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DILJA/1176: Honduras - Die Tage des Putschistenregimes um Micheletti sind gezählt (SB)


Das Putschistenregime von Honduras versucht zu retten, was zu retten ist

Rücktrittsangebot von Micheletti nur ein taktischer Schachzug


Die landesweiten Proteste gegen den gewaltsamen Sturz von Präsident Manuel Zelaya sowie die Errichtung einer faktischen Militärdiktatur mit scheindemokratischem Tarnanstrich in Gestalt einer in der westlichen Presse sogenannten "Interimsregierung" unter Roberto Micheletti lassen auch in der dritten Woche nicht an Intensität nach. Im Gegenteil. Mehr und mehr formieren und organisieren sich in Honduras die Reihen der Putschgegner, die sich quer über alle internen Divergenzen und politischen Unterschiede hinweg schon am Tag des Staatsstreiches zu einer nationalen Widerstandsfront zusammengeschlossen haben. Juan Barahona, Koordinator des Bündnisses Bloque Popular und Generalsekretär der Konföderation der Arbeiter Honduras (CLUTH) hatte am vergangenen Sonntag auf einer Kundgebung in der Hauptstadt Tegucigalpa erklärt, man werde weiterkämpfen, bis die Putschisten verschwunden sind.

Am Dienstag kamen Vertreter der von rund 400 Organisationen gebildeten nationalen Widerstandsfront zu Beratungen zusammen, um das weitere Vorgehen zu koordinieren. Zu ihr gehören neben Gewerkschaften auch zahlreiche Bauern-, Studenten-, Menschenrechts- und weitere Organisationen sowie die in einigen Parteien vorhandenen putschfeindlichen Kräfte. An den am vergangenen Donnerstag in Costa Rica begonnenen indirekten Gesprächen zwischen den Putschisten und dem gestürzten Präsidenten Zelaya konnten Repräsentanten der honduranischen Widerstandsfront nur in eingeschränkter Weise teilnehmen. Wie Israel Salina, Generalsekretär des honduranischen Gewerkschaftsverbandes CUTH, Mitglied der Nationalen Front gegen den Militärputsch sowie der siebenköpfigen Delegation, die bei den vermeintlichen Gesprächen in Costa Rica zugegen war, in einem Interview [1] beschrieb, hat der Staatsstreich in Honduras zu einer bislang nicht erreichten Konsolidierung progressiver Kräfte geführt:

Wenn der Militärputsch einen positiven Effekt hatte, dann ist das die Einigung der zahlreichen Organisationen der fortschrittlichen Bewegung. Gewerkschaften, Campesinoorganisationen, Frauengruppen und linke Parteien stehen nun zusammen wie nie zuvor in Honduras. Die Nationale Front hat eine siebenköpfige Delegation nach Costa Rica entsandt, damit wir den Vermittlungsprozeß unterstützen. Vor dem Beginn der Gespräche hatten wir auch ein Treffen mit Oscar Arias. Leider kam sehr schnell zum Ausdruck, daß ihn unsere Vorschläge und Kritiken nicht interessieren. Er blieb nicht nur unterkühlt, er fiel uns auch immer wieder ins Wort.

Nach Einschätzung dieser Delegation und des Front-Anführers Barahona dienen die Treffen zwischen Micheletti und Zelaya bzw. den von ihnen hinterlassenen Delegationen einzig und allein dem Zweck, zugunsten des Putschistenregimes Zeit zu schinden. Deshalb erheben die Kommission der Widerstandsfront wie auch der gestürzte Präsident die Forderung, daß Micheletti bis zum kommenden Sonntag zurückzutreten habe; andernfalls würden, wie von Zelaya bereits angekündigt, andere, bislang nicht näher spezifizierte Aktionen folgen. Nach Ansicht der Putschgegner, die nun bereits in der dritten Woche mit Protestaktionen wie Demonstrationen, Straßenblockaden und Bürgerversammlungen die Rückkehr Zelayas durchsetzen wollen, haben die Putschisten bei den Gesprächen in Costa Rica eine "undurchsichtige Haltung" eingenommen und beharren darauf, "die Macht um jeden Preis zu behalten".

Dies allerdings scheint ihre Möglichkeiten bei weitem zu übersteigen. Sie sehen sich nicht nur international isoliert - wenn auch, was die USA und weitere westliche Staaten betrifft, in bestenfalls halbgarer Form -, sondern stehen im eigenen Land einer Protest- und Widerstandsfront gegenüber, die ihr größtes Defizit, nämlich sich aufgrund der totalen Medienblockade und -kontrolle durch putschfreundliche Kräfte schlecht koordinieren zu können, zunehmend zu neutralisieren in der Lage ist. Politische Morde blieben nicht aus, vermochten jedoch die Situation aus Sicht der Putschisten nicht zu verbessern. Im Gegenteil. Juan Barahona machte die Putschregierung für die Ermordung von Roger Iván Bados, einem Sprecher der Widerstandsbewegung in San Pedro Sula, verantwortlich, und leitete daraus die politische Schwäche des Regimes ab. "Es bleibt ihnen keine andere Option, als die Anführer des Widerstandes zu beseitigen", so Barahona. Und: "Es gibt keine andere Möglichkeit für sie, sich an der Macht zu halten."

