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DILJA/1206: Ein Präsident mit Zivilcourage - Manuel Zelaya zurück in Honduras (SB)


Dramatische Zuspitzung im von Putschisten beherrschten Honduras

Ausnahmezustand im ganzen Land nach der Rückkehr Präsident Zelayas


In Honduras überschlagen sich die Ereignisse, seit mit der allgemein wie auch von den derzeitigen Machthabern unerwarteten Rückkehr des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya die vermeintliche Ruhe in dem von Putschisten kontrollierten zentralamerikanischen Land schlagartig beendet wurde. Die gewaltsame Zuspitzung der ohnehin seit dem am 28. Juni durchgeführten Putsch angespannten Lage hat allerdings nicht im geringsten der Rückkehrer selbst zu verantworten, sondern ausschließlich das derzeitige Regime, das über das ganze Land den Ausnahmezustand verhängt hat.

Manuel Zelaya war am Montagvormittag in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa aufgetaucht. Nach zwei vergeblichen Rückkehrversuchen per Flugzeug ist ihm nun offensichtlich die Heimkehr auf dem Landwege geglückt. Entgegen anfänglicher Gerüchte, die besagten, der gestürzte Präsident hielte sich in der Botschaft der Vereinten Nationen auf, bestätigte wenig später der brasilianische Außenminister Celso Amorim, daß die Botschaft seines Landes der Bitte des gestürzten Präsidenten um Asyl nachgekommen sei und diesem Zuflucht gewährt habe.

Unmittelbar nach seiner unentdeckt gebliebenen Rückkehr informierte Zelaya den lateinamerikanischen Sender Telesur, bevor er sich auf dem Balkon der brasilianischen Botschaft seinen begeistert herbeigeströmten Anhängern zeigte. "Putschisten raus", skandierten diese. Ihr Zelayas erfolgreiche Rückkehr feiernder Ruf "er hat es doch geschafft" unterschlägt allerdings in der ersten Euphorie, daß die wie zu befürchten steht nun umso gewaltsamere Auseinandersetzung mit den derzeitigen Machthabern erst noch bevorsteht. Das Regime um den sogenannten Interimspräsidenten Roberto Micheletti reagierte nahezu kopflos, was die Gefahr, das dieses die politische Herausforderung, die in der bloßen Anwesenheit des Präsidenten für es besteht, militärisch zu "lösen" versuchen würde, keineswegs verringert. Bislang gibt es nicht die geringsten Anzeichen für eine auch nur annäherungsweise vorhandene moderate und verhandlungsbereite Haltung der derzeitigen Machthaber.

Putschpräsident Micheletti hat sich zunächst nahezu lächerlich gemacht durch den Versuch, die offensichtliche Rückkehr Zelayas zu verleugnen. Entsprechende Meldungen - der Fernsehkanal 36 zeigte am Montag die ersten Livebilder des Präsidenten - bezeichnete Micheletti wutschnaubend als "Medienpropaganda" oder gar "-terrorismus". Als sich nicht mehr leugnen ließ, was nicht zu leugnen war, wurde es Ernst: Das Regime verhängte eine zunächst 15stündige Ausgangssperre über das ganze Land, die am Montag um 16 Uhr in Kraft trat und am Dienstagmorgen verlängert wurde. Durch den Ausnahmezustand wurde ein völliges Verkehrschaos verursacht. Um den Menschen zu ermöglichen, überhaupt noch nach Hause zurückzukehren, schlossen Fabriken, Geschäfte und Schulen vorzeitig. Zur offiziellen Begründung wurde angeführt, durch den Ausnahmezustand solle die "Sicherheit" des Landes gewährleistet werden.

Die Bedrohung allerdings geht einzig und allein vom Militär und den sogenannten Sicherheitsbehörden aus. Die verhängte Ausgangssperre ermöglicht es ihnen, jeden Oppositionellen zu verhaften. Von dieser Möglichkeit wurde bereits rigoros Gebrauch gemacht. Nach Informationen des nationalen Widerstandsbündnisses gegen den Staatsstreich wurden mindestens zweitausend Menschen im Stadtteil Villa Nueva am Rande Tegucigalpas in der Nähe einer Tankstelle interniert. Die brasilianische Botschaft, in der sich Zelaya nach wie vor aufhält, wurde vom honduranischen Militär umstellt und abgeriegelt. Nachdem in den betreffenden Straßenzügen der Strom abgestellt worden war, hatten Tausende Anhänger die Straße mit dem Licht ihrer Handys erhellt. Das Regime sperrte auch den internationalen Flughafen von Tegucigalpa und sperrte alle Flüge, um zu verhindern, daß weitere Anhänger Zelayas in die Hauptstadt kommen können. Umfangreiche Straßensperren wurden errichtet, die Zufahrtstraßen in die Hauptstadt blockiert, um die Ankunft der Fahrzeugkolonnen zu verhindern, die sich in Richtung Tegucigalpa auf den Weg gemacht hatten, nachdem sich die Nachricht von der Rückkehr Zelayas wie ein Lauffeuer verbreitet hatte.

Die von Präsident Zelaya auch an die Adresse der gegenwärtigen Machthaber gerichtete Aufforderung zum versöhnlichen Dialog verhallte, was diese betrifft, vollkommen ungehört. Wie NDR Info heute berichtete, erläuterte der Präsident seine Haltung folgendermaßen: "Der Dialog muß endlich beginnen, denn trotz der internationalen Verhandlungen nehmen Unterdrückung, Verbrechen und Morde in Honduras weiter zu. Wir müssen dieses Blutvergießen beenden, indem wir einen Kompromiß zwischen den verschiedenen Positionen finden durch offenen Dialog." Seine Anhänger rief Zelaya zu friedlichen Protesten, die Armeeangehörigen zur Zurückhaltung auf. "Dies ist der Augenblick der Versöhnung", erklärte der Präsident noch am Montag.

Keine 24 Stunden später - inzwischen hatten die Machthaber die friedliche Pro-Zelaya-Demonstration vor der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa unter Einsatz von Tränengas aufgelöst - klingt Manuel Zelaya nicht mehr so zuversichtlich, den Konflikt politisch beilegen zu können. "Die Botschaft ist von Polizei und Militär umstellt", berichtete er dem Nachrichtensender Telesur und verlieh seiner großen Sorge vor einer gewaltsamen Eskalation der Ereignisse mit den Worten Ausdruck: "Ich befürchte, daß größere Akte von Aggressionen auf uns zukommen, dass sie sogar fähig sein könnten, in die brasilianische Botschaft einzudringen."

Da dieser Konflikt kein inner-honduranischer ist, sondern in einem gewiß nicht unerheblichen Ausmaß von der Haltung der sogenannten internationalen Gemeinschaft und namentlich den USA abhängt, dürfte die weitere Entwicklung in einem engen Zusammenhang damit stehen, wie "ernst" diese ihre Worte diesmal meint. Das Micheletti-Regime hat sich von der Haltung der gegenwärtig in New York tagenden UN-Vollversammlung, die sich einhellig für eine Wiedereinsetzung Zelayas ins Präsidentenamt ausgesprochen hat, jedenfalls nicht im mindesten beeindrucken lassen, was befürchten läßt, daß es sich nach wie vor der Rückendeckung ungenannt gebliebener Unterstützer sicher wähnen kann.

22. September 2009