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OFFENER BRIEF/018: Zivilklausel für das Karlsruher Institut für Technologie KIT (Dietrich Schulze)


Initiative gegen Militärforschung an Universitäten - 15.01.2010

Zivilklausel für Grundordnung des KIT


Wie erst jetzt bekannt wurde, hat der Senat der Universität Tübingen Ende Dezember auf Initiative von Studierenden die Aufnahme einer Zivilklausel in die Präambel der Grundordnung der Universität beschlossen: "Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Bewusstsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen erfolgen." Über die Folgerungen daraus für die Forschungsvorhaben und eine ggf. einzurichtende Prüfstelle wird noch im Einzelnen gesprochen.

In einem Offenen Brief haben sich nun Vertreter der Studierenden, der Gewerkschaften und der Friedensbewegung an Präsidium und Senat des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) - den Zusammenschluss von Universität Karlsruhe (Campus Süd) und Forschungszentrum Karlsruhe (Campus Nord) - mit der Forderung gewandt, diesem Beispiel zu folgen und damit den fragwürdigen Zustand einer geteilten Zivilklausel für Campus Nord und Campus Süd zu beenden.

Die Auffassung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, dass die Aufnahme einer Zivilklausel in die Grundordnung einer Universität aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich sei, war schon früher durch ein Rechtsgutachten widerlegt worden und ist nun in Tübingen faktisch widerlegt worden.

Die Unterzeichner bitten den Senat des KIT, von Ihrer autonomen Entscheidungsbefugnis Gebrauch zu machen und die Aufnahme der Zivilklausel in die Grundordnung zu beschliessen. Die nächste Senatssitzung findet am 18. Januar statt.

Anlage: Offener Brief


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14. Januar 2010

Offener Brief an Präsidium und Senat des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

Zivilklausel in die Grundordnung aufnehmen - dem Beispiel der Universität Tübingen folgen


Sehr geehrter Herr Prof. Hippler,
sehr geehrter Herr Prof. Umbach,
sehr geehrte Damen und Herren,

der Senat der Universität Tübingen hat am 17.12.2009 die folgende Ergänzung zur Präambel der Grundordnung beschlossen:

"Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Bewusstsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen erfolgen."

Über die Folgerungen für die Forschungsprojekte und eine ggf. einzurichtende Prüfstelle wird noch im Einzelnen gesprochen.

Die Forderung nach Aufnahme einer solchen Zivilklausel für das gesamte KIT wurde Ihnen mehrfach vorgetragen, zuletzt anlässlich des Antikriegstags 2009.

Sie wissen, welche Bedeutung diese zukunftsweisende Bestimmung für die Tätigkeit und das Ansehen des Forschungszentrums in der Vergangenheit besessen hat und Sie wissen, dass die Beschäftigten dazu stehen und weiter für ausschließlich friedliche Zwecke arbeiten wollen. Sie wissen auch, dass sich die Studierenden in einer Urabstimmung vor einem Jahr für eine einheitliche Zivilklausel ausgesprochen haben. Diese Forderung wurde kürzlich im Zusammenhang mit den Streikaktionen für eine bessere Bildung erneut erhoben.

Nicht nur wir sind der Auffassung, dass die gegenwärtige Situation einer geteilten Zivilklausel für Campus Nord und Süd völlig fragwürdig ist. Dies widerspricht der beabsichtigten vollständigen Verschmelzung. Bedenken, dass damit Kernforschung und Waffenforschung unter einem Dach angesiedelt worden ist, sind von über 100 internationalen Persönlichkeiten vorgetragen worden.

Aus dem Ministerium wurde Ihnen mehrfach erklärt, dass eine Zivilklausel für die Universität nicht möglich sei, weil diese der Verfassungsbestimmung der Freiheit von Wissenschaft und Forschung widersprechen würde. Diese Auffassung ist in einem Ihnen bekannten verfassungsrechtlichen Gutachten von Prof. Denninger widerlegt worden. Er weist nach, dass die Selbstbindung der Universitäten in Form einer Zivilklausel sehr wohl möglich ist und geht noch einen Schritt weiter. Dies steht in völliger Übereinstimmung mit der Friedensfinalität des Grundgesetzes.

Wir sind uns bewusst, welch enormer Druck von ergiebigen Finanzquellen aus Rüstungshaushalten ausgeht und dass einige KIT-Planungen als Folge einer einheitlichen Zivilkausel geändert werden müssten. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die WissenschaftlerInnen und Beschäftigten des KIT ohne weiteres in der Lage sind, ihr großes schöpferisches Potential ausschließlich auf friedliche Zwecken zu orientieren.

Sehr geehrte Mitglieder des Senats,

machen Sie bitte wie der Tübinger Senat von Ihrer autonomen Entscheidungsbefugnis Gebrauch und beschliessen die Aufnahme der Zivilklausel in die Grundordnung.

Wir alle leben in einer zerbrechlichen Welt.

Zivile, wirtschaftliche und humanitäre Konflikt- und Problemlösungen zu suchen, statt mit Krieg und Militäreinsätzen Sicherheit oder gar Gerechtigkeit schaffen zu wollen, ist das unabweisbare Gebot der Vernunft.

Dazu wird auch der Beitrag des KIT gebraucht, dem als öffentliche Bildungs- und Forschungsstätte eine große Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit zukommt.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Ziegler
ver.di Bezirk Mittelbaden-Nordschwarzwald

Sebastian Maisch
UStA der Universität Karlsruhe

Lothar Letsche
Fachgruppe Hochschule und Forschung der GEW Baden-Württemberg

Sonnhild Thiel
Friedensbündnis Karlsruhe

Dietrich Schulze
Initiative gegen Militärforschung an Universitäten


Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
siehe dazu im Schattenblick auch: www.schattenblick.de -> Infopool -> Politik -> Fakten
WISSENSCHAFT/991: Alternative Botschafter gegen Militärforschung an Universitäten (Dietrich Schulze)
WISSENSCHAFT/992: Neues vom Karlsruhe Institute of Technology - KIT (UZ)


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Quelle:
Pressemitteilung vom 15. Januar 2010
Dr. Dietrich Schulze
Initiative gegen Militärforschung an Universitäten
E-Mail: Dietrich.Schulze@gmx.de

Weitere Informationen:
www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2010