Tatsächlich jedoch scheinen auch politische Morde - neben Bados wurde am Samstag auch Ramón Garcia, ein weiterer populärer Micheletti-Gegner, von angeblich unbekannten Tätern getötet - keine Option darzustellen, die den Putschisten unter Micheletti den Machterhalt sichern würde. Dies liegt an der hohen Bereitschaft der Aktivisten und Anhänger der Widerstandsfront, ihr Engagement auch unter diesen Bedingungen solange fortzusetzen, bis mit der Wiedereinsetzung Zelaya ein Minimum an demokratischen Verhältnissen wiederhergestellt ist. Nach Einschätzung von Wendy Cruz, der Sprecherin der Lateinamerikanischen Koordination der Landarbeiterorganisationen und der internationalen Agrarorganisation Vía Campesina in Honduras, handelt es sich bei den offiziell bislang unidentifizierten Mördern von Bados und Garcia um "Militärs in zivil" [2]. Sie begründete diesen schweren Vorwurf damit, daß bei gewaltfreien Protestmärschen Militärs enttarnt worden seien, die sich, zum Teil sogar bewaffnet, als Provokateure unter die Protestierenden gemischt hätten.

Barahona unterstrich unterdessen, daß die UN, die OAS sowie die "Regierungen der Welt anerkannt haben, dass es am 28. Juni einen Staatsstreich gab und dass es Zelaya ist, der die Regierung von Honduras anführt", um zu fragen: "Warum also soll den Putschisten Zeit gegeben werden?" Zelaya wiederum hat gegenüber dem lateinamerikanischen Nachrichtensender TeleSur zu erkennen gegeben, er werde "irgendwann, irgendwo und irgendwie" zurückkehren. "Sie wissen, daß sie das nicht verhindern können", erklärte er. Unterdessen sind die USA in Honduras selbst mit in die politische Schußlinie geraten, denn mehr und mehr wird die zunächst sogar von Zelaya vertretene Behauptung, Washington habe nichts, aber auch rein gar nichts mit dem Putsch zu tun, in Zweifel gezogen. So deckte die in der venezolanischen Hauptstadt Caracas lebende US-amerikanische Rechtsanwältin und Publizistin Eva Golinger auf, daß mehrere nordamerikanische Organisationen vor dem Putsch in Honduras aktiv gewesen seien, was eine, wenn auch indirekte Verstrickung der Obama-Administration nahelegt.

Am Dienstag demonstrierten bereits mehrere tausend Menschen in Tegucigalpa gegen die "verschwiegene" Beteiligung Washingtons am Staatsstreich. Für den heutigen Donnerstag wie auch Freitag wurden neue Proteste der Zelaya-Anhänger angekündigt. So sollen an beiden Tagen die Zufahrtsstraßen zur Hauptstadt Tegucigalpa blockiert werden. Die Putschregierung wußte sich angesichts dieser Ankündigung und einer allgemeinen Ausweitung der Proteste nicht anders zu helfen, als die nächtliche Ausgangssperre, die sie erst am Sonntag aufgehoben hatte, erneut zu verhängen. Dennoch scheint sie selbst nicht mehr daran zu glauben, sich mit repressiven Mitteln an der Macht halten zu können. So demonstrierte Putschpräsident Micheletti Kompromißbereitschaft, indem er seinen Rücktritt ankündigte und an die Bedingung, daß Zelaya gleichwohl nicht wieder ins Amt zurückkehre, zu knüpfen versuchte. Daß es sich hierbei um einen taktischen Schachzug handelt, um Schlimmeres, nämlich die völlige Niederlage der Putschisten, zu verhindern, liegt auf der Hand.

Sollte es Einflüsterer und Finanziers geben, deren Herkunft in Washington zu verorten ist, könnte es sich bei diesem Manöver um den Versuch handeln, eine weitere Offenlegung der in Honduras bereits vermuteten Zusammenhänge zu verhindern, indem Micheletti aus dem Spielfeld genommen wird, ohne die politische Zweckbestimmung des Staatsstreiches, nämlich eine vom Volk bestimmte Linksentwicklung durch die von Zelaya angestrebte Abstimmung über die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung zu verhindern, aufzugeben. Mit einem echten Einlenken darf diese Offerte nicht verwechselt werden, denn dann hätte Micheletti bedingungslos kapituliert und die Illegitimität des Staatstreichs uneingeschränkt eingeräumt.

[1] Zitiert aus: Ohne die Rückkehr Zelayas gibt es keine Einigung. Gespräche zwischen Putschisten und Vertretern der gewählten Regierung von Honduras ergebnislos vertagt. Ein Gespräch mit Israel Salina, Interview von Torge Löding, junge Welt, 13.7.2009, S. 8

[2] Siehe auch: Erst der Putsch hat die Verfassung gebrochen. Interview mit Wendy Cruz von Vía Campesina, von Harald Neuber, Neues Deutschland, 16.07.2009

16. Juli 2009