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DILJA/1244: Griechenland im Würgegriff - Die EU offenbart ihr wahres Gesicht (SB)


Die Europäische Union zeigt ihre Krallen

Von wegen "Solidarität" - das EU-Mitglied Griechenland wird unter Brüsseler Zwangsverwaltung gestellt


Als am 6. Dezember 2009 der Präsident Boliviens, Evo Morales, und mit ihm die von ihm angeführte "Bewegung zum Sozialismus" (MAS), bei den Präsidentschaftswahlen klar in seinem Amt bestätigt wurde, wurde dies in Lateinamerika nicht nur als ein klares Bekenntnis der bolivianischen Bevölkerung für diesen Präsidenten und den in seiner Regierungszeit begonnenen gesellschaftlichen Umwandlungsprozeß bewertet, sondern auch als ein Wählervotum für die "Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerikas" (ALBA), einem 2004 gegründeten Bündnis lateinamerikanischer Staaten, dem neben Bolivien Antigua und Barbuda, Kuba, Dominica, Ecuador, Honduras, Nicaragua, St. Vincent und die Grenadinen sowie Venezuela angehören. Die unbestreitbaren Fortschritte, die namentlich Bolivien, dem nach Haiti zweitärmsten Land Lateinamerikas, bei der Bekämpfung der Armut und der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung nachweislich machen konnte, sind unter anderem auch auf die tatkräftige Unterstützung der ALBA-Partnerstaaten Kuba und Venezuela zurückzuführen.

Von einer solchen Solidarität können die ärmeren Staaten der Europäischen Union noch nicht einmal träumen, wurde doch mit dem am 1. Dezember vergangenen Jahres in Kraft getretenen sogenannten EU-Reformvertrag für die EU-Staaten ein Regel- oder vielmehr Strangulationswerk erlassen, das eine uneigennützige, solidarische (Finanz-) Hilfe der Mitgliedstaaten untereinander oder auch von seiten der EU gegenüber einem in Finanznot geratenen Mitglied kategorisch ausschließt. Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages wurde sämtlichen EU-Staaten ein von neoliberalen Dogmen geleitetes Finanz- und Wirtschaftskorsett angelegt, dessen Aufrechterhaltung bzw. Durchsetzung den EU-Gremien im Ernstfall Zwangsmittel an die Hand gibt, die unter faktischer Außerkraftsetzung der staatlichen Souveränitätsrechte eines betroffenen Mitgliedsstaates die restriktive EU-Politik durchsetzen.

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der reformierten EU-Verträge war die Finanzkrise Griechenlands längst in aller Offenheit zutage getreten, hatte die seit dem Sommer regierende sozialdemokratische PASOK-Regierung doch am 21. Oktober 2009 die von ihrer konservativen Vorgängerregierung gemachten Angaben korrigiert und offengelegt, daß das griechische Staatsdefizit im Jahre 2009 nicht 3,7, sondern 12,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrage. Die hohe Staatsverschuldung Griechenlands, die zum Anlaß und Vorwand für einschneidende repressive Maßnahmen genommen wurde und noch immer wird, wobei das volle Ausmaß der sozialen Folgewirkung noch überhaupt nicht abzusehen ist, ist zwar hoch, aber keineswegs eine so extreme Ausnahmeerscheinung, daß dies die faktische Übernahme der Regierungsgewalt in Griechenland durch die Brüsseler EU-Kommission tatsächlich rechtfertigen könnte. So liegt beispielsweise die Gesamtverschuldung Griechenlands bei 86 Prozent des BIP noch unter der Italiens mit 96 Prozent, ohne daß das Italien Berlusconis in eine auch nur annähernd vergleichbare Maßregelung genommen wurde. Geschönte Statistiken, ohne die der 2001 erfolgte Beitritt Griechenlands zur Euro-Zone nicht hätte realisiert werden können, werden auch Italien nachgesagt, doch da dieser Staat längst einen stramm neoliberalen Kurs verfolgt, stellt er ungeachtet seiner staatsfinanziellen Engen kein Zielobjekt für regulative Zwangsmaßnahmen aus Brüssel dar.

