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DILJA/1105: Militärische Eindämmung Rußlands mit Hilfe des "Schurken" Iran (SB)


Vom langjährigen Schurken-Feind zum nützlichen "Freund"?

Iran soll bei logistischen Problemen der US-Streitkräfte im Afghanistan-Krieg in die Bresche springen


Daß im Krieg die Wahrheit zuerst stürbe, ist seit langem ein geflügeltes Wort. Der Krieg einer US-geführten westlichen Koalition gegen den Irak sowie die anschließende Besatzung des Zweistromlandes beruhten, wie heute niemand mehr in Abrede stellen wird, auf einer kompletten Lüge, ohne daß dies zumindest in der westlichen Welt zu einem fundamentalen Glaubwürdigkeitsverlust Washingtons geführt hätte. Da die Wahrheit keineswegs eine objektive Größe, sondern Ausdruck spezifischer Interessen ist, läßt sich die Nachsichtigkeit der übrigen westlichen Staaten gegenüber dem Kriegslügner USA leicht durch die Annahme einer zugrundeliegenden Interessenübereinkunft entschlüsseln. Wäre dem nicht so, hätte die sogenannte internationale Gemeinschaft die Behauptungen der USA, die sich erklärtermaßen seit den Septemberereignissen des Jahres 2001 in einem zeitlich wie räumlich unbegrenzten Krieg "gegen den Terror" befinden, nachdem die Irakkriegslügen der Bush-Administration offengelegt worden waren, kritisch überprüfen müssen.

Wer in dem einen Krieg gelogen hat, um ihn, noch dazu mit Unterstützung weiterer Verbündeter, durchsetzen und führen zu können, dem wäre auch in einem anderen Krieg eine Lüge zuzutrauen. Da die eingestürzten Türme des 11. September 2001 längst weltweit zu einem Sinnbild für die Gefährlichkeit des "Terrors" übersetzt werden konnten, bringen nur wenige den Mut und die Entschlossenheit auf, den unzähligen Ungereimtheiten und unauflösbaren Widersprüchen ernsthaft nachzugehen, die sich bis auf den heutigen Tag um die offizielle Version der damaligen Ereignisse ranken. Das scheinbar Undenkbare zu denken, nämlich in Erwägung zu ziehen, daß diese Anschläge, wenn es denn überhaupt welche waren, mit Wissen oder sogar mit direktem Wollen der US-Regierung inszeniert worden sein könnten, um ein zweites "Pearl Harbor" zur Letztbegründung aller weiteren Kriege zu schaffen, wäre angesichts der Faktenlage, die von Geheimdienstexperten und investigativen Journalisten akribisch aufbereitet und publiziert wurde, eigentlich schon seit Jahren das Gebot der Stunde.

In den allgemeinen Unwillen, die Kriegsbehauptung Nr. 1 der westlichen Welt, nämlich daß die verheerenden, vom fernen Afghanistan aus gesteuerten folgenschweren Anschläge in den USA die gesamte Welt in einen nimmerendenden Antiterrorkrieg gestürzt hätten, würde sich im zweiten Schritt auch die Frage mischen, welches tiefergreifende Motiv die Initiatoren eines zumindest denkbaren zweiten Pearl Harbor neben einer generellen Ermächtigung zur Kriegführung gehabt haben könnten. In der ersten Etappe des 9/11-begründeten inoffiziellen Weltkrieges fielen die US-Streitkräfte mit ihren Verbündeten ins ferne Afghanistan ein, das sie bis heute - mit zunehmenden Problemen - besetzt halten. Der neue US-Präsident Barack Obama hatte in seinem Wahlkampf mehrfach bekundet, den Krieg im Irak beenden, den in Afghanistan jedoch "gewinnen" zu wollen. Kaum im Amt, stellte er in Aussicht, die derzeit rund 150.000 im Irak stationierten Besatzungs- und Interventionstruppen innerhalb von 16 Monaten weitgehend abzuziehen.

