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LAIRE/1086: Pagani - Flüchtlingselend in EU-Griechenland (SB)


Unsägliche Verhältnisse im Flüchtlingslager auf Lesbos


Das gezielt an inhaltlichen Fragen vorbeimanövrierte Wahlkampfgetöse in Deutschland läßt sich nur durch wenige Meldungen unterbrechen. Ganz sicher nicht durch eine Meldung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) über die unsäglichen Verhältnisse in einem Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos. Wie an anderen Stellen an den Grenzen der EU-Mitgliedsländer werden dort Menschen, deren einziges "Vergehen" darin besteht, daß sie von Ort A nach Ort B gelangen wollten, gefangen gehalten. Ihr Status ist der eines Flüchtlings, und das genügt bereits, um sie als "illegal" zu definieren.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge brachte am vergangenen Freitag seine tiefe Bestürzung über die Verhältnisse, in denen Flüchtlinge auf Lesbos untergebracht sind, zum Ausdruck. Die Zustände in dem Lager in Pagani seien "alarmierend". UNHCR-Mitarbeiter hatten berichtet, daß die Einrichtung nur für 250 bis 300 Personen ausgelegt ist, dort aber 850 Flüchtlinge untergebracht sind. Von diesen sind 200 Kinder ohne Begleitung. In einem Raum leben 150 Mütter und 50 Babys, und von diesen sind viele als Folge der unhygienischen Verhältnisse und der Enge des Lebensraums erkrankt. Zahlreiche Flüchtlinge müssen schon wochenlang in dem Lager, das faktisch ein Gefängnis ist, leben.

Die UN-Organisation fordert die griechische Regierung auf, ihr Asylsystem zu überarbeiten. Die hat bereits zugesagt, die Lage zu verbessern und die Kinder bis Ende August in spezielle Einrichtungen zu bringen. Das UNHCR hat mit den griechischen Behörden Verbesserungen erarbeitet, bemängelt jetzt aber die ausgebliebene Umsetzung. Das Problem erweist sich jedoch als umfänglicher. Ob Pagani auf Lesbos, Lampedusa in Italien oder Safi auf Malta, die Flüchtlingslager sind überfüllt, vernachlässigt, verwahrlost, krankheitsfördernd. Unterboten werden die Verhältnisse allenfalls von jenen Lager, die im Namen der Europäischen Union in nordafrikanischen Staaten eingerichtet wurden. Beide Lagersysteme zusammen bilden ein wichtiges Element unter den Infrastrukturmaßnahmen, die von der EU zur Abwehr von Armuts- und Klimaflüchtlingen aus den Ländern des Südens aufgebaut hat und weiter ausbauen wird.

Die griechischen Behörden tragen zwar die Verantwortung für ihre Einrichtungen, ohne einen übergreifenden internationalen Ansatz ist das Elend in den Lagern jedoch nicht zu beheben. Nicht die Flüchtlinge an sich sind inakzeptabel, sondern daß es Gründe gibt, weswegen sie ihre Heimat verlassen haben. Die weitere Veränderung des Klimas wird in den nächsten Jahren die Lage der Menschen in den Tropen und Subtropen noch mehr strapazieren als heute. Nur wenn mit allen Kräften die Fluchtgründe bekämpft werden und die Not des anderen nicht von der eigenen Lage unterschieden wird, gibt es eine Chance zur Verbesserung der Lebensverhältnisse auch im Süden.

Es sieht allerdings nicht im mindesten so aus, als mache sich die Europäische Union auf den Weg in diese Richtung. Im Gegenteil. Mit dem Vertrag von Lissabon, über den die Iren Anfang Oktober abstimmen, soll die Europäische Union noch "handlungsfähiger" werden. Das läuft darauf hinaus, daß sie nach außen hin monolithischer auftritt als heute. Logischerweise werden die Grenzen dann nicht durchlässiger, sondern dichter. Das ist der Zweck der Übung. Zugleich werden die Lebensverhältnisse auch im Innern enger. Wie das dann aussieht, das können schon jetzt die Insassen des Flüchtlingsgefängnisses in Pagani erzählen.

31. August 2009