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FLUCHT/001: Somalia - Leben in Trümmern, Flüchtlinge kehren in das zerstörte Mogadischu zurück (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Januar 2012

Somalia: Leben in Trümmern - Flüchtlinge kehren in das zerstörte Mogadischu zurück

von Abdurrahman Warsameh

Somalischer Junge vor einem zerstörten Haus in Mogadischu - Bild: © Abdurrahman Warsameh/IPS

Somalischer Junge vor einem zerstörten Haus in Mogadischu
Bild: © Abdurrahman Warsameh/IPS

Mogadischu, 4. Januar (IPS) - Vier Jahre nach ihrer Flucht vor dem Bürgerkrieg kommen immer mehr Somalier mit Autos und Eselskarren in die kriegszerstörte Hauptstadt Mogadischu zurück. Ihre von der Artillerie zerschossenen Viertel waren früher Hochburgen der islamistischen Miliz Al-Shabab, die sich im August überraschend zurückzog.

Inzwischen wird der größte Teil von Mogadischu von Regierungstruppen kontrolliert, die Unterstützung von Soldaten der Afrikanischen Union (AU) erhalten. Auch wenn es in der Stadt noch Sicherheitsgefahren gibt, liegt über ihr zumindest ein Anschein von Normalität.

Die Bewohner der Hauptstadt haben damit begonnen, ihre Häuser und ihre Leben wieder aufzubauen. Offizielle Angaben zur Zahl der Heimkehrer gibt es allerdings nicht. Die meisten Menschen trauten sich bisher nicht in die Gebiete zurück, in denen die Islamisten Angst und Schrecken verbreitet hatten. Nur wenige Mutige wollen dort einen Neuanfang wagen.

Viele Flüchtlinge verbrachten die vergangenen Jahre unter schwierigen Umständen in provisorischen Unterkünften am Stadtrand. Maryam Guled lebte mit ihrem Mann und den fünf Kindern seit 2008 im Lager Elasha. Nun ist die Familie wieder in das Stadtviertel Hodan gezogen, wo sie vor der Flucht in einem Haus gewohnt und enge Kontakte zu ihren Nachbarn unterhalten hatten.


Verwandte und Nachbarn starben im Kugelhagel

Als Guleds Schwester zu Hause durch eine verirrte Kugel getötet wurde, brachte sich die Familie in Sicherheit. "Alles begann auseinander zu fallen, als unser Viertel 2008 unter einen Bombenteppich geriet und immer wieder Schießereien ausbrachen", erzählte Guled. "Meine Schwester und viele Nachbarn, die uns sehr nahe standen, starben vor meinen Augen. Wir flohen nur mit dem, was wir am Leibe trugen."

Wovon Guleds Familie die Instandsetzung des Hauses bezahlen soll, weiß sie nicht. Die somalische Übergangsregierung, die von den Vereinten Nationen und Geberstaaten alimentiert wird, hat nicht die notwendigen finanziellen Mittel, um den Menschen bei den Instandsetzungsarbeiten zu helfen. Und Hilfsorganisationen kümmern sich vor allem darum, den von der Hungersnot Vertriebenen die Rückkehr in den Süden des Landes zu ermöglichen.

Mogadischu birgt für die Heimkehrer nach wie vor große Risiken. In den ehemals von Al-Shabab besetzten Zonen liegen noch Hunderte scharfer Bomben verstreut, die die Islamisten dort platziert hatten, um Regierungstruppen und AU-Friedenssoldaten auf Distanz zu halten.

Somalische Regierungsvertreter warnen eindringlich vor den Sprengkörpern. Etliche Menschen sind bereits bei Explosionen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Auch die unterbezahlten Soldaten führen nicht immer Gutes im Schilde. Rückkehrer beschuldigen sie, Morde, Vergewaltigungen, Raubüberfälle und Plünderungen zu begehen.

In den ehemaligen Islamisten-Gebieten hat die Regierung den Notstand verhängt. Mehrere Soldaten wurden mittlerweile von Militärgerichten verurteilt. Auf Mord an Zivilisten steht die Todesstrafe, andere Verbrechen werden mit Haft geahndet. In jüngster Zeit haben die Verbrechen merklich nachgelassen.

Schulen und Märkte in Mogadischu öffnen erst allmählich wieder, während die Behörden noch damit beschäftigt sind, die Straßen wieder herzurichten. In mehreren Vierteln wurde bereits die Straßenbeleuchtung repariert und der Müll eingesammelt.

Dennoch ist die Infrastruktur bei weitem nicht ausreichend entwickelt. Fließendes Wasser und Strom werden nur von privaten Unternehmen geliefert. Und eine Wiedereröffnung der zerstörten Krankenhäuser in den früheren Vierteln von Al-Shabab ist noch nicht in Sicht.


Mangel an Wasser und Strom

Die fünfköpfige Familie von Dahir Kulmiye ist ebenfalls in ihr zerbombtes Haus zurückgekehrt, nachdem die Rebellen die Stadt verlassen haben. Der Mangel an Wasser und Strom sei eines der größten Probleme, meinte Kulmiye. Die Firmen täten aber ihr Bestes, um mehr Kunden beliefern zu können.

Die staatlichen somalischen Versorgungsbetriebe wurden während des 20-jährigen Bürgerkriegs völlig ausgeschaltet. Die privaten Dienstleistungen sind wiederum nicht für alle Somalier erschwinglich. Kulmiye hofft aber, dass seine Familie bald Licht haben wird. Auch die Trinkwasserzufuhr muss noch geregelt werden. Seine Kinder müssen solange eine weiter entfernte Schule besuchen, bis die näher gelegene Einrichtung repariert ist. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2012