde die Möglichkeit einer Haft unter Kriegsrecht aufrechterhalten. Wenngleich der US Supreme Court entschieden hat, daß die Regierung niemanden auf unbegrenzte Zeit inhaftieren darf, sieht Holder keine Probleme. Die Administration verfüge über andere Optionen, um Khalid Sheikh Mohammeds Freilassung zu verhindern. Man könne dafür sorgen, daß dieser keinesfalls in den USA auf freien Fuß kommt, und sei der Auffassung, daß die Justiz nicht ermächtigt ist, eine Freilassung [von Gefangenen im Ausland] zu erwirken.

Daß diese Worte einem Kabinettsmitglied Barack Obamas nicht eben leicht über die Lippen kamen, kann man nachvollziehen. Da Holder im Verlauf der Anhörung wie schon zuvor der Präsident einräumen mußte, daß man sich außerstande sehe, Guantánamo mit seinen derzeit 215 Gefangenen wie angekündigt am 22. Januar zu schließen, erübrigt sich bei Aufrechterhaltung des Kriegsrechts und Gefängnissen in Übersee natürlich die Frage, was diese Präsidentschaft eigentlich von der vorangegangenen unterscheidet.

21. November 2009