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STANDPUNKT/021: Beneidenswerte "Gemeinschaftsleistung à la Merkel (Hans Fricke)


Beneidenswerte "Gemeinschaftsleistung" à la Merkel

Von Hans Fricke, 13. Juli 2010


Wer glaubte, die Plattheiten und Lügen der deutschen Bundeskanzlerin ließen sich kaum noch steigern, der wurde durch ihr Interview mit dem Sportinformationsdienst (sid) am 2. Juli 2010 eines Besseren belehrt. Darin erklärte sie allen Ernstes: "Die überzeugenden Leistungen der Mannschaft passen gut zu dem Jubiläum, das wir dieses Jahr feiern: In den 20 Jahren der Einheit haben wir in Deutschland eine Gemeinschaftsleistung geschafft, um die uns viele Staaten auf der Welt beneiden." Entweder hat Angela Merkel jedes Gespür für die reale Lage in unserem Land verloren, oder sie meint, unser Volk noch weitere Jahre ungestraft an der Nase herumführen zu können. Der Verdacht liegt nahe, dass beides zutrifft.

Was es mit der von ihr am Vorabend des 20. Jahrestages der deutschen "Einheit" am 3. Oktober 2010 gefeierten "Gemeinschaftsleistung" in Wahrheit auf sich hat, erleben viele Millionen Bundesbürger am eigenen Leib.

Der tägliche Blick in die Zeitung genügt, um ihren Frust und ihre Zukunftsangst zu vergrößern, sich über die Kaltschnäuzigkeit, mit der die "etablierten" Parteien ihre Wahlversprechen brechen, die Opfer ihres Sozialraubes verhöhnen und eine Politik gegen den erklärten Willen unseres Volkes machen, zu empören und sich durch eine von Jahr zu Jahr zunehmende Wahlverweigerung von der Politik abzuwenden.

Für diese Lage trägt die Bundeskanzlerin ein besonders hohes Maß an politischer Verantwortung, denn sie ist es, die seit fast fünf Jahren mit ihrer Richtlinienkompetenz den Kurs der Bundesregierung bestimmt und damit über Wohl und Wehe vieler Millionen Menschen entscheidet.

Die gesetzgeberische Tätigkeit ihres zweiten Kabinetts reduziert sich bislang auf eine Steuerminderung für Mövenpick-Hotels und anderer Sponsoren der schwarz-gelben Regierungsparteien, ein sogenanntes Rettungspaket für Griechenland, das dort zur Verarmung der Lohnabhängigen und sozial Schwachen führt, einen "Euro-Rettungsschirm", der vor allem den Zweck hat, deutsche und französische Banker vor geringfügigen Verlusten zu schützen, und der selbst nach Einschätzung konservativer Euro-Zentristen sowohl gegen das Grundgesetz, als auch gegen geltendes EU-Recht verstößt und schließlich der Sparhaushalt 2011, der bei den Ärmsten der Armen streicht, kürzt, wegnimmt und, zusammen mit dem Röslerschen Krankenversicherungsmurks, den Besserverdienenden das Netto vom Brutto sichert. Denn darum geht es im Kern; das ist der Auftrag, den ihre Regierung im Interesse des Kapitals zu erfüllen hat: Einkommen und Vermögen der oberen Teile der Gesellschaft auf keinen Fall anzutasten. Und sowohl ihr "lieber Herr Ackermann" als auch ihr "lieber Herr Hundt" achten peinlich genau darauf, dass dieser Auftrag zu ihrer Zufriedenheit erfüllt wird. Die Geschäfte der herrschenden Klasse besorgt die Bundesregierung gegenwärtig unter Einschluss und Druck der derzeit am meisten extremistischen Partei unseres Landes, der FDP, die durch ihr zu weites Vorpreschen dafür sorgt, dass die tatsächlichen Machtverhältnisse sichtbar werden, worüber selbst ihre eigene Klientel zunehmend sauer wird, denn so offen mag sie die Ursprünge ihres Wohlstandes nicht öffentlich vorgeführt bekommen. Auch wenn der Schreihals Westerwelle im Ergebnis der Wahlen in Nordrhein-Westfalen etwas ruhiger geworden ist, lässt der Haushalt 2011 keinen Zweifel daran, dass sich am Ziel nichts geändert hat.