Es steht zu befürchten, daß die neue US-Administration keineswegs eine Beendigung oder auch nur Reduzierung ihrer Kriegseinsätze, sondern lediglich eine strategische Umorganisation durchsetzen will. Der Krieg in Afghanistan, laut Obama "die erste Mission der NATO außerhalb Europas", die nicht verloren gehen dürfe, scheint oberste Priorität zu haben. Eine Option für einen schnellen Abzug der US-Soldaten gibt es für den Afghanistan-Krieg nicht. Im Gegenteil hat die Obama-Administration bereits angekündigt, die dort stationierten US-Truppen von 30.000 auf 60.000 zu verdoppeln und auch die Verbündeten zu einer Ausweitung ihrer militärischen Beteiligung aufzufordern.

Obama ist desweiteren gewillt, US-Soldaten zur "Terroristenjagd" auch auf pakistanischem Boden einzusetzen. Bereits seit einem halben Jahr wird Pakistan, wohlbemerkt der engste Verbündete der USA in dieser Region, verstärkt mit Luftangriffen durch unbemannte US-Drohnen attackiert, wodurch die pakistanische Regierung - mehr noch als bisher - unter Druck gesetzt werden soll, um gegen die paschtunische Bevölkerung im Nordwesten des Landes Krieg zu führen, weil diese wegen ihrer Verbundenheit mit afghanischen Paschtunen gleichfalls unter Terrorverdacht gestellt wurde. Der neue US-Präsident hat mehrfach deutlich gemacht, sich dafür einzusetzen, Afghanistan und Pakistan als einen einheitlichen Kriegsschauplatz zu behandeln. Doch warum? Sind tatsächlich "Taliban" und/oder Paschtunen in diesem wie in jenem Land die größte militärische Herausforderung für die weltweit mit Abstand größte Militärmacht USA? Eine nicht eben plausible Annahme, mögen die Widerstandsaktivitäten in den betroffenen Regionen gegen die ausländischen Besatzer auch noch so entschlossen fortgeführt werden.

Einen militärstrategischen "Sinn" ergäbe die Stationierung westlicher Soldaten im Herzen Asiens jedoch unter der Annahme, es ginge den führenden westlichen Staaten um die Eindämmung und Einkreisung Rußlands, aber auch Chinas zum letztendlichen Zweck einer feindlichen Übernahme. Ohne den 2001 ausgerufenen "Krieg gegen den Terror" wäre eine Ausdehnung der NATO bis tief in die Einflußsphäre der einstigen Sowjetunion hinein vollkommen undenkbar gewesen. Wenn Afghanistan nun erklärtermaßen der Kriegsschauplatz Nr. 1 sein soll, könnte dies an der diesbezüglich hochinteressanten strategischen Lage des Landes am Hindukusch liegen. Afghanistan grenzt im Norden an die ehemaligen Sowjetrepubliken und jetzt selbständigen Staaten Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan; desweiteren an den Iran und Pakistan. In größeren Maßstäben gedacht hätte die NATO, so sie Afghanistan militärisch unter ihre Kontrolle bekäme, damit einen Brückenkopf in Hinsicht auf Rußland und China gewonnen, der sich wie ein Keil des westlichen Bündnisses gegen die beiden Großreiche, die den Westmächten in puncto Welthegemonie noch Konkurrenz machen könnten einsetzen ließe.

Tatsächlich stehen die USA jedoch in dieser Region vor erheblichen logistischen Problemen und laufen eher Gefahr, bereits sicher geglaubtes Terrain wieder zu verlieren als neues hinzuzugewinnen. Die Ausdehnung des Kriegsschauplatzes Afghanistan auf das benachbarte Pakistan hat den dortigen Widerstand gegen die Besatzung so sehr erstarken lassen, daß die Nachschubwege für das US-Militär in Afghanistan nahezu wertlos geworden sind. Der vorläufige Höhepunkt dieser nadelstichartigen Guerillaaktivitäten besteht in der Sprengung einer Brücke am pakistanischen Khyber-Paß unweit der afghanischen Grenze. Unbekannte Täter haben diese Brücke, über die rund 75 Prozent des Nachschubs für die NATO-Soldaten in Afghanistan, darunter auch 40 Prozent des Treibstoffs, transportiert wurden, am 2. Februar in die Luft gesprengt. Die logistischen Probleme der NATO, die sich schon seit Ende vergangenen Jahres wegen der zunehmenden Probleme im "Transitland" Pakistan um Verhandlungen mit Rußland und anderen Staaten des Kaukasus sowie Zentralasiens bemüht, sind damit noch einmal sprunghaft angestiegen. Auf beiden Seiten der Grenze stauen sich nun die Transportlastwagen.

