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DILJA/1209: Offene Diktatur in Honduras - US-Administration gibt sich zu erkennen (SB)


Im Kampf gegen den Volkswiderstand setzt das Putschistenregime von Honduras den Rechtsstaat vollends außer Kraft

Angesichts der offenen Diktatur kann die US-Administration ihre tatsächliche Positionierung nicht länger verschleiern


Die Wölfe haben Kreide gefressen. Seit drei Monaten, genauer gesagt seit dem am 28. Juni erfolgten gewaltsamen Putsch gegen den honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya, bringen es führende Repräsentanten der sogenannten internationalen Gemeinschaft fertig, den Eindruck zu erwecken, als würden sie das Putschistenregime um Roberto Micheletti einhellig verurteilen und dem rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya die Treue halten. Den Worten folgten sogar Taten, weil sie folgen mußten, wollten die heimlichen Unterstützer dieses ersten Militärputsches in Lateinamerika seit der für historisch beendet erklärten Epoche der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nicht Gefahr laufen, vorzeitig erkannt zu werden.

Namentlich die USA, aber auch die EU schränkten ihre finanzielle Unterstützung für Honduras ein. Vor wenigen Tagen entschied sich sogar das Management des Internationalen Währungsfonds (IWF) nach wochenlangen (!) Beratungen dafür, die für Honduras im Topf der sogenannten Bereitschaftskreditvereinbarungen, mit denen insgesamt 186 Staaten bei der Bewältigung der Finanzkrise unterstützt werden sollen, vorgesehenen 163 Millionen US-Dollar nicht an die Putschisten um Micheletti auszuzahlen, sondern ausschließlich die Regierung des gestürzten Präsidenten Zelaya als legitime Staatsführung anzuerkennen.

Na, wen denn sonst, könnte versucht sein zu fragen, wer die Täuschungsmanöver westlicher Politiker in Hinsicht auf das an diesem Sonntag per Dekret in eine offene Diktatur übergeführte Putschregime bislang nicht wahrhaben wollte. Dabei standen die offiziellen Erklärungen und Verlautbarungen vom ersten Putschtag an in einem seltsamen und eigentlich unübersehbaren Widerspruch zu der Untätigkeit, die die im übrigen, wenn es der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen zweckdienlich ist, um keine Verhängung von einschneidenden Sanktionen - um von militärischen Maßnahmen oder ihrer Androhung ganz zu schweigen - verlegene Staatengemeinschaft an den Tag legte. Den offiziellen Verlautbarungen zufolge hält die US-Administration Präsident Zelaya für den einzigen rechtmäßigen Präsidenten von Honduras; täte sie dies nicht, wäre sie unweigerlich als putschunterstützende Partei in diesem weit über die Grenzen des kleinen zentralamerikanischen Landes hinausgreifenden Konfliktes zu erkennen.

Die Obama-Regierung hat sogar erklärt, die Ergebnisse der für den 29. November noch vor dem Putsch anberaumten Präsidentschaftswahl in Honduras nicht anzuerkennen, sollte das Land zuvor nicht zu demokratischen Verhältnissen zurückgekehrt sein. Auch dies stellt eine diplomatische Notwendigkeit dar, zumal inzwischen UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die technische Unterstützung der Vereinten Nationen für diesen Wahlvorgang ausgesetzt hat mit der Begründung, daß glaubwürdige Wahlen unter den derzeitigen Bedingungen in Honduras nicht möglich sind. Wie hätte US-Präsident Obama unter diesen Umständen die Bereitschaft seiner Regierung, die Novemberwahlen bzw. deren Wahlsieger anzuerkennen, bekunden können, ohne als undemokratischer Putschistenfreund in Erscheinung zu treten?

Durch die Rückkehr Zelayas am vergangenen Montag hat sich die Lage noch verschärft und zwar nicht nur in Honduras selbst, wo die Putschisten am Sonntag dazu übergegangen sind, den Rechtsstaat vollständig auszusetzen und das Land mit den Mitteln einer offenen Militärdiktatur zu regieren, sondern auch an der unsichtbaren Front zwischen Putschgegnern und -unterstützern im Ausland. Dieser Frontverlauf wurde in Ansätzen sichtbar in New York, wo derzeit die Vollversammlung der Vereinten Nationen tagt und somit auch der Weltsicherheitsrat nicht umhin kam, dem Ersuchen Brasiliens um eine Dringlichkeitssitzung wegen Honduras nachzukommen. Doch mit welchen Ergebnissen? Auf der Dringlichkeitssitzung des höchsten, mit der Wahrung des Friedens beauftragten UN-Gremiums kam nicht mehr heraus als die Aufforderung an die Putschregierung Micheletti, die Angriffe auf die brasilianische Botschaft (in der Präsident Zelaya seit seiner Rückkehr Zuflucht gefunden hat und in der er sich noch immer aufhält) einzustellen.