Ohnehin befindet sich Griechenland, was die Neuverschuldung des Staatshaushalts betrifft, international gesehen in bester oder auch schlechtester Gesellschaft, liegen doch die griechischen 13 Prozent des BIP auf gleicher Höhe mit den USA, ohne daß diese als Gefahr für ein Phantasma namens "wirtschaftliche Stabilität" angeprangert worden wären. Auch innerhalb der Euro-Zone nimmt Griechenland keineswegs eine Ausnahmestellung ein, liegt doch die Netto-Schuldenaufnahme Irlands bei 12 und die Spaniens bei immerhin auch 10 Prozent des BIP, womit weitere EU-Staaten die strengen Anforderungen des auf maßgeblichen Druck der deutschen Bundesregierung 1997 zustandegekommenen "Stabilitäts- und Wachstumspaktes" verletzen, denen zufolge die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, ihre Staatsschulden unter der Marge von 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu halten.

Doch nicht nur in diesem Euro-Stabilitätspakt wird "Stabilität" großgeschrieben, ohne daß auch nur die wirtschaftswissenschaftlichen Prämissen, Axiome und Grundannahmen, die dieser Begriff impliziert, benannt oder öffentlich zu Diskussion gestellt worden wären. Stabilität verspricht Stabilität, wobei allerdings der gesellschaftliche Kernkonflikt zwischen Kapital und Arbeit bzw. zwischen der herrschenden Ordnung und den ihr unterworfenen Menschen geflissentlich ausgeblendet wird. Täte man dies nicht, würde offenbar werden, daß die Stabilität der einen Seite auf der Instabilität der anderen beruht und diese zwingend voraussetzt, wie eben auch die für ihre Nutznießer höchst erfreulichen Unternehmensgewinne im Exportweltmeisterland Deutschland nicht von ungefähr mit dem hiesigen Niedriglohnniveau zusammenhängen, das wiederum ohne die bundesweit durchgeprügelte "Agenda 2010", sprich die massenweise Hartz-IV-Verarmung und Drangsalisierung, nicht hätte realisiert werden können.

Der EU-Reformvertrag trägt insofern eine "deutsche" Handschrift, wird doch auch in ihm eine wirtschaftspolitische Festlegung auf dem Niveau einer De-facto-EU-Verfassung, die dieses Reformwerk mangels demokratischer Legitimation eigentlich gar nicht sein kann, festgeschrieben, die den Interessen der Unternehmen einen klaren Vorrang einräumt vor den Lebens- und Überlebensinteressen der EU-Bevölkerung. Am Beispiel Griechenlands wird derzeit vorexerziert und durchdekliniert, was jedem EU-Mitgliedstaat droht, sollte er die Brüsseler Vorgaben nicht einhalten wollen oder können. Dabei haben die EU-Staaten bzw. die jeweiligen nationalen Regierungen ihre staatlichen Souveränitätsrechte in erheblichem Umfang eingebüßt, denn keineswegs kann eine Regierung wie die griechische, aber auch die jedes anderen EU-Staates, auf der Basis ihrer eigenen Einschätzungen, Überlegungen, Prioritätserwägungen und Entscheidungen eine Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben, für die sie sich ihrer Wählerschaft gegenüber zu verantworten hat.

Ein solches Demokratieverständnis ist durch die EU-Verträge längst überholt bzw. gegenstandslos gemacht worden. So wird in Art. 121 der konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Abs. 1 bestimmt:

Die Mitgliedstaaten betrachten ihre Wirtschaftspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse und koordinieren sie im Rat nach Maßgabe des Artikels 120.

Und dort heißt es unter anderem:

Die Mitgliedstaaten und die Union handeln im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird, und halten sich dabei an die in Artikel 119 genannten Grundsätze.