"Hier soll", so schreibt Arnold Schölzel zum verabschiedeten Haushalt 2011, "eine sozial anders gestaltete Gesellschaft herauskommen. Der Anspruch auf mehr erhält oben den Charakter eines feudalen Privilegs. Wer unten ist, für den wird der Weg nach noch weiter unten festgezurrt: Ein verrottetes Bildungssystem, Kinder- und Jugendarmut für einen wachsenden Teil, Drei-Klassen-Medizin und programmierte Altersarmut. Die Bundesregierung hat in zehn Monaten wichtige Weichen gestellt." Nimmt man die fortgesetzte Missachtung des Grundgesetzes und des Völkerrechts durch die Merkel-Regierung hinzu und ordnet die forcierte Beteiligung der Bundeswehr am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Afghanistan mit seinen vielen Toten und Verletzten entsprechend ein, dann sollte auch der Gutgläubigste begreifen, dass es sich bei der beneidenswerten "Gemeinschaftsleistung" à la Merkel um eine weitere Täuschung und Volksverdummung handelt.

Obwohl Letzteres offenkundig ist, fallen, wie die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika besonders eindrucksvoll bewies, leider noch zu viele Menschen auf die Meinungsmanipulation von Regierung und Konzernmedien herein. Während Deutschland in einem kollektiven Fußballrausch versank, nutzte die Politik die Weltmeisterschafts-Euphorie gezielt aus, um weitere soziale Grausamkeiten unter Dach und Fach zu bringen, worüber wohlgemerkt irgendwo ganz unten in den Medien informiert wurde. Tagesschau vom 6.7.2010: "Auf die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen kommen deutlich steigende Kosten zu." Ein böses Foul gegen alle gesetzlich Versicherten. Es wird teurer nach der WM-Party. Die Krankenkassenbeiträge steigen auf 15,5 Prozent. Und um den neuerlichen Griff in die Taschen des "kleinen Mannes" perfekt zu machen, verordnet ihm die Regierung unbegrenzte Zuzahlungen. Vergessen das Wahlkampfgetöns: Mehr netto vom brutto. Die Deutschen werden mehr für ihre Gesundheit bezahlen müssen als je zuvor.

Faule Kompromisse, schamlos gebrochene Wahlversprechen als Markenzeichen schwarz-gelber Politik - am besten dann, wenn Deutschland fußball-fiebert, bestätigt der ehemalige Regierungssprecher und Vertraute Angela Merkels. Thomas Steg, der ihre Politik jahrelang mitverkauft hat:

"Im Siegestaumel der Fußballeuphorie in Deutschland gehen natürlich solche bitteren Entscheidungen erst einmal unter. Die Menschen denken an alles Mögliche, aber jetzt nicht so sehr an ihre Krankenversicherungsbeiträge im Jahr 2011. Und da ist dann schon ein bisschen die Hoffnung dabei, dass eine Wutwelle, die es sonst vielleicht gegeben hätte - gerade in Boulevard-Medien - jetzt nicht stattfindet, weil nur noch über Löws Jungs nachgedacht wird." Diese perfide Art des Herangehens ist nicht neu. Auch zur Fußball-Weltmeisterschaft vor vier Jahren hieß es mitten im Jubel aus Berlin: Krankenkassenbeiträge rauf und rauf mit der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent. Einer fand das sogar richtig unmoralisch. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle meinte am 3. Juli 2006: "So ein Unfug. Mehrbelastungen der Bürger kann man am besten verstecken, wenn Deutschland auf Party ist."

