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DILJA/1102: Barack Obama - die Hoffnung der Welt, der bessere Bush! (SB)


Der Wolf im Schafspelz - Hoffnungsträger Barack Obama

Der neue US-Präsident repariert die Image- und Ansehensschäden seines Amtsvorgängers und stellt das hegemoniale Streben Washingtons auf eine bessere Plattform


Etwas Besseres als der Wahlsieg Barack Obamas hätte den USA, genauer gesagt den regierenden Eliten der größten Militärmacht der Welt, kaum passieren können. Der nun ehemaligen Regierung Bush kann schwerlich nachgesagt werden, nicht im Sinne der beanspruchten Vorherrschaft Washingtons gehandelt zu haben. Sie hatte längst "die Samthandschuhe" ausgezogen und keine Kriegsrechtfertigungslüge und keinen Krieg gescheut, um das von führenden US-amerikanischen Neokonservativen propagierte "Amerikanische Jahrhundert" - gemeint ist eine nach der Jahrtausendwende ausgerufene, wohl mindestens hundertjährige Führerschaft Washingtons in der gesamten Welt - in die Tat umzusetzen. Die dabei angerichteten Kollateralschäden, worunter beileibe nicht die Kriegs-, Folter- und Hungertoten selbst, sondern der durch ihre für Nachrichtenkonsumenten in der westlichen Welt bedrückenden Schicksale erwachsene Ansehensschaden Washingtons zu verstehen ist, haben einen politischen Siedepunkt erreicht, der einen Wechsel oder vielmehr ein Wechselversprechen zum Gebot der Stunde werden ließ.

Dieses Wechselversprechen wurde mit der Amtseinführung Barack Obamas als dem ersten nicht weißhäutigen Präsidenten Amerikas eindrucksvoll in Szene gesetzt. Die ihm nun obliegende Aufgabenstellung ist leicht zu skizzieren, da sie sich aus einer nüchternen Analyse der Bush-Ära unschwer ableiten läßt. Die Bush-Administration ist in Hinsicht auf die von ihr vorgegebenen und umgesetzten hegemonialen Zielsetzungen keineswegs gescheitert und ebensowenig "übers Ziel hinausgeschossen". Sie ist lediglich "politisch verbrannt" in dem Sinne, daß eine weitere Täuschung der US-amerikanischen wie auch der internationalen Öffentlichkeit - und hier insbesondere derjenigen in der übrigen westlichen Welt - kaum noch möglich ist. Die USA werden mittlerweile weltweit mit Folter (Guantanamo) und ungerechtfertigten Kriegen (Irak) in Verbindung gebracht, was mit dem amerikanischen Sendungsbewußtsein, demzufolge die USA eine natürliche, um nicht zu sagen gottgewollte Führungsrolle in der Welt zu beanspruchen geradezu verpflichtet sind, weil sie die einzig wahren Hüter von Freiheit und Demokratie wären, einfach nicht mehr zu vereinbaren ist.

Bezeichnenderweise ist der allgemeine Unmut, um von der Wut, die vornehmlich in der arabischen und der islamischen Welt gegen die westliche Kriegsmacht Nr. 1 anzutreffen ist, gar nicht erst zu sprechen, so groß, daß mit vergleichsweise inhaltsleeren Versprechungen Hoffnungen auf eine bessere Zukunft in der nun begonnenen Ära Obama erzeugt werden konnten. Dieser könne, so mögen viele Menschen schon vor seiner Amtseinführung geglaubt oder eben gehofft haben, gar kein "schlechterer" Präsident als Bush werden, und so wurde der 44. Amtsinhaber wenn nicht mit Vorschußlorbeeren, so doch mit Vorschußhoffnungen überhäuft. Obama erwies sich als eloquent genug, um mit seiner am 20. Januar gehaltenen Antrittsrede diesen in ihn gesetzten Hoffnungen Rechnung zu tragen, und er brachte sogar das Kunststück fertig, mit wohlfeilen Worten die amerikanische Nation auf Krieg einzuschwören und in ebenso irgendwie nett klingenden Sätzen den Weltführungsanspruch Washingtons zu beanspruchen bzw. zu erneuern.