Die da wären - so in Art. 119 Abs. 3 AEUV nachzulesen:

Die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Union setzt die Einhaltung der folgenden richtungweisenden Grundsätze voraus: stabile Preise, gesunde öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen sowie eine dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz.

Warum die öffentlichen Finanzen in Griechenland zu einem Krankheitsherd erklärt wurden, der angeblich den Euro und damit die wirtschaftliche Stabilität der gesamten EU gefährde, während Italien, dessen Staatsverschuldung 2009 nach Eurostat-Angaben 114,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrug und damit noch über der Griechenlands mit 112,6 Prozent des BIP lag, ist eine bislang ungeklärte Frage. Wie absurd die Annahme ist, ein vielleicht denkbarer Staatsbankrott Griechenlands könnte den Euro oder gleich die ganze EU zusammenbrechen lassen, weshalb repressivste Maßnahmen zur Durchsetzung des Brüsseler Spardiktats gegen die griechische Bevölkerung gerechtfertigt seien, belegt ein Blick in die Staatsverschuldung nach absoluten Zahlen. Denen zufolge bemißt sich die griechische Staatsverschuldung auf 406 Milliarden Dollar und liegt damit erheblich unter der Spaniens mit 695 und Italiens mit 2062 Milliarden Dollar [1]. Selbst in der innerimperialistischen Konkurrenz steht die EU gut dar, liegt ihre Neuverschuldung von 6 Prozent zwar über den vom Stabilitätspakt verlangten 3 Prozent, doch unter den Vergleichswerten aus den USA und Japan.

Die griechische Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten George Papandreou hat unter dem Druck der vermeintlichen Sachzwänge eine Sparpolitik beschlossen, die zwar auf die Zustimmung der EU-Finanzminister stieß, diesen jedoch noch nicht weit genug ging. Die beschlossenen Kürzungen betreffen einen Lohnstop im öffentlichen Dienst, Steuererhöhungen auf Benzin, Tabak und Alkohol sowie eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Griechenland wurden als grobem "Defizitsünder" noch weitaus härtere Daumenschrauben angelegt als anderen Mitgliedsstaaten, die die Vorgaben des Stabilitätspakts durch eine über 3 Prozent des BIP liegende Neuverschuldung verletzen. Als erstes EU-Mitglied bekommt Griechenland die Härte des Instrumentariums zu spüren, dessen Anwendung jedem Staat droht und insbesondere den kleinen und mittleren Staaten vor Augen führt, daß in der EU von Solidarität und tatsächlicher Unterstützung nicht nur nichts zu spüren und zu erwarten ist, sondern daß die Zugehörigkeit zu diesem unter die Regie der Kern-EU-Staaten gestellten Staatenbund die bestehenden Probleme und Notlagen noch verschärft und sogar mitverursacht hat.

Als erster EU-Staat wurde Griechenland nach Art. 126 Abs. 9 AEUV "unter Verzug" gesetzt. Darin heißt es:

Falls ein Mitgliedstaat den Empfehlungen des Rates weiterhin nicht Folge leistet, kann der Rat beschließen, den Mitgliedstaat mit der Maßgabe in Verzug zu setzen, innerhalb einer bestimmten Frist Maßnahmen für den nach Auffassung des Rates zur Sanierung erforderlichen Defizitabbau zu treffen.

Eben dies ist geschehen mit der Folge, daß die griechische Regierung nun vor der Herkules-Aufgabe steht, die Defizitrate von 12,7 Prozent in nur drei Jahren auf die Zielmarge von 3 Prozent zu bringen, wobei im laufenden Jahr eine Reduzierung um 4 Prozentpunkte auf 8,7 Prozent bewerkstelligt werden muß. Mit anderen Worten: Die EU-Mitglieder mit den größten Finanzproblemen werden am stärksten unter Druck gesetzt. Frankreich, auch ein "Defizitsünder", aber ein Mitglied der Kern-EU, wird sich bis 2014 Zeit lassen können, um sein Defizit von derzeit sieben auf die verlangten drei Prozent zu reduzieren. Die finanziellen Probleme Griechenlands hingegen wurden systematisch verschärft, so durch die Abwertung der Einschätzung der Zahlungsfähigkeit Griechenlands durch Ratingagenturen, was zur Folge hat, daß sich weitere Kredite, die die griechische Regierung aufnehmen muß, für sie noch verteuern.