Zur Europameisterschaft 2008 war es dann das Gesetz zur Arbeitnehmererfassung ELENA und jetzt 2010 ist es wieder das gleiche Spiel. Dazu noch einmal Ex-Regierungssprecher Thomas Steg:

"Die Menschen sind froh, sie wollen feiern, sie wollen gute Laune haben und sie nehmen gewissermaßen eine Auszeit von der Politik. Aber es gibt auch eine Zeit nach der Weltmeisterschaft, und dann gibt's auch wieder die bitteren Ergebnisse der Politik. Und die Menschen trennen sehr genau. Insofern - von dieser Fußballweltmeisterschaft wird es nicht den Befreiungsschlag für die Regierung geben." Schon jetzt ist absehbar, dass die Bundesregierung bei den nächsten Europa- und Weltmeisterschaften sich ähnliche Tricks einfallen lassen wird. Und wieder wird der Bundesgesundheitsminister von einem gelungenen Einstieg in eine sozial verträgliche Strukturreform reden. Sein "Argument" für die angebliche Sozialvertraglichkeit der jetzige Notoperation der Krankenkassenfinanzen, durch den Sozialausgleich aus Steuermitteln müssten auch die - überwiegend privat versicherten Gutverdiener einen solidarischen Beitrag zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung leisten, klingt zwar gut, ist aber ebenfalls ein Stück Leuteverdummung, denn dieser Ausgleich soll ja erst einsetzen, wenn der Zusatzbeitrag zwei Prozent des Bruttoeinkommens überschreitet. Das heißt konkret: Wer 2000 Euro brutto verdient, muss bis zu 30 Euro Zusatzbeitrag im Monat selbst aufbringen. Bei 1550 Euro ist das schmerzhaft. Um den Gutverdienern einen Solidaritätsbeitrag zur Finanzierung der gesetzlichen Kassen abzuverlangen, gäbe es bessere Wege: einen höheren direkten Steuerzuschuss zum Gesundheitsfonds zum Beispiel.

Von der schwarz-gelben Koalition ist nicht zu erwarten, dass sie die Finanzierung des Gesundheitswesens sozial verträglich und nachhaltig löst. Sie darf es nicht und sie will es auch nicht. Ihre Reformpläne bleiben Flickschusterei und deshalb werden noch in diesem Jahr die nächsten Reformen kommen müssen, wie Minister Rösler selbst eingesteht. Inzwischen mehren sich die Kritiken selbst von CDU-Ministerpräsidenten der Länder am Kompromiss der schwarz-gelben Koalition. Wirkliche strukturelle Veränderungen, wie zum Beispiel eine grundlegende Änderung des Systems der Krankenkassen, der Krankenversicherung, des Apothekerwesens, die Beseitigung der Allmacht der Pharmaindustrie und ein entschiedener und wirksamer Kampf gegen die Korruption im Gesundheitswesen bedürfen allerdings einer dem Allgemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger dienenden Bundesregierung - einer Regierung, von der die Merkel-Westerwelle-Seehofer-Regierung Lichtjahre entfernt ist. Im übrigen, so erklärte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, habe es Gesundheitsminister Philipp Rösler unterlassen zu sparen. Die Kosten seien seit seinem Amtsantritt um neun Milliarden Euro gestiegen. Zu Recht fragt Inge Müller in ihrem Leserbrief an die Ostsee-Zeitung Rostock: "Warum schickt die Kanzlerin ihren Gesundheitsminister nicht in jene Länder, die erfolgreich mit einer oder auch zwei Krankenkassen für alle arbeiten, um zu erfahren, dass man auch auf diese Weise eine finanziell gesunde Gesundheitspolitik betreiben kann?" Angesichts der Existenz von etwa 240 Krankenkassen in unserem Land mit 4.000 Angestellten, Palästen und 240 000 Euro Gehältern in vielen Chefetagen ein Anliegen, das zweifellos ein gewichtiger Teil des Problems ist und deshalb von jedem Bundesbürger mit gesundem Menschenverstand nur unterstützt werden kann.

Für die Schaffung eines umfassenden solidarischen Gesundheitssystems auf hohem Niveau und einer flächendeckenden Versorgung im ambulanten und stationären Bereich fehlt es keineswegs an Geld, sondern am politischen Willen, ein solches System durchzusetzen. Dass es nicht an Geld fehlt, haben wir alle mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, als Bundesregierung und Landesregierungen den Zocker-Banken, als den Verursachern der Krise, innerhalb weniger Tage Milliarden Euro Steuermittel in den Rachen warfen, damit sich deren selbstverschuldete Verluste in Grenzen halten und die Millionen-Bonuszahlungen für die Chefetagen ungehindert fließen konnten. Und wir ersehen es auch daran, dass die Kriegskasse weiter gefüllt bleibt.