Keinem (weißen) Präsidenten vor ihm hätte es dabei sogar gelingen können, die Geschichte der Sklaverei - die mörderische Vertreibung der amerikanischen Ureinwohner, sprich der sogenannten indianischen Völker, durch die weißen Eroberer erwähnte Obama nicht - in den Mythos der großen Nation einzuflechten [1]:

Indem wir die Größe unserer Nation bekräftigen, verstehen wir, dass Größe nie eine Selbstverständlichkeit ist. Sie muss verdient werden. Unsere Reise war nie eine mit Abkürzungen oder der Bereitschaft, mit dem Zweitbesten vorlieb zu nehmen. Es war kein Weg für die Zaghaften - für jene, die Freizeit der Arbeit vorziehen oder nur die Freuden von Reichtum und Ruhm suchen. Stattdessen waren es die Risikobereiten, die Macher - einige gefeiert, aber viel häufiger Männer und Frauen, die im Verborgenen arbeiteten, die uns den langen, holprigen Weg zu Wohlstand und Freiheit hinaufgebracht haben.

Für uns klaubten sie ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und reisten über die Ozeane auf der Suche nach einem neuen Leben.

Für uns plagten sie sich in ausbeuterischen Betrieben und besiedelten den Westen; ertrugen Peitschenschläge und pflügten den harten Boden um.

Für uns kämpften sie und starben an Orten wie Concord und Gettysburg; in der Normandie und Khe Sahn.

Immer wieder haben diese Männer und Frauen gekämpft und Opfer gebracht und gearbeitet, bis ihre Hände wund waren, damit wir ein besseres Leben haben. Sie haben Amerika als etwas gesehen, das größer ist als die Summe unserer individuellen Bestrebungen, größer als all die Unterschiede durch Geburt oder Reichtum oder Interessengruppe.

Das ist die Reise, die wir heute fortsetzen. Wir bleiben die wohlhabendste, mächtigste Nation auf Erden.

Das Loblied des soldatischen Heldentodes kommt dem neuen Präsidenten so problemlos über die Lippen, daß eine Ausweitung der US-geführten Kriegführung und keineswegs ihre Reduzierung von der neuen US-Administration zu erwarten ist. Daß diese Annahme keineswegs aus der Luft gegriffen ist, läßt sich einer Ankündigung Obamas entnehmen, derzufolge amerikanische Truppen aus dem Irak nach Afghanistan verlegt werden sollen. Wie der alte und neue Verteidigungsminister Robert Gates nach Angaben der Neuen Zürcher Zeitung vom 28. Januar 2009 im Streitkräfteausschuß des US-Senats erklärte, sollen zwei Brigaden bis zum späten Frühjahr und eine weitere im Sommer aus dem Irak nach Afghanistan verlegt werden; insgesamt sei an eine Verdoppelung der US-Streitkräfte in dem Land am Hindukusch auf rund 60.000 Soldaten gedacht.

Obama, dem der Ruf anhaftet, gegenüber der bisherigen Bush-Politik und -Kriegführung irgendwie kritisch eingestellt zu sein - warum sonst sollte es schließlich den versprochenen "Wechsel" geben? -, sprach in seiner Antrittsrede selbstverständlich auch von der sogenannten Finanzkrise und den großen Nöten, in denen sich immer mehr Menschen der US-Bevölkerung befinden. Wie nahtlos er die Linie seines Vorgängers fortzusetzen gewillt ist, läßt sich daran ablesen, daß er die "Krise" im eigenen Land menschlichen Lastern wie "Gewalt" und "Hass" zuschreibt, gegen die "unsere Nation" im Krieg stünde, und keineswegs mit eben dieser Kriegführung [1]:

Dass wir inmitten einer Krise stecken, ist mittlerweile bekannt. Unsere Nation ist im Krieg gegen ein weitreichendes Netzwerk von Gewalt und Hass. Unsere Wirtschaft ist massiv geschwächt als Folge der Gier und Verantwortungslosigkeit einiger, aber auch des gemeinsamen Versagens dabei, schwere Entscheidungen zu treffen und die Nation auf ein neues Zeitalter vorzubereiten. Häuser sind verlorengegangen, Jobs abgebaut, Unternehmen zerstört. Unser Gesundheitswesen ist zu teuer, zu viele schaffen unsere Schulen nicht, und jeder Tag beweist aufs Neue, dass die Art und Weise unseres Energieverbrauchs unsere Feinde stärkt und unseren Planeten bedroht.