Dabei wird ihr nicht einmal Zeit bis zum Jahresende gelassen, um unter Beweis zu stellen, daß die rigorosen Sparmaßnahmen auch die verlangten Ergebnisse aufweisen. Die "Hilfe", die die EU Griechenland zu gewähren versprach, beläuft sich unterm Strich auf den verstärkten Druck auf die Athener Regierung, der weitere Strafsanktionen angedroht sind, sollte sie, "unter Verzug" gesetzt, wie sie ist, nicht in den verlangten Fristen ausreichende Erfolge im Defizit-Abbau vorweisen. Wie das Wall Street Journal am 2. Februar meldete, geht das US-amerikanische Wirtschaftsforschungsinstitut High Frequency Economics davon aus, daß eine Halbierung des Staatsdefizits zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von aktuell 9,3 auf 16 Prozent führt. Die Wirtschafts- und Währungsunion, der Griechenland angehört, schließt aus, daß die Euro-Staaten untereinander eine Solidargemeinschaft für in Not geratene Mitglieder bilden können. Bereits im März wird die EU-Kommission die bis dahin erfolgten Sparmaßnahmen und deren Resultate mit technischer Unterstützung des Internationalen Währungsfonds (IWF) überprüfen. Sollten diese nicht zur Brüsseler Zufriedenheit ausfallen, könnten drastische Strafgelder verhängt werden.

Die griechische Regierung befindet sich in einer Situation, in der sie, kraß formuliert, gezwungen sein wird, gegen die eigene Bevölkerung Krieg zu führen. Schon jetzt gibt es massenhafte Proteste und erste Streiks, so durch die Zöllner des Landes, weshalb es, da dadurch Im- und Export erheblich eingeschränkt sind, schon in der kommenden Woche keinen Treibstoff mehr geben wird. Für den 24. Februar haben alle Gewerkschaften des Landes zu einem Generalstreik gegen die Sparbeschlüsse aus Athen und Brüssel aufgerufen. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) erklärte durch ihre Generalsekretärin Aleka Papariga nach einem Treffen mit Ministerpräsident Papandreou [2]:

Wir haben dem Ministerpräsidenten gegenüber noch einmal wiederholt, was wir bereits im Parlament gesagt haben. Wir sind nicht bereit, unsere Zustimmung zu diesen volksfeindlichen Maßnahmen zu geben, die auf dem Rücken der Arbeiter und Bauern die Gewinninteressen des Kapitals und der Spekulanten sichern sollen.

Schärfste Auseinandersetzungen mit streikenden Arbeitern und Angestellten nicht nur im öffentlichen Dienst sowie allgemeine Proteste und Unruhen sind somit nicht nur vorhersagbar, sondern unausweichlich, und eben hier setzt die durch die Sparbeschlüsse der gegenwärtigen Athener Regierung wie durch einen verlängerten Arm Brüssels eingesetzte Zwangsadministration an. In Griechenland sollen nach deutschem Vorbild Verhältnisse im Sozial- und Arbeitsbereich durchgesetzt werden, die gegenüber dem bisherigen Status Quo eine Optimierung der Verwertungsbedingungen darstellen und somit ausschließlich im Interesse der Kapital-Nutnießer liegen können. Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, erklärte unlängst, die griechische Regierung habe erkannt, daß sie das Problem der "enorm" gestiegenen Lohnstückkosten zügig in den Griff bekommen müsse. Stark sprach sich explizit gegen etwaige Geldleistungen oder direkte Kredite an Griechenland aus und befand auch, daß Kredite des IWF an Griechenland "nicht angemessen" seien. Deutschland, ein Land mit einem niedrigen Haushaltsdefizit, aber auch einem niedrigen Lohnniveau und einem weit vorangeschrittenen Sozialabbau - siehe Agenda 2010 und Hartz IV -, wie Stark hinzuzufügen vergaß, sei ein "Modell" für die gesamte Euro-Zone.

