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DILJA/1195: Teile und herrsche - Washington treibt Keil zwischen südamerikanische Staaten (SB)


Washington sucht die südamerikanischen Staaten gegeneinander auszuspielen

Die vereinbarte Nutzung kolumbianischer Militärstützpunkte durch die US-Streitkräfte wirft ersten Nutzen ab


Am heutigen Freitag kommen die zwölf Mitgliedsstaaten der "Union Südamerikanischer Nationen" (UNASUR) zu einem Sondergipfel im argentinischen Bariloche zusammen, um über die militärische Bedrohung der Region durch eine zwischen Bogotá und Washington getroffene Vereinbarung zu sprechen, derzufolge die US-Streitkräfte Zugang zu sieben Militärstützpunkten Kolumbiens erhalten sowie 800 US-Soldaten dort stationieren dürfen. Nach Ansicht des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez ist dieses Stationierungsabkommen Bestandteil eines "politischen und militärischen Plans mit dem Ziel, die UNASUR scheitern zu lassen". Tatsächlich steht nicht zu erwarten, daß es in Bariloche zu einer politischen Lösung dieses Konflikts kommen könnte, da der kolumbianische Präsident Alvaro Uribe vorab bereits klargestellt hat, daß er gar nicht daran denke, daß mit den USA getroffene und in ganz Lateinamerika höchst umstrittene Militärabkommen aufzukündigen.

Damit ist die Lunte gelegt zu einer Eskalation der Spannungen, die zwischen Kolumbien als dem beinah einzigen Land, das nach wie vor eine enge politische Kooperation mit den USA unterhält und die durch die hohe Militärhilfe Washingtons begründete militärische Abhängigkeit nicht einmal zu reduzieren bemüht ist, und den übrigen Staaten Südamerikas seit geraumer Zeit bestehen. Die umstrittene Stationierung US-amerikanischer Truppen auf sieben kolumbianischen Militärstützpunkten, die nach Angaben des kolumbianischen Außenministeriums vom 15. August die "beiderseitige Verpflichtung gegen den Drogenhandel und den Terrorismus" bekräftigen soll, wird von den lateinamerikanischen Staaten weitgehend abgelehnt mit der Begründung, die USA würden auf diese Weise militärischen Druck ausüben und die Region destabilisieren. Diese Einwände sind nur zu begründet und keineswegs dadurch zu entkräften, sollte, wie von Brasilien eingefordert, Kolumbien "verbindliche Garantien" dafür geben, daß die US-Streitkräfte ausschließlich innerhalb des kolumbianischen Territoriums operieren (dürfen).

Da schon die kolumbianische Regierung die Souveränität der Nachbarstaaten nicht unbedingt respektiert, wie der militärische Angriff der kolumbianischen Armee im März 2008 auf Ecuador, wo ein Lager der FARC mit Bodentruppen und vermutlich auch Flugzeugen angegriffen wurde und sämtliche Bewohner und Besucher des Lagers getötet worden waren, beweist, kann eine Garantieerklärung aus dem Munde des kolumbianischen Präsidenten Uribe keine Sicherheit bieten. Nicht nur Venezuela, auch Ecuador und Bolvien haben die nun beschlossene Truppenstationierung der US-Streitkräfte in Kolumbien scharf kritisiert, sind allerdings auf einem vorherigen UNASUR-Gipfel, der am 10. August in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito begonnen hatte, mit einer das Abkommen eindeutig verurteilenden gemeinsamen Resolution gescheitert.

Somit zeichnet sich ab, daß neben der militärischen Bedrohung, die von diesem keineswegs nur provokativen Schritt fraglos ausgeht, eine Tendenz verstärkt zu werden scheint, die der politischen Gesamtentwicklung der lateinamerikanischen Staaten entgegenwirken soll. Seit langem ist der Linksruck, wie die namentlich von Venezuela forcierten, aber auch von Bolivien und Ecuador intensiv unterstützten Emanzipationsbestrebungen des Kontinents von der früheren US-amerikanischen Dominanz und Einflußnahme gern genannt werden, Washington ein Dorn im Auge, zumal längst nicht mehr von Lateinamerika als einem "Hinterhof" der USA die Rede sein kann. Frei nach dem Motto "teile und herrsche" nimmt Kolumbien für die USA die angesichts dieser Veränderungen höchst willkommene Rolle eines dienstbaren Vasallen ein, der sozusagen in Stellvertretung die Interessen der einstigen Weltmacht auf dem Kontinent vertritt.

Diesen Interessen kann eine politische Schwächung des Zusammenschlusses und -wirkens der zwölf südamerikanischen Staaten im Rahmen UNASURs nur willkommen sein. Ob es dazu jedoch tatsächlich kommen wird, darf bezweifelt werden, da Kolumbien im Kreise der südamerikanischen Staaten bereits weitgehend isoliert ist und die Regierung Uribe weit über die Landesgrenzen hinaus einen denkbar schlechten Ruf genießt. Nach Ansicht des venezolanischen Präsidenten Chávez weht aufgrund der zunehmenden militärischen Präsenz der USA in Kolumbien der "Wind des Krieges" durch Lateinamerika. Wer dies für eine überzogene Einschätzung hält, sollte sich vergegenwärtigen, daß die Annahme, Washington könnte einen Regionalkonflikt bis hin zu einem -krieg anzetteln in Regionen, die sich ihrer Vorherrschaft zu entziehen trachten, keineswegs abwegig ist.

In bezug auf Lateinamerika könnten sich derlei Manöver jedoch als Boomerang erweisen, da die derzeitige kolumbianische Regierung trotz der bislang durchaus erfolgreichen Bestrebungen, Präsident Uribe die Möglichkeit einer dritten Amtszeit zu verschaffen, alles andere als gesichert ist. Sollte sich die in Lateinamerika weitverbreitete Befürchtung, die geplante Truppenstationierung in Kolumbien könnte eine erster Vorbereitungsschritt für Kriege gegen oder Invasionen in andere, aus Washingtons Sicht unliebsame Staaten der Region sein, mehr und mehr erhärten, könnte der innenpolitische Druck gegen Präsident Uribe anwachsen und eine Qualität erreichen, in der den USA der komplette Verlust ihres letzten treuen Verbündeten drohen könnte.

28. August 2009