Dabei waren die USA durchaus erfolgreich. So zitierte die Agentur RIA Novosti am 20. Januar den Chef des Chef des US-Zentralkommandos, General David Petraeus, mit den Worten: "Wir haben nach zusätzlichen Versorgungswegen für die Gütertransporte vom Norden aus gesucht. Die Vereinbarung ist jetzt getroffen. Von nun an werden unsere Transporte über einige zentralasiatische Länder und Rußland laufen." Es mutet schon etwas seltsam an, daß die USA, in welchem Ausmaß auch immer, in logistischer Hinsicht die "Hilfe" Rußlands entgegennehmen. Noch verwunderlicher allerdings ist die Ankündigung der NATO, mit dem Iran über die Öffnung von Nachschubwegen für den Krieg in Afghanistan zu verhandeln. Einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers vom 31. Januar zufolge führen Militärexperten "auf einer unteren Fachebene" bereits dementsprechende Verhandlungen mit Teheran. Die Versorgung der NATO-Truppen im umkämpften Süden Afghanistans könne, so meldete die Zeitung unter Berufung auf einen nicht näher genannten Militärexperten, ohne die Einbeziehung des Iran kaum noch sichergestellt werden. Zur Begründung wurde abermals angeführt, daß die bisherigen Transportrouten über Pakistan zunehmend unsicher geworden seien, weil immer wieder Nachschubdepots überfallen, geplündert und in Brand gesetzt werden.

Tatsache ist, daß sich über den Iran vom Persischen Golf aus der militärische Nachschub leichter organisieren ließe als über Rußland und die zentralasiatischen Staaten. Mit einem politischen Tauwetter in den Beziehungen zwischen den USA, die seit 30 Jahren und damit seit dem Bestehen der Islamischen Republik Iran keine diplomatischen Beziehungen zu Teheran unterhalten, und dem Iran ist dieser militärlogistisch begründete Kurswechsel wohl kaum zu verwechseln, wenngleich der Iran die Offerte Washingtons zur Zusammenarbeit und Partnerschaft nicht nur mit den USA, sondern auch den übrigen ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates sowie Deutschlands kaum ablehnen wird. Schließlich wird das Land schon seit vielen Jahren von eben dieser Staatengruppe unter fadenscheinigsten Vorwänden - ihm wird der Verzicht auf ein vertraglich zugesichertes internationales Recht, nämlich das der zivilen Nutzung der Kernenergie unter Aufsicht der Internationalen Energiebehörde abverlangt - mit Krieg bedroht.

Das Tempo, mit dem der zum "Schurkenstaat" erklärte Iran nun in die westliche Kriegslogistik eingebunden werden soll, liefert keineswegs Anlaß zu Hoffnungen auf eine friedliche Entwicklung, sondern zu schlimmsten Befürchtungen dergestalt, daß eine womöglich militärische Eskalation in Kern Eurasiens dadurch eingeleitet bzw. weiter befördert werden könnte. Sollte es zutreffend sein, daß sich hinter der Maske "Krieg gegen den (islamischen) Terror" nichts anderes verbirgt als finsterste Absichten gegenüber Rußland und im zweiten Schritt wohl auch China, mit denen selbstverständlich längstmöglich "hinterm Berg gehalten wird", würde die Gefahr eines keineswegs regional begrenzbaren Krieges um die Vorherrschaft über die eurasische Landmasse in dem gleichen Maße ansteigen, in dem es der NATO gelingt, im Einflußbereich der früheren Sowjetunion militärisch Fuß zu fassen.

6. Februar 2009