Damit deutet sich an, daß die größte Wirtschaftskrise, in der Griechenland seit dem Ende der Diktatur von 1974 steckt, zum Anlaß genommen wird, einen ersten Peripherie-Staat der EU unter Zwangsadministration aus Brüssel zu stellen, wobei die griechische Regierung, ihrer demokratischen Gestaltungsrechte beraubt, nur noch Zwischenträgerfunktionen zu erfüllen hat. Die Wirtschafts- und Währungsunion hat dabei zu der Misere Griechenlands sowie weiterer südeuropäischer Staaten und selbst Frankreichs beigetragen bzw. diese mit herbeigeführt. Nach Einschätzung Heiner Flassbecks, des Chefökonoms der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf, hat die Bundesrepublik Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft "ohne Rücksicht auf Verluste" ausgebaut und die anderen Staaten der Euro-Zone zu Bettlern gemacht. Dem nun beschlossenen massiven Sparkurs erteilte er ebenso eine fundamentale Absage wie der generellen Bezichtigung Griechenlands [3]:

Diese Sparpolitik macht überhaupt keinen Sinn. Es ist gefährlich, ein Land mitten in der schwersten Wirtschaftskrise der letzten 80 Jahre in eine derart restriktive Politik zu drängen. In einem halben Jahr steht man nämlich wieder vor den alten Problemen. Die einzige Möglichkeit ist, einem solchen Staat zu helfen - Griechenland ist ja schließlich nicht nur durch eigene Schuld in diese Lage gekommen.

Einem "solchen" Staat zu helfen? Eine innerhalb der EU und damit einem der neoliberalen Agenda verschriebenen Interessenbund absurde und uneinlösbare Idee. "Solidarität ist keine Einbahnstraße" - mit diesen Worten brachte der EZB-Chefökonom Stark das Begriffs- und Politikverständnis auch der Brüsseler Administration auf den Punkt. Die erbitterte Feindschaft, die die westlichen Führungsmächte USA und EU gegenüber dem lateinamerikanischen Staatenbund ALBA und dessen Gründungsmitgliedern Venezuela und Kuba inzwischen an den Tag legen, fußt nicht zuletzt auf den faktischen Beweisen einer gelebten Solidarität, die diese Staaten gegenüber schwächeren Partnern bereits unter Beweis gestellt haben und die tatsächlich - legt man die Meßlatte berechenbarer ökonomischer Vorteile an, die nicht anders als durch Verluste anderer erwirtschaftet werden können - als "Einbahnstraße" erfolgt. Doch all dies ist für Griechenland wie auch die übrigen Peripheriestaaten der EU nicht einmal Zukunftsmusik, haben sie sich doch durch EU-Integration und "Reform"-Prozeß einem Raubgefüge überantwortet, dessen stärkster Reißwolf bereits Exportweltmeister werden konnte, ohne daß dies für seine massiv anwachsende Armutsbevölkerung von Vorteil gewesen wäre.

Anmerkungen

[1] "Bestraft Griechenland!", Analyse. Bei dem Gezeter um Hellas geht es vor allem um Machtfragen in der EU, von Andreas Wehr, junge Welt, 05.02.2010, S. 10

[2] Streik gegen Kahlschlag, EU setzt Athen unter Druck. Griechische Regierung plant massiven Sozialabbau, von André Scheer, junge Welt, 04.02.2010, S. 2

[3] "Deutschland hat die anderen zu Bettlern gemacht", Griechenland ist nicht nur durch eigene Schuld in die Finanzkrise geraten. Ein Gespräch mit Heiner Flassbeck, von Peter Wolter, junge Welt, 18.02.2010, S. 2

19. Februar 2010