Elterngeld, BAföG, Gesundheitswesen, Rente - überall will die Regierung sparen, aber fürs Kriegführen ist genug Geld da. Für 2010 hat der Bundestag der Regierung die Rekordsumme von etwa 1,1 Milliarden Euro für die deutsche Beteiligung am NATO-Krieg in Afghanistan bewilligt. Die direkten Kosten für die Bundeswehr werden in diesem Jahr damit voraussichtlich so viele Gelder verschlingen wie die gesamte zivile Wiederaufbauhilfe Deutschlands für Afghanistan von 2001 bis 2010. Die kompletten Kriegskosten von 2002 bis 2009 beziffert die Bundesregierung auf rund 3,6 Milliarden Euro. Das geht aus ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hervor. Zur gleichen Zeit, wo der stellvertretende US-Oberkommandierende für Afghanistan, General David Rodrigues, erklärt, dass man in Zukunft mit ähnlich hohen Verlusten rechnen müsse wie im Juni - im vergangenen Monat waren 103 NATO-Soldaten, darunter 61 US-Amerikaner, getötet worden und diese Rekordzahl könnte in den kommenden Monaten zur "neuen Normalität" werden, schwadroniert Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle in seiner Regierungserklärung am 9. Juli 2010 in unverantwortlicher Weise: "An unserem Engagement in Afghanistan wird nicht gespart. Deutschland hält seine Zusagen." Also bleiben entgegen dem ausdrücklichen Willen der übergroßen Mehrheit unseres Volkes rund 4.500 deutsche Soldaten auf unbestimmte Zeit im Kriegsgebiet, um an der Seite des Staatsterroristen und Weltgendarmen USA für die geostrategischen Interessen des US-amerikanischen und deutschen Kapitals zu töten, zu sterben oder sich zum Krüppel schießen zu lassen. Auch das gehört zu der von Frau Merkel gefeierten "Gemeinschaftsleistung", die wir am 20. Jahrestag der "Einheit" gemeinsam mit ihr, Guido Westerwelle, Kriegsminister zu Guttenberg, den "lieben Herren Ackermann und Hundt", den Chefs der Rüstungskonzerne und wie die Nutznießer ihrer Politik sonst noch heißen, feiern sollen.

Die einzige Partei, die sich dem neoliberalen Wahnsinn und der Kriegspolitik des deutschen Imperialismus und Militarismus entgegen stellt, DIE LINKE, gerät deshalb zunehmend ins Kreuzfeuer der "etablierten" Parteien. Reinhold Schramm trifft mit seinem Leserbrief in junge Welt ins Schwarze, indem er schreibt: "Unter dem Deckmantel einer angeblich unbeschränkten 'demokratischen Medien- und Meinungsfreiheit' wird versucht, das Denk- und Urteilsvermögen von Millionen Menschen systematisch zu zerstören. Zugleich ist es ein Beitrag aller freiheits- und demokratiefeindlichen, sozialdarwinistischen und neofaschistischen gesellschaftspolitischen Kräfte, innerhalb und außerhalb von staatlichen Einrichtungen, von bürgerlichen Regierungen und Parlamenten, die lohnabhängige Bevölkerungsmehrheit zur geistigen Unmündigkeit zu verurteilen und zu willfährigen Untertanen zu erziehen, die zu keiner Kritik am staatsmonoplistischen Herrschaftssystem in der Bundesrepublik Deutschland mehr fähig sind, die ökonomische Ausbeutung der Lohnarbeit, Arbeitslosigkeit, das Hartz-IV-Entrechtungssystem, soziale und politische Unterdrückung geduldig ertragen, die Gauckschen Pseudoideale dieses Systems als die ihrigen ansehen und sich für die imperialistische Rohstoff- und Wirtschaftspolitik mißbrauchen lassen. Dies ist eine zentrale Aufgabe der geistigen und tiefenpsychologischen Manipulationspolitik der SPD-Olivgrünen-Spezialdemokraten und CDU-CSU-FDP-Regierungs- und Parlamentsparteien."

Doch die Wahrheit lässt sich auf Dauer nicht unter dem Deckel halten, so auch nicht die Alternativvorschläge, wie sie der Beschluss des Parteivorstandes DIE LINKE "Ausweg aus der Krise. Das linke Gegenkonzept zum Sparpaket der Bundesregierung" vom 3./4. Juli 2010 enthält. Darin heißt es u.a.: "Die Linke sagt so kann es nicht weiter gehen. Im Unterschied zur Regierung haben wir ein konkretes Programm, mit dem die Finanz- und Wirtschaftskrise tatsächlich und dauerhaft überwunden werden kann, weil es ihre Ursachen bekämpft."

Kurz in Thesenform zusammengefasst fordert die Partei:
- Binnennachfrage stärken,
- Öffentliche Arbeitsplätze schaffen,
- Sozial-ökologischen Umbau vorantreiben,
- Eurokrise bekämpfen,
- Banken vergesellschaften und Finanzmärkte regulieren,
- Reiche besteuern.

Abschließend heißt es im Beschluss: "160 Milliarden Euro Mehreinnahmen sind notwendig, damit Reformen, wie das Zukunftsprogramm, die Überwindung von Hartz-IV und weiteres bezahlt werden kann. Andererseits werden sie benötigt, um Krisenfolgen aufzufangen und die - krisenbedingte Neuverschuldung des Staates zurückzuführen. Dafür braucht es keinerlei Sparpakete. Verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik muss die Konjunktur anschieben und gleichzeitig die Neuverschuldung zurückführen. Es gibt einen Weg, wie diese beiden Ziele erreicht werden können: Umverteilung der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen zugunsten von Löhnen und Gehältern und höhere Steuern für Vermögende."

Zum Glück wachsen die Bäume, auch die der Bundeskanzlerin, nicht in den Himmel. Ihr Ansehens- und Machtverlust wird von Tag zu Tag sichtbarer. Ihre Aktivität hat etwas Getriebenes. Sie setzt auf Tempo, um politische Normalität vozugaukeln. Inzwischen sind die "Gurkentruppe" und die "Wildsäue" unter 40 Prozent abgerutscht. Nach dem Abgang der "Riege männlicher Schmeichelrivalen", wie Stern schreibt, steht Merkel ziemlich allein da. Bei der Wahl des Bundespräsidenten wurde besonders augenfällig, dass ihr der eigene Machterhalt und das Interesse ihrer Partei über das Interesse des Volkes gehen. Immer mehr CDU-Ministerpräsidenten und Kommunalpolitiker stellen sich quer, vor allem auf dem Gebiet der Finanzpolitik der Bundesregierung. Der Angela Merkel mit aktiver Unterstützung ihrer beiden einflussreichen Freundinnen vom Springer- und Bertelsmann-Konzern angedichtete "Lack" (entscheidungsfreudig, durchsetzungsfähig, sogar von "Eiserner Lady" war die Rede) ist ab und das vorzeitige Ende der schwarz-gelben Regierung für viele Bürger absehbar.

Angelas Vater wusste schon, wovon er spricht, als er 1994 feststellte: "Für die heute fälligen politischen Entscheidungen ist ein hohes Maß an (politischer) Intelligenz erforderlich. Dem sind Politiker in der Regel nicht gewachsen. Ihr geistiger Horizont ist begrenzt. Sie sind mehr Macher als Denker. Und vor allem verstehen sie sich auf die Macht. Wie kommt man zur Macht? Wie bleibt man an der Macht?" (23. Protestwanderung, 4. September 1994. Ansprache in der Kirche Flecken Zechlin)


Hans Fricke ist Autor des zur diesjährigen Leipziger Buchmesse im GNN-Verlag Schkeuditz erschienenen Buches "Eine feine Gesellschaft" - Jubiläumsjahre und ihre Tücken, 250 Seiten, Preis 15.00 Euro, ISBN 978-3-89819-341-2


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Quelle:
© 2010 Hans Fricke
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2010