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STANDPUNKT/453: UN - Wichtiger Faszilitator bei der Zusammenarbeit im Weltraum (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. April 2015

UN: Wichtiger Faszilitator bei der Zusammenarbeit im Weltraum

ein Meinungsbeitrag von Nandasiri Jasentuliyana (*)


© Mit freundlicher Genehmigung von Nandasiri Jasentuliyana

© Mit freundlicher Genehmigung von Nandasiri Jasentuliyana

New York, 23. April (IPS) - Als sich die Gründungsväter der Vereinten Nationen vor 70 Jahren in San Francisco trafen, gab ein US-amerikanischer Banker folgende Einschätzung ab: "Nach fünf Jahren werden Sie die UN für die grandioseste Vision der Menschheit halten. Nach zehn Jahren kommen Ihnen und anderen Zweifel. Nach 50 Jahren, sind sie dann der Meinung, dass die UN angesichts der vielen Schwierigkeiten auf verlorenem Posten stehen. Erst wenn die Vereinten Nationen ihren 100-jährigen Geburtstag feiern, wird uns ein Licht aufgegangen sein, dass sie die einzige Alternative zur Zerstörung der Welt darstellen."

Mit 70 dürfte sich die Weltorganisation somit in einer Phase des Übergangs vom pessimistischen zum optimistischen Stadium befinden, was die an sie geknüpften Erwartungen angeht. Da sie mit der ganzen Bandbreite menschlichen Handels befasst ist, wundert es nicht, dass sie sich auch seit fast 60 Jahren, seit dem ersten Flug des Menschen ins All, mit den Raumfahrtaktivitäten beschäftigt.

Anfangs, im Zusammenhang mit dem Kalten Krieg, ging es den Vereinten Nationen darum, die Verlagerung des Wettrüstens in den Weltraum zu verhindern. Seit der Gründung des Ausschusses für die friedliche Nutzung des Weltraums durch die UN-Vollversammlung 1959 sind sie der Kristallisationspunkt der politischen und rechtlichen Auseinandersetzungen und Verhandlungen, die auf eine internationale Zusammenarbeit im All abzielt, um eine Verlagerung des Rüstungswettlaufs in den Weltraum zu verhindern.

Dank der langjährigen, ideenreichen und innovativen Bemühungen des Ausschusses, eine internationale Rechtsgrundlage unter dem Dach der Vereinten Nationen zu schaffen, konnte die UN-Vollversammlung mehrere multilaterale Abkommen und Rechtsprinzipen ausarbeiten, die den Grundstein für ein internationales Weltraumrecht und für Strategien zur Regelung der Weltraumaktivitäten legten.

Die Vereinbarungen enthalten grundlegende Prinzipien, die darauf abzielen, die Erforschung und Nutzung des Weltraums in den Dienst der gesamten Menschheit zu stellen. Die Inbesitznahme des Alls einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper durch einzelne Staaten wurde ausgeschlossen.

Die Vertragsstaaten des Weltraumvertrags verpflichteten sich ferner dazu, keine Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen in eine Erdumlaufbahn zu bringen oder im Weltraum oder auf einem Himmelskörper zu stationieren. Die Vereinbarungen schreiben fest, dass die Staaten für ihre Aktivitäten in All haften. Sie regeln die Sicherheit und Rettung von Astronauten, garantieren die freie wissenschaftliche Forschung und verfügen über Instrumente zur Beilegung von Streitigkeiten. Und sie ermutigen zur internationalen Zusammenarbeit im Weltraum sowie zur friedlichen Nutzung von Weltraumtechnologien zum Wohl der Menschheit.

Die Tatsache, dass diese Abkommen von verfeindeten Weltraumnationen zur Zeit des Kalten Krieges geschlossen wurden, mehr Ratifizierungen nach sich zogen als jedes andere internationale Vertragswerk und mehr als ein halbes Jahrhundert lang für Ruhe und Ordnung im Weltraum sorgten, ist wahrlich eine großartige Leistung.

Das Ende des Kalten Krieges und die nachfolgenden Veränderungen auf dem Gebiet der internationalen Sicherheit haben neue Möglichkeiten für die Nutzung der Weltraumtechnologien für Frieden, Sicherheit und Stabilität geschaffen.

Die rapiden Fortschritte im Bereich der Raumfahrttechnologie seit dem Ende des Kalten Krieges, die zunehmende Verwendung dieser Technologien für essentielle wirtschaftliche und soziale Dienstleistungen sowie die neuen politischen Verhältnisse haben die internationale Gemeinschaft bemüßigt, die Gelegenheit zu ergreifen, um den Einsatz der Weltraumtechnologien im Sinne der politischen, militärischen, wirtschaftlichen und ökologischen Sicherheit zum Wohl aller Länder voranzutreiben.

Die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen haben neue Strategien und Programme entwickelt, die den innovativen Einsatz der Weltraumtechnologien für Kommunikationszwecke, die Sammlung von Informationen, Umweltkontrolle und Ressourcenentwicklung zum Wohl aller Menschen nach sich zogen.

Die Erkenntnis, dass Weltraumtechnologien dank ihrer globalen Reichweite und Perspektiven der internationalen Sicherheit dienen und neuen Initiativen Vorschub leisten können, die allen Ländern den Zugang zu den Errungenschaften der Weltraumaktivitäten ermöglichen, führte zu der Einberufung von drei Konferenzen der Vereinten Nationen über die Erforschung und friedliche Nutzung des Weltraums (UNISPACE-Konferenzen).