Es wäre wohl verfehlt, den Wechsel im Amte des US-Präsidenten und Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte auf eine Kampagne zur Behebung der mehr und mehr anwachsenden Imageprobleme des Landes zu reduzieren. Die US-Eliten haben schließlich schon in vielen Bereichen unter Beweis gestellt, daß die "Meinungen" in der Welt für sie so irrelevant sind wie die Bestimmungen des internationalen Völkerrechts, die sie nicht zuletzt wohl auch deshalb ostentativ zu brechen bereit sind, um allen übrigen Staaten zu demonstrieren, daß sie sich von nichts und niemandem in ihrem Bestreben aufhalten lassen, die Weltkugel unter ihre alleinige Kontrolle zu bringen.

Unter ihre alleinige? Dies allerdings scheint ein für Washington gefährliches Wunschdenken zu sein, dem die Bush-Regierung viel zu sehr bzw. viel zu offensichtlich angehangen hat. Schlußletztendlich dürften sich führende US-Strategen darin einig sein, daß sie zur Erreichung ihre Zieles, sprich der Führungsrolle in der Welt, der tat- und schlagkräftigen Unterstützung enger Vertrauter oder auch Vasallen bedürfen. Deren nicht zuletzt auch militärische Einbindung dürfte umso leichter zu vollziehen sein, je "freundlicher" das angeblich neue Amerika ihnen gegenübertritt, und genau hier dürfte der eigentliche Nutzen des neuen US-Präsidenten liegen, dessen Sympathiewerte im alten Europa fraglos weitaus höher liegen als die seines Vorgängers. So erklärte Obama, wohlwissend, daß George Bush jun. keineswegs mehr die Rolle des guten Freundes aus Amerika auszufüllen imstande war, der übrigen Welt, daß die USA nun, also mit ihm, "wieder zur Führung bereitstehen" [1]:

Was unsere gemeinsame Verteidigung angeht, weisen wir die Wahl zwischen unserer Sicherheit und unseren Idealen zurück. Unsere Gründungsväter, die sich für uns kaum vorstellbaren Gefahren ausgesetzt sahen, entwarfen eine Charta, um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sicherzustellen, eine Charta, erweitert durch das Blut von Generationen. Diese Ideale erhellen noch immer die Welt, und wir werden sie nicht um der Zweckmäßigkeit willen opfern. Und deshalb für alle anderen Völker und Regierungen, die heute zusehen, für die größten Hauptstädte bis zu dem kleinen Dorf, in dem mein Vater geboren wurde: Wisst, dass Amerika ein Freund jeder Nation und jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes ist, die eine friedliche und würdevolle Zukunft suchen, und dass wir wieder zur Führung bereitstehen.

Fraglos möchte die neue Administration die Karte militärischer Gewalt beileibe nicht wieder einstecken, sondern ergänzt sehen durch "stabile Allianzen" und "dauerhafte Überzeugungen". Der "Wandel" bestünde demnach einzig und allein darin, daß die USA als moralisch neuformierte westliche Führungsmacht ihre Kriegführung noch besser als bisher durchführen können. Dabei kommt ihnen zugute, daß das mit einem Schlag aufpolierte Image des Landes es seinen westlichen Verbündeten erleichtert, ihre Komplizenschaft und aktive Beteiligung an den Weltordnungskriegen Washingtons gegenüber ihren eigenen Bevölkerungen erheblich besser rechtfertigen zu können. Und so steht zu befürchten, daß sich Barack Obama in kürzester Zeit als der bessere Bush erweisen wird, eben weil er und nicht Bush das Prinzip Hoffnung zum Vorteil der selbstmandatierten Hegemonialmacht einzusetzen versteht.

[1] Zitiert aus: Obamas Rede im Wortlaut - "Hoffnung über Furcht gewählt", n-tv (online), 20.01.2009, http://www.n-tv.de/1088915.html

29. Januar 2009