Susan Rice, die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, die den Vorsitz führte, suchte das internationale Ansehen ihre Regierung durch die an das Micheletti-Regime gerichtete Forderung, die Versorgung der Menschen in der brasilianischen Botschaft mit Wasser und Lebensmitteln sowie die Kommunikationsverbindungen wiederherzustellen, aufzubessern. Damit erklärt sich Rice jedoch, wenn auch stillschweigend, einverstanden mit dem überaus rigiden Vorgehen des Regime gegen die landesweiten Proteste der Zelaya-Anhänger, die eine Wiedereinsetzung des Präsidenten in sein Amt verlangen und damit eine Forderung stellen, der sich die USA wie auch alle übrigen im Weltsicherheitsrat vertretenen Staaten bedingungslos anschließen müßten, da dies die einzig logische Konsequenz aus der auf der Vollversammlung vorgehaltenen Erklärung, derzufolge Zelaya der einzige rechtmäßige Präsident ist, wäre.

Durch das am Sonntag für 45 Tage, wie es hieß, verhängte Dekret, durch das in Honduras die Grundrechte aufgehoben und Polizei und Militär ermächtigt werden, Versammlungen aufzulösen und in voller Willkür Oppositionelle zu verhaften, wurde jegliche Schein-Legitimation des Militärregimes fallengelassen. Zur Begründung wurde angeführt, auf diese Weise einer angeblich drohenden Rebellion begegnen zu wollen; folgerichtig kündigte Putsch-"Präsident" Micheletti am Montag an, die Grundrechte wieder einsetzen zu wollen, sobald sichergestellt sei, daß Zelaya die Wahlen im November respektieren würde. Diese Worte tragen womöglich die Handschrift US-amerikanischer Berater in sich. Mit der jetzigen Zuspitzung kann die Obama-Administration nicht einverstanden sein, da sie es ihr, mehr noch als der bisherige, nicht minder undemokratische Zustand, nun völlig unmöglich macht, ihre Haltung unerkannt beizubehalten.

So sparte denn auch der US-Botschafter bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Lewis Amselem, auf einer Dringlichkeitssitzung dieser Organisation in Washington, nicht mit Kritik an den derzeitigen Machthabern. Deren Maßnahmen bezeichnete er als "beklagenswert" und "dumm", sie würden weder dem Land noch den Putschisten nützen. Das klingt ganz nach dem Ärger der heimlichen Ratgeber und Strippenzieher, die sich ein moderateres Lavrieren des Micheletti-Regimes wünschen müssen, um irgendwie einen Übergang bewerkstelligen zu können zu international anerkannten Herrschaftsverhältnissen, ohne jedoch in wesentlichen Punkten Abstriche machen zu müssen. Die nun mehr denn je zugespitzte Lage führte bereits dazu, daß Anselem sich zu Äußerungen hinreißen ließ, die die tatsächliche Positionierung und Interessenlage der neuen US-Regierung bloßstellen. So erklärte er, Zelayas heimliche und für viele überraschende Rückkehr am vergangenen Montag sei "idiotisch" und "verantwortungslos" gewesen.

Dies ist keineswegs erklärungsbedürftig, sondern spricht für sich. Ganz offensichtlich hat der honduranische Präsident nach zwei mißlungenen Rückkehrversuchen und drei Exil-Monaten, in denen ihn die vermeintliche Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft in Hinsicht auf seine Rückkehr ins Amt nicht um einen Millimeter weiter gebracht hat, der US-Administration mit diesem Schritt einen Strich durch die Rechnung gemacht. Als "verantwortungslos" ist nicht die unter erheblichen persönlichen Risiken durchgeführte Rückkehr Zelayas zu bezeichnen, um von den ihm womöglich nach wie vor drohenden Gefahren gar nicht erst zu sprechen, sondern bestenfalls die Haltung der USA wie auch führender EU-Staaten, deren Täuschungsmanöver in Hinsicht auf die Militärregime in Honduras mit jedem Tag, an dem dieses Krieg gegen das eigene Volk führt, leichter zu entlarven sind.

29. September 2009