Diese Weltkongresse boten allen Staaten Gelegenheit zum Informationsaustausch über die Möglichkeiten, die sich aus den Weltraumtechnologieanwendungen ergeben könnten. Darüber hinaus dienten sie dazu, allen Staaten die Gefahren einer dualen Verwendung der Weltraumtechnologien vor Augen zu führen und für die Notwendigkeit einer friedlichen Anwendung zu werben.

Die Konferenzen, die in periodischen Abständen stattfanden, trugen dazu bei, den Stand der Weltraumwissenschaft und -technologien nicht zuletzt mit Blick auf ihr Potenzial zugunsten der Entwicklungsländer zu diskutieren.

Diese globalen Konferenzen gaben einen Fahrplan vor, dem die Staaten zwischen den Konferenzen folgen sollten. Sie haben zudem neue und bestehende Programme und Mechanismen zum Wohl aller Staaten vorangebracht beziehungsweise wiederbelebt.

Die Vereinten Nationen übernahmen damals die Führung bei der Aus- und Weiterbildung von Experten in Entwicklungsländern, um sie zu befähigen, Weltraumanwendungsprogramme und -einrichtungen, die auf die Bedürfnisse der jeweiligen Länder abgestimmt wurden, aufzubauen beziehungsweise fortzuführen.

In Asien, Afrika und Lateinamerika wurden insgesamt sieben regionale Weltraumbildungs- und Trainingszentren aufgebaut, die auch heute noch erfolgreich geführt werden. Auch wurde eine Datenbank mit dem Ziel eingerichtet, den Entwicklungsländern den Zugang zu Informationen über die Anwendung von Weltraumtechnologien zu ermöglichen.

Auch wurde ein Verzeichnis aller Gegenstände, die ins All verbracht werden, angelegt. Zudem sind sämtliche Staaten, die Objekte in den Weltraum befördern, angehalten, diese beim zuständigen UN-Büro für Weltraumangelegenheiten zu melden und auf diesem Wege ihre Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für diese Gegenstände zu bekräftigen.

Zu den jüngsten Aktivitäten gehört die Einrichtung der Plattform der Vereinten Nationen für raumfahrtgestützte Informationen für Katastrophenmanagement und Notfallmaßnahmen (UN-SPIDER). Diese soll gewährleisten, dass alle Länder die Möglichkeit erhalten, sämtliche Arten weltraumgestützter Technologien und Informationen zu nutzen, die ihnen helfen, auf Naturkatastrophen zu reagieren.

Über Sonderorganisationen arbeiten die Vereinten Nationalen an zahlreichen anderen Programmen, die Staaten bei der Entwicklung von Weltraumtechnologieanwendungen helfen sollen.

Bei ihrer Gründung hatte die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) die Stelle zur Beobachtung des Weltwetters eingerichtet, die sich der Weltraumtechnologien für Wettervorhersagen bedient. Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) hat ein detailliertes System zur Regulierung des Funkfrequenzspektrums und der Satellitenorbits entwickelt, um eine faire, effiziente und wirtschaftliche Nutzung des Funkfrequenzspektrums zu gewährleisten.

Andere UN-Agenturen wie die Weltagrarorganisation (FAO) haben operative Programme zur Verwendung von Raumfahrtechnologien zur Nutzung von Fernerkundungssatelliten für die Beobachtung landwirtschaftlicher Aktivitäten, der Wüstenbildung und Entwaldung eingerichtet.

Die Internationale Meeresorganisation (IMO) ermöglicht die Operationen der Meeresindustrie durch den Betrieb von Meeresbeobachtungssatelliten, die Internationale Organisation für zivile Luftfahrt (ICAO) greift für die zivile Luftfahrt auf ein Weltraumnavigationssystem zurück.

Bisher konnte viel erreicht werden, doch gibt es in den nächsten drei Jahrzenten bis zum 100-jährigen Jubiläum der Vereinten Nationen noch viel zu tun.

Die sich dadurch bietenden Chancen liegen auf der Hand, wenn wir uns die ehrgeizigen, neuen und millionenschweren Projekte der Weltraumnationen anschauen. Neue Technologien werden entwickelt, die spannende Anwendungsmöglichkeiten wie die Nutzung der Sonnenkraft und den kommerziellen Einsatz von Raumstationen zur Herstellung neuer Generationen von Medikamenten aus unbekannten Stoffen ergeben.

Gleichzeitig stehen wir angesichts der zunehmenden ökologischen und klimatischen Belastungen vor neuen Herausforderungen. So sind die traditionellen Wettermuster gestört und es kommt zu zerstörerischen Überschwemmungen und Wirbelstürmen mit tausenden Toten. Die Entwicklungsländer zahlen den höchsten Preis für diese Katastrophen. Missbrauch und Verschwendung der natürlichen Ressourcen sind Probleme, die die Ernährungssicherheit gefährden.

Das sind triftige Gründe für den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit im Weltraum, denn deren Technologien statten uns täglich mit neuen Instrumentarien aus, um den globalen Herausforderungen gewachsen zu sein. Die Vereinten Nationen müssen an der wichtigen Rolle des Faszilitators der Weltraumzusammenarbeit festhalten, damit alle Staaten von der Weltraumerforschung profizieren. (Ende/IPS/kb/2015)


(*) Nandasiri Jasentuliyana ist emeritierter Direktor des Internationalen Instituts für Weltraumrecht (IISL). Er war ehemaliger Vize-Generaldirektor des UN-Büros in Wien und Direktor des Büros der Vereinten Nationen für Weltraumfragen.


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http://www.ipsnews.net/2015/04/the-u-n-at-70-a-view-from-outer-space/

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IPS-Tagesdienst vom 23